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Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]; Cucuel, Ernst [Bearb.]; Eckert, Hermann [Bearb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 1 : Heidelberger Reihe ; Band 1): Die Inschriften des badischen Main- und Taubergrundes: Wertheim-Tauberbischofsheim — Stuttgart: Druckenmueller, 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.53141#0038
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seits aber im Sinne der neuen Zeit Angaben über Alter und eine erstmals erlangte Würde ein
(Nr. 217). Ähnlich blieb man in einer Grünsfelder Grabschrift beim alten deutschen Text, setzte
ihm aber in Versen eine kleine Ruhmrede bei (Nr. 218). Völlig neu ist, daß schließlich auch das
Schicksal einer Frau Beachtung und Ausdruck findet, in einer Inschrift, die inhaltlich ganz der
neuen Zeit angehört, in den Formeln und dem sprachlichen Ausdruck aber wieder die alte Übung
beibehält (Nr. 228). Auch wird durch den vermehrten Gebrauch der Beiwörter in den Doppelfor-
meln „edel und ehrenfest“ oder „edel und tugendhaft“ für den Adel, „ehrbar und wohlweiß“
für den Bürger die Bedeutung der Persönlichkeit stärker als bisher unterstrichen, erst recht durch
die nun allgemein üblichen Zusätze über Amt und Würden, die der Verstorbene im Leben bekleidet
hatte. Außerdem ist nun sehr oft auch das Alter angegeben, zuletzt bis auf den halben Tag genau
(Nr. 301). Einen in diesem Sinne fortgebildeten Text der alten Form trägt z. B. die Gedenktafel
des Conrad Hünder in Wertheim (Nr. 270).
Wenn auch die neue Geisteshaltung in dieser Weise sich schließlich in fast allen Grabschriften be-
merkbar machte, blieb die große Spaltung, die der Humanismus in die kulturtragenden Schichten
brachte, doch erhalten und fand gerade in den Grabschriften unmittelbaren Ausdruck. Es ist ein
recht buntes Bild, das die Texte aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bieten. In Form und
Inhalt noch mittelalterlich anmutende Inschriften (z. B. Nr. 232, 248, 254) — außerdem unter dem
Einfluß des Kirchenlieds stehende Texte (z. B. Nr. 255 u. 256) - stehen neben den geschraubtesten
humanistischen Tiraden (z. B. Nr. 244). Selten ist dieser neulateinischen „Dichtung“ einmal eine
noch heute genießbare Schöpfung gelungen (z. B. Nr. 276 A), das meiste ist geschmacklos und
unangemessen, als Zeitdokument jedoch von großem Wert (z. B. Nr. 245, 273, 279).
Es versteht sich, daß solche Glanzstücke leider auch in deutscher Sprache Nachahmung fanden
(Nr. 277). Die unteren Beamten, die Schultheißen und Keller, und die reichen Bürger wollten den
höheren Beamten und Fürsten nicht nachstehen, wenn sie auch kein Latein konnten. Sie gerieten
dabei freilich oft in eine gewisse hausbackene Enge. Mangels anderen Stoffes wird auf den groß-
spurigen Denkmälern in langer und breiter Rede berichtet, wievielmal der Familienvater verhei-
ratet war, wie lange er mit seiner Frau in glücklicher Ehe lebte, es werden die Kinder mit Namen
angeführt und ähnliches mehr - für die Familienforschung eine nicht zu unterschätzende Quelle
(z. B. Nr. 278 u. 292). Wie nahe man sich bisweilen an die humanistischen Vorbilder auch im Wort-
laut anschloß, können die Inschriften Nr. 288 u. 315 zeigen.
Hand in Hand mit der vom Humanismus eingeleiteten Entwicklung, die individuelle Persönlich-
keit und ihre Stellung im Diesseits mehr und mehr in den Mittelpunkt zu rücken, geht nun zu-
gleich eine Wandlung in der geistigen Haltung der Menschen gegenüber dem Tode vor. Der Gegen-
satz zwischen Diesseits und Jenseits, der in den mittelalterlichen Inschriften noch so gut wie gar
nicht zum Ausdruck kam, wird nun immer deutlicher. Formeln wie „ex hac vita migravit“
(Nr. 259), „ist von diser weit zu den himlischen frewden erfordert worden“ (Nr. 288) oder „ent-
schlafen“ umgehen nur das unerbittliche Wort „sterben“, das man früher gefaßt und sicher aus-
sprach. Man beginnt nun über den Tod nachzugrübeln und sagt sich gern den Bibelspruch vor, daß
„zeitlich sterben Gewinn“ sei (Nr. 289, 285 Vers 3/4). In Wahrheit klammert man sich an das Leben
und wird sich als einzelner dem Tode gegenüber der persönlichen Bedeutungslosigkeit und Nichtig-
keit bewußt. So bittet ein Verstorbener in der Grabschrift, seiner nicht zu spotten (Nr. 281), oder
es wird von einem Grafen gesagt, daß der gute Mann nun tot hier hege und nichts mehr ihm
nachfolge als guter Ruf und christliche Ehre (Nr. 246). Auch solche Verse wie „Mein Leibelein
Ghört Jn die Erdtt | Ein Speiß der Würm nichts beßers werd“ (Nr. 285) oder „Sic cinis ater eram,
cineres nunc solvor in atros“ (Nr. 292) gehören in diesen Zusammenhang, wenn auch in beiden
Inschriften versucht wird, diese nun schreckenden Tatsachen mit Hilfe des Glaubens zu überwin-
den (vgl. auch den ersten Spruch in Nr. 295).
Für die Menschen dieser Haltung wird nun ganz anders als für die mittelalterlichen jene entschei-
dende Stunde, der Augenblick des Todes selbst, bedeutsam. Man hält jetzt der Erwähnung wert,
daß der Verstorbene „in Gott sanft und selig entschlafen“ sei, man gibt die genaue Stunde an, in
besonderen Fällen sogar die Umstände, die zum Tod geführt haben. Man stirbt bereits auf eine
persönliche Weise. Wir erfahren, daß einer „dotlich geschlachen worte“ und bald darauf verschied,
eine Frau „an Kindesnothen“ starb oder einem Vater in anderthalb Stunden drei Söhne weg-
starben und auf einer Bahre zum Friedhof getragen wurden (Nr. 296). Man hält nun vieles der
Bewahrung wert, was früher im Angesicht des Todes mit Schweigen übergangen wurde. So steht
am Ende dieser ganzen Entwicklung schließlich ein Denkmal (Nr. 337), das fast geschwätzig die
näheren Umstände und in leiser Andeutung auch noch die Schuldfrage des Todes überliefert.

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