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Belting, Hans
Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1970, 1. Abhandlung): Das Illuminierte Buch in der spätbyzantinischen Gesellschaft: vorgelegt am 20. Juni 1970 von Walter Paatz — Heidelberg: Carl Winter Universitätsverlag, 1970

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https://doi.org/10.11588/diglit.73391#0113
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Schlußwort

Die griechische Gesellschaft in den beiden letzten Jahrzehnten von Byzanz
wurde hier als eine Konstante behandelt, während der Wandel ihrer inneren
und äußeren Situation im Laufe des 14. Jahrhunderts außer Betracht blieb.
Tatsächlich aber war sie im Jahre 1453, als ihre staatliche Existenz zusammen-
brach, nicht mehr die gleiche wie jene, die 1261 in der wiedergewonnenen
Hauptstadt unter der neuen Dynastie der Paläologen die Restauration ihrer
staatlichen und geistigen Tradition betrieben hatte. Die einst so fest gefügte
soziale Struktur war durch ständigen Landverlust an die Türken und durch
Zerrüttung der Wirtschaft ins Wanken geraten. Die Mißerfolge bei den An-
strengungen der Selbstbehauptung gegenüber den „Ungläubigen" taten das
Ihre dazu, um eine Krise im Selbstverständnis der Byzantiner auszulösen.
Die rasche Ausbreitung der weltflüchtigen und bildungsfeindlichen Mönchs-
bewegung des Hesychasmus steht damit im Zusammenhang.
Trotz dieser geschichtlichen Veränderungen zwischen 1261 und 1543 läßt
es sich aber in unserem Falle vertreten, die spätbyzantinische Gesellschaft zu-
nächst einmal als eine gegebene Größe vorauszusetzen. Denn die historischen
Vorgänge drücken sich am Objekt unserer Untersuchung kaum aus, wenn
wir von Stilfragen absehen, deren Auswertung im Augenblick noch recht un-
sicher erscheint310. Sie machen sich höchstens in dem bescheidenen Anteil,
den die Werke aus der zweiten Hälfte unserer Epoche an dem erhaltenen
Material haben, bemerkbar. In der einzelnen Handschrift ist aber keinerlei
Veränderung wahrzunehmen3". Sie hielt an dem Ausstattungsprogramm der
Vorgänger aus der Frühzeit der Paläologen fest, und auch an der herkömm-
lichen Formulierung der Bildthemen. Man mag darin jenes zähe Beharrungs-
vermögen wiedererkennen, das in anderen Äußerungen dieser Gesellschaft
die Einstellung zur Tradition bestimmte. Doch hat die Verbindlichkeit der
Tradition im illuminierten Buch besondere Gründe. Hier waren schon in der
Frühzeit der Paläologen Vorentscheidungen gefallen, welche die Bildhand-
schriften für den religiösen Bereich reservierten.

310 Man darf wohl das Postulat einer einheitlichen Stilentwicklung nicht mehr ohne weiteres auf
die spätbyzantinischen Verhältnisse übertragen. Lasareff, op. cit. wie Anm. 4, 354f., geht sicher
zu weit, wenn er die paläologische Malerei in zwei Phasen aufteilt, deren Unterschied er mit
einer Einflußnahme hesychastischer Ideen auf die Kunst nach der Mitte des 14. Jahrhunderts
erklären möchte. Wir wissen von der kunstgeographischen Situation noch viel zu wenig, um
alle formalen Unterschiede auf das Konto eines überall verbindlichen Zeitstils zu setzen.

311 Eine Ausnahme ist der Pariser Kantakuzenos, dessen Autorenbild als ideologisches Manifest
die späte Entstehungszeit widerspiegelt (S. 84-88).
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