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Belting, Hans
Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1970, 1. Abhandlung): Das Illuminierte Buch in der spätbyzantinischen Gesellschaft: vorgelegt am 20. Juni 1970 von Walter Paatz — Heidelberg: Carl Winter Universitätsverlag, 1970

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https://doi.org/10.11588/diglit.73391#0114
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Hans Belting

Die Buchmalerei hatte nämlich - im Gegensatz zum humanistischen Text -
als Bildungsprodukt in den literarischen Kreisen von vornherein keine Chancen
gehabt. Da man Malerei weitgehend mit religiöser Malerei identifizierte,
blieb der Aufgabenbereich des Bildes im Buch notwendigerweise beschränkt312.
Man trieb den Aufwand des Bildes meist nur für das Buch der Liturgie und
der privaten Frömmigkeitsübung. Hier hatte das Bild zwar ohnehin einen an-
gestammten Platz, erhielt aber nun neuen Auftrieb als „Ikone" im Buch,
welche auch formal ihre Darstellungsmittel aus der Ikonenmalerei auslieh
und damit die klassizistischen Ideale der Vergangenheit aufgab. Nur im Thema
des Evangelistenbildes konnten sich die klassizistischen Erbformen der Gat-
tung Miniaturmalerei mit Erfolg behaupten, weil ihnen hier das Kopienwesen
entgegenkam.
In dem Porträt des Besitzers oder Stifters gibt sich eine weitere Aufgabe
der Buchmalerei zu erkennen, die diesmal durch ihren rechtlichen Charakter
von vornherein festgelegt war. Als Rechtsurkunde war das Porträt an be-
stimmte Formeln gebunden, die ihre verabredete Bedeutung besaßen. Aus
dieser rechtlichen Funktion erklärt sich auch die Häufigkeit des Porträts als
selbständiges Thema oder als Votivbild mit einem heiligen Fürsprecher. Die
Verwendung der Miniatur als „Ikone" oder Porträt läßt deutlich erkennen,
welche Beweggründe hinter dem Auftrag für das illuminierte Buch standen.
In der religiösen Erbauung und in der heilssichernden Stiftung für Familien-
kloster oder Öffentlichkeit waren ihm seine wesentlichen Aufgaben vor-
gezeichnet313.
Damit werden wir von selbst auf einen bestimmten Typ des Auftraggebers
verwiesen. Es war der private Stifter, an welchen Kaiserhof und Klöster die
angestammte Rolle als Träger der Bildhandschrift abtraten. Er gehörte stets
dem untereinander versippten Familien- und Amtsadel an, also jener kleinen
Feudalschicht, deren ökonomische und politische Machtstellung während der
gesamten Dauer der spätbyzantinischen Epoche ausschlaggebend war. Es
tut dabei nichts zur Sache, ob er als Mitglied des Hofes oder als Insasse eines
Klosters auftrat, denn er „firmierte" das privat getragene Stiftungsobjekt
mit eigenem Namen. Eine Unterscheidung zwischen Laien und Mönchen
hat in unserem Fall keinen Sinn, da sie sich im Objekt dieser Untersuchung
nicht artikuliert. Sie wäre ohnehin problematisch für eine Gesellschaft, in
der man sich für den geistlichen Stand nicht unbedingt von vornherein ent-

312 Der Pariser Theokrit (S. 18) steht als Nachschöpfung oder Nachempfindung eines antiken
Themas in antikischen Formen, soweit ich sehe, allein.

313 Die Votiv-Absicht im weitesten Sinne legte die Kennzeichnung mit Porträt oder Stifter-
eintrag nahe, mochte sich aber auch mit der Entscheidung für fromme Anonymität verein-
baren lassen.
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