Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
6. BERICHT ZUM CHRISTLICHEN LESER

345

seinem titel außgeben ist, das sollich büch noch sein, des authoris, der es in
druck gegeben, vnd des druckers eigen ist vnnd nit gemein. Darumb auch nie-
mant einig1 recht oder füg I Giija I haben mage, sollich büch, on jrer beyder,
des authoris vnnd druckers wissen vnd willen, weder jm2 selb zünemmen
oder anderen außzügeben.
Nun aber, es seye in dem gleich gefelet, wie es wolle, so gepüret doch mir, alle
ergernuß, so vil moglich, zü vorkommen vnnd abzüwenden. Derhalben ver-
nemme, Christlicher Leser, den warhafften bericht, den ich dir von hie vorge-
setzten Articklen one das habe wollen geben, dann ich auch bedencke, was es
auff sich habe, die schwachen Christi verergeren3 vnd seine feind erfrewen
vnd trotzig machen.
Bericht vom ersten Artickel des Menschlichen verderbens vnd erlosung
daruon4
fJN disem artickel ist alles gesetzet, auch auß meinem glauben, biß auff die
Parenthesin5 in der letsten zeil des ersten theyls im ersten blatt (»die er ge-
thon hatt vor der gnaden«)6; disen beisatz hette ich lieber aussen gelassen,
damit niemandt eyn verdacht darauß schopffete, als ob wir wolten dem Pela-
gianischen jrthumb7 stattgeben, das vnsere werck nach entpfangner» gnaden
solten Gott etwas auß jrem eignen werdt mogen ab verdienen vnnd jne8 vns
schuldig machen9, Also, I Giijb I das seine gütthaten vnd das ewig leben nit
mehr solten lauter freie geschenck sein seiner gnaden, vns allein durch vnse-
ren Herren Christum verdienet. Die anderen sagten aber, diß volgete auß dem
nicht, das man mit warheyt bekennete, das wir selig werden on züthün der
werck vor der gnaden geschehen. Solche rede verneinete allein, das den wer-
cken vor der gnaden nit gepüret, gebe darumb sollichs nit den wercken zü,
f) davor: JN der vierdten zeil des ersten blats ist nutz für müß getrucket: B.
g) empfangner: B.

1. irgendein.
2. (für) sich.
3. verderben; zugrunde richten. Lexer 3, Sp. 107. — Vgl. I Kor 8,9.12.
4. Wie der mensch von dem Angebornen verderben zür gnaden Gottes, frombkeyt vnd
seligkeyt komme. Bucer, Ein Christlich ongefahrlich bedencken, Bl. Bia — B2a. BDS 9,1,
S. 23,16-25,8.
5. Einschub.
6. Bucer, Ein Chnstlich ongefahrlich bedencken, Bl. Bia, letzte Zeile. BDS 9,1, S. 24,3—4.
Vgl. dort auch Anm. 6.
7. Pelagius (gest. 418) und seine Anhänger leugneten die Erbsünde und verteidigten die
Freiheit des Willens. Die Pelagianer wurden auf mehreren Synoden und auch vom 3. öku-
memschen Konzil von Ephesus (431) als Ketzer verdammt.
8. ihn.
9. Bucer meint hier nicht den historischen Pelagianismus, sondern die Werkgerechtigkeit
der römischen Kirche. Vgl. dazu Peters, Art. Werke IV, in: TRE 35, S. 633-636.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften