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Niederquell, Theodor [Bearb.]; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 14 : Heidelberger Reihe ; Band 5): Die Inschriften der Stadt Fritzlar — München: Druckenmüller, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.53159#0021
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zur Säkularisation die wenigen protestantischen Einwohner Fritzlars eingepfarrt. Die einfachen Bürger
wurden auf dem Kirchhof wohl ohne Grabdenkmäler beigesetzt, jedenfalls ist keins erhalten. Die Honora-
tioren fanden ihr Grab in der Kirche. Vier Standesgruppen sind es gewesen, von denen fünf Grabsteine
als bescheidener Rest einer früheren Fülle auf uns gekommen sind18).
a) Der hessische Landadel, der Burgsitze in Obermöllrich hatte (Nr. 100).
b) Fritzlarer Patrizierfamilien, die die Stadt bei der Rekatholisierung verließen, sich in anderen hessi-
schen Kleinstädten ansiedelten, aber das in der Reformationszeit erworbene Erbbegräbnis in der Frau-
münsterkirche nicht aufgaben (Grabstein der Sidonia Günst von 1694).
c) Die Pfarrer und ihre Familien (Nr. 210).
d) Personal des Deutschordenshauses in Fritzlar, das zur lutherischen Ballei Hessen gehörte und pro-
testantische Verwalter hatte (Nr. 204).
Mit Sicherheit sind die vielfach adeligen Insassen des mittelalterlichen Augustinernonnenkonvents
in der Neustadt in ihrer Kirche begraben worden, ob allerdings unter beschrifteten Platten, ist fraglich,
da ein Beweis fehlt. Die seit 1711 eingezogenen Ursulinen erhielten einfache Inschriftgrabsteine. Fünf
von ihnen hat Falckenheiner im Wortlaut überliefert19), sie sind heute nicht mehr vorhanden.
Der „spätestens vor 1530“ 20) angelegte Friedhof am Werkeltor scheint von dem Teil der Bevölkerung
benutzt worden zu sein, der sich ein Begräbnis an hervorgehobener Stelle nicht leisten konnte. Höchstens
einige sehr bescheidene Grabkreuze des 18. Jahrhunderts, die heute am Abhang zur Stadtmauer hin unter
Strauchwerk verborgen liegen, könnten ursprünglich hier gesetzte Grabdenkmäler sein, wahrscheinlich
gab es vor dem Ende des 18. Jahrhunderts kaum solche aus dauerhaftem Material.
Ob auch noch andere Kapellen in und vor der Stadt oder daran anschließende Totenhöfe zum Be-
gräbnis gedient haben, entzieht sich unserer Kenntnis. .

Der Verbleib inschriftlicher Denkmäler
Vom Schicksal der Denkmäler - besonders der Grabdenkmäler - in und an der Stiftskirche kann man
sich ein ungefähres Bild nach den Nachrichten machen, die im Würdtweinschen Nachlaß, bei Falcken-
heiner, Hofmann-Dehn-Rotfelser und vor allem in den Bau- und Kunstdenkmälern aus eigener An-
schauung und auf archivalischer Grundlage überliefert sind.
Nicht die Säkularisierung wie an vielen anderen Orten hat eine entscheidende Veränderung des in-
schriftlichen Bestandes herbeigeführt. Die Stiftskirche war gleichzeitig Pfarrkirche, bestand als solche un-
verändert fort und hat den Zustand des ausgehenden 18. Jahrhunderts bis zu der großen Restaurierung
kurz vor und während des 1.Weltkriegs beibehalten. Einen Einschnitt in der Entwicklung stellt die Auf-
hebung des Stifts jedoch insofern dar, als das Kirchenbegräbnis aufhörte und kein Platz mehr für Neu-
belegungen geschaffen werden mußte. Das in diesem Zusammenhang wichtigste Ereignis liegt etwas
früher und geht zu Lasten des Kanonikers und damaligen „Oberfabricators“, d.h. des Vorstehers der Kir-
chenfabrik von Weitershausen, der nach geringfügiger Beschädigung der Stiftskirche während der Be-
lagerung der Stadt im Jahre 1761 eine Wiederherstellung der Kirchenräume und ihre Umgestaltung im
Rokokostil ins Werk setzte1). Neben einer Generalüberholung der Ausstattung und einer allgemeinen
Ausweißung wurde im Jahre 1774 der Fußboden - mindestens der des Mittelschiffs - umgeplattet2),
größtenteils unter Verwendung umgedrehter Grabsteine3). Diese Angabe Falckenheiners ist wohl dahin
einzuschränken, daß man nur die abgetretenen und weitgehend unleserlichen wendete, besser erhaltene
aber anderswo unterbrachte, wie sich durch den Nachlaß Würdtwein erweisen läßt, da von den als „in
navi ecclesiae“ bezeichneten Steinen die weniger abgetretenen noch vorhanden sind.
Der so geglättete Boden des Langhauses blieb danach unberührt, während die Beisetzungen in den
Seitenschiffen und anderen Nebenräumen fortgingen. Allerdings wurden keine Platten mehr auf die
Gräber gelegt, sondern nur die Personalien des Verstorbenen knapp auf dem gewöhnlichen Bodenbelag
vermerkt und dafür Epitaphien an den Wänden angebracht. Drei dieser erhaltenen Wandepitaphien
dürften die einzigen Grabdenkmäler der Stiftskirche sein, die ihren ursprünglichen Platz beibehalten
haben.

18) Falckenheiner II, S. 65.
19) Falckenheiner II, S. 26, Anm. 3.
20) Falckenheiner II, S. 51.
-1) B. u. K., S. 43, Anm. 4.
2) B. u. K., S. 72.
3) Falckenheiner II, S. 48, B. u. K., S. 65, Anm. 5.

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