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Belting, Hans
Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1970, 1. Abhandlung): Das Illuminierte Buch in der spätbyzantinischen Gesellschaft: vorgelegt am 20. Juni 1970 von Walter Paatz — Heidelberg: Carl Winter Universitätsverlag, 1970

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https://doi.org/10.11588/diglit.73391#0037
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Das illuminierte Buch

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Textintervalle und Tituli für 88 Bilder bereit hält, die nicht ausgeführt wur-
den62. Wir gewinnen daraus aber keine Sicherheit für sein Aussehen. Die
meisten Exemplare sind bilderlos oder, wie der Marcianus, nur für Bilder an-
gelegt worden. Mit dem byzantinischen Roman „Barlaam und Joasaph" ver-
lassen wir die klassische Literatur vollends; sein Bildzyklus ist, wie S. Der
Nersessian festgestellt hat, im 11. Jahrhundert entstanden63. Die spätbyzan-
tinischen illustrierten Exemplare setzen nur eine fest etablierte Tradition fort,
ohne ihr neue Züge hinzuzufügen. Ihre erhaltene Zahl ist kleiner, als man bei
dem literarischen Interesse der spätbyzantinischen Gesellschaft erwarten sollte.
Ein Hochzeitsgedicht auf eine kaiserliche Braut wird an anderer Stelle64, in der
Gruppe der Urkundenbilder, zu besprechen sein.
Die literarischen Ambitionen bei Studium und Verbreitung der antiken
Autoren scheinen im Buchschmuck kaum einen Niederschlag gefunden zu
haben. Sie waren offenbar in erster Linie philologischer Natur, also um den
authentischen Text besorgt, und mochten äuf eine Textillustration um so weni-
ger ausgerichtet sein, als in der Textüberlieferung mit den antiken Originalen
auch deren Bebilderung untergegangen war. Man darf eben nicht vergessen,
daß Text- und Textbildüberlieferung unter verschiedenen Bedingungen stan-
den. Eine antikische Illustration de novo zu erfinden, mag den philologisch ge-
schulten Besitzern von Handschriften meist nicht gekommen sein. Allenfalls
ist es denkbar, daß sie ihren Handschriften kostbare Einbände und Dedika-
tionsbilder gegeben haben.
Wir kennen dafür das Beispiel der Pariser Hippokrates-Handschrift des
Reichsverwesers Alexios Apokaukos, die dem antiken Autor und dem Besitzer
des betreffenden Textexemplars ein Bildpaar einräumt (Figur 31 und 32), das
von bestellten Versen mit fiktiven gegenseitigen Laudationen rings eingefaßt
ist (dazu S. 59), um die Gelehrsamkeit des Apokaukos zur Schau zu stellen.
Der Hippokrates leitet über zur zweiten Rubrik, zur Gelehrten Literatur, in
der die medizinischen Schriften als naturwissenschaftliche Texte einen Sonder-
fall darstellen. Das gilt nicht so sehr für den Hippokrates als für das pharma-
kologische Standardwerk des Dioskurides, dessen Pflanzenbilder für das me-
dizinische Studium dieser Zeit unentbehrlich waren. So entstanden im Petra-
Kloster des Täufers in Konstantinopel, dem das „Krankenhaus des (serbi-

62 Ross, op. cit. wie Anm. 60, 42. Vgl. auch A. Debiasi Gonzato, II romanzo bizantino di Ales-
sandro del Cod. Gr. 408 in rapporto con altre tradizioni miniate, in Riv. di studi bizantini e
neoellenici n.s. 4, 1967, 151-158.

63 S. Der Nersessian, L'illustration du roman de Barlaam et Joasaph 1-II (Paris 1937). Von den
sechs dort publizierten Werken stammt nur ein einziges aus paläologischer Zeit, der Cod. Gr.
1128 in Paris.

64 Vgl. unten S. 26.
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