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Hans Belting
ten Dokuments nun nicht mehr in Frage stellen konnten. Der Auftrag war klar
erteilt worden. Er hatte jene Merkmale vorgeschrieben, die wir als Grund-
bedingungen dieser Bildnisart in Byzanz ansehen möchten.
Das memoriale Grabbildnis hatte ebenso wie die Heiligenikone seine Wur-
zeln in der römischen Porträtmalerei, deren Variationsbreite es auf den einen
ganzfigurigen Typus reduziert hatte. Dieser Typus, nur ohne die Bittpose,
liegt uns in den nordafrikanischen „Mosaik-Stelen" vor, deren Funeralprä-
gung über Spanien an das abendländische Mittelalter vermittelt wurde309.
Auch in der rechtlichen Stellung führte der byzantinische Funeraltypus eine
römische Praxis bis ins 15. Jahrhundert weiter. Damals geht mit ihm eine letzt-
lich römische Tradition in Byzanz schließlich zu Ende. In der gleichen Zeit
beginnt im Abendland mit einem anderen römischen Bildnistypus, mit der
lange vergessenen und nun wieder entdeckten Profilbüste, eine neue Tradition,
welche das Porträt der Moderne begründet, das Porträt als selbständiges künst-
lerisches Thema.
309 Dazu E. Panofsky, Tomb Sculpture (New York s.d.) mit Fig. 189, 192 und 194. Ganzfigurige
Grabporträts in den Katakomben bei J. De Wit, Spätrömische Bildnismalerei (Berlin 1938)
Taf. 40.2 (dort zwei Oranten, die im Orans-Gestus dem mittelalterlichen Deesis-Gestus voraus-
gehen) und 49.1.
Hans Belting
ten Dokuments nun nicht mehr in Frage stellen konnten. Der Auftrag war klar
erteilt worden. Er hatte jene Merkmale vorgeschrieben, die wir als Grund-
bedingungen dieser Bildnisart in Byzanz ansehen möchten.
Das memoriale Grabbildnis hatte ebenso wie die Heiligenikone seine Wur-
zeln in der römischen Porträtmalerei, deren Variationsbreite es auf den einen
ganzfigurigen Typus reduziert hatte. Dieser Typus, nur ohne die Bittpose,
liegt uns in den nordafrikanischen „Mosaik-Stelen" vor, deren Funeralprä-
gung über Spanien an das abendländische Mittelalter vermittelt wurde309.
Auch in der rechtlichen Stellung führte der byzantinische Funeraltypus eine
römische Praxis bis ins 15. Jahrhundert weiter. Damals geht mit ihm eine letzt-
lich römische Tradition in Byzanz schließlich zu Ende. In der gleichen Zeit
beginnt im Abendland mit einem anderen römischen Bildnistypus, mit der
lange vergessenen und nun wieder entdeckten Profilbüste, eine neue Tradition,
welche das Porträt der Moderne begründet, das Porträt als selbständiges künst-
lerisches Thema.
309 Dazu E. Panofsky, Tomb Sculpture (New York s.d.) mit Fig. 189, 192 und 194. Ganzfigurige
Grabporträts in den Katakomben bei J. De Wit, Spätrömische Bildnismalerei (Berlin 1938)
Taf. 40.2 (dort zwei Oranten, die im Orans-Gestus dem mittelalterlichen Deesis-Gestus voraus-
gehen) und 49.1.