4. Die Porträts
Die Porträts der spätbyzantinischen Handschriften haben uns bereits
mehrere Male in den vorangehenden Kapiteln beschäftigt. Sie treten in ver-
schiedenen Typen auf, die jeweils ein besonderes Anliegen zum Ausdruck
bringen sollen. Bleiben wir zunächst bei dem Dedikations- und dem Votivbild,
die wir unter einer Rubrik zusammenfassen dürfen243. Beide halten den Be-
sitzer oder Stifter einer Handschrift bei einer frommen Tat oder in einer from-
men Gesinnung fest. Die Dedikationsformel (Figuren 21-24), die das Objekt
der Stiftung anschaulich macht, ist wohl im monumentalen Stifterbild einer
Kirchendekoration zu Hause gewesen. Die Votivformel, die einen Betenden
in kniender und proskynierender Haltung zeigt (Figuren 19 und 20), begegnet
wieder auf der Votivikone, auf der sie nur Zusatz zu einem unabhängigen
Heiligenbild ist244. In beiden Fällen wird der Porträtierte als Bittsteller vorge-
führt, der sich im Buch als Stifter oder Besitzer einem heiligen Patron emp-
fiehlt. Das doppelseitige Widmungsbild des Codex Iviron 5 (Figuren 23 und 24)
vollzieht gar eine Kanzleiszene nach, um die Anliegen des Bestellers in die Form
einer Eingabe am himmlischen Hof kleiden zu können245.
Die direkte Konfrontation des Bittstellers mit seinem Anwalt oder seinem
Richter ist ein so allgemeines Gesetz dieser Ikonographie, daß der Berliner
Psalter völlig aus dem Rahmen fällt, indem er dem Votanden nicht die An-
243 Vgl. S. 30 ff. und Anm. 98 zur Lit. über das byzantinische Porträt.
244 Beispiele: 1. Die Pantokrator-Ikone des Stratopedarchen Alexios aus d. Jahr 1363 in der Ere-
mitage zu Leningrad (A. Banck, Byzantine Art in the Collections of the USSR, 1966, Nr. 265
mit weiterer Lit.). -2. Die Marienikone des Konstantin Akropolites, um 1300, in der Tretjakov-
Galerie zu Moskau (Banck, ebenda Nr. 244). - 3. Das Christus-Maria-Diptychon der Maria
Palaiologina und ihres Gemahls, des Despoten Thomas von Epirus, im Verklärungskloster
der Meteoren (Katalog Byzantine Art - A European Art, op. cit. wie Anm. 12, Nr. 211 zur
erhaltenen Marientafel). - Während Alexios, der Skaranikon und Kaftan trägt, wie Maria
Palaiologina in der knienden Votiv-Pose erscheint, zeigt Akropolites ebenso wie seine Ehefrau
auf dem Metallrahmen seiner Marien-Ikone die Formel des Memorialporträts (s. u.). Die In-
schriften entsprechen dieser Verschiedenheit des Porträt-Typus auffallend genau: beim Me-
morial-Typus bieten sie nur den Namen, während sie beim Votiv-Typus mit der Formel
„Deesis tu dulu Theu" (sic) ... eingeleitet werden. Entweder konnte das Memorialbildnis
als Privatporträt auch in der Funktion des Stifterbildes verwendet werden oder, noch wahr-
scheinlicher, war es hier gemeint als Hinweis auf das Gedächtnis zweier Verstorbener an deren
Grab, wo man ja eine solche Ikone aufstellen konnte. Umgekehrt konnte dagegen das Votiv-
bild einer memorialen Funktion nicht dienen. Vgl. dazu S. 78 unten. Zu den Votivikonen an
Gräbern Anm. 267. Zu einer Memorialtafel vgl. das Bildnis des Prinzen Johannes von Mega-
spelaion (Anm. 266 und Fig. 46).
245 Vgl. S. 35 ff.
Die Porträts der spätbyzantinischen Handschriften haben uns bereits
mehrere Male in den vorangehenden Kapiteln beschäftigt. Sie treten in ver-
schiedenen Typen auf, die jeweils ein besonderes Anliegen zum Ausdruck
bringen sollen. Bleiben wir zunächst bei dem Dedikations- und dem Votivbild,
die wir unter einer Rubrik zusammenfassen dürfen243. Beide halten den Be-
sitzer oder Stifter einer Handschrift bei einer frommen Tat oder in einer from-
men Gesinnung fest. Die Dedikationsformel (Figuren 21-24), die das Objekt
der Stiftung anschaulich macht, ist wohl im monumentalen Stifterbild einer
Kirchendekoration zu Hause gewesen. Die Votivformel, die einen Betenden
in kniender und proskynierender Haltung zeigt (Figuren 19 und 20), begegnet
wieder auf der Votivikone, auf der sie nur Zusatz zu einem unabhängigen
Heiligenbild ist244. In beiden Fällen wird der Porträtierte als Bittsteller vorge-
führt, der sich im Buch als Stifter oder Besitzer einem heiligen Patron emp-
fiehlt. Das doppelseitige Widmungsbild des Codex Iviron 5 (Figuren 23 und 24)
vollzieht gar eine Kanzleiszene nach, um die Anliegen des Bestellers in die Form
einer Eingabe am himmlischen Hof kleiden zu können245.
Die direkte Konfrontation des Bittstellers mit seinem Anwalt oder seinem
Richter ist ein so allgemeines Gesetz dieser Ikonographie, daß der Berliner
Psalter völlig aus dem Rahmen fällt, indem er dem Votanden nicht die An-
243 Vgl. S. 30 ff. und Anm. 98 zur Lit. über das byzantinische Porträt.
244 Beispiele: 1. Die Pantokrator-Ikone des Stratopedarchen Alexios aus d. Jahr 1363 in der Ere-
mitage zu Leningrad (A. Banck, Byzantine Art in the Collections of the USSR, 1966, Nr. 265
mit weiterer Lit.). -2. Die Marienikone des Konstantin Akropolites, um 1300, in der Tretjakov-
Galerie zu Moskau (Banck, ebenda Nr. 244). - 3. Das Christus-Maria-Diptychon der Maria
Palaiologina und ihres Gemahls, des Despoten Thomas von Epirus, im Verklärungskloster
der Meteoren (Katalog Byzantine Art - A European Art, op. cit. wie Anm. 12, Nr. 211 zur
erhaltenen Marientafel). - Während Alexios, der Skaranikon und Kaftan trägt, wie Maria
Palaiologina in der knienden Votiv-Pose erscheint, zeigt Akropolites ebenso wie seine Ehefrau
auf dem Metallrahmen seiner Marien-Ikone die Formel des Memorialporträts (s. u.). Die In-
schriften entsprechen dieser Verschiedenheit des Porträt-Typus auffallend genau: beim Me-
morial-Typus bieten sie nur den Namen, während sie beim Votiv-Typus mit der Formel
„Deesis tu dulu Theu" (sic) ... eingeleitet werden. Entweder konnte das Memorialbildnis
als Privatporträt auch in der Funktion des Stifterbildes verwendet werden oder, noch wahr-
scheinlicher, war es hier gemeint als Hinweis auf das Gedächtnis zweier Verstorbener an deren
Grab, wo man ja eine solche Ikone aufstellen konnte. Umgekehrt konnte dagegen das Votiv-
bild einer memorialen Funktion nicht dienen. Vgl. dazu S. 78 unten. Zu den Votivikonen an
Gräbern Anm. 267. Zu einer Memorialtafel vgl. das Bildnis des Prinzen Johannes von Mega-
spelaion (Anm. 266 und Fig. 46).
245 Vgl. S. 35 ff.