Metadaten

Lutz, Dietrich [Oth.]; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Contr.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Contr.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Contr.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Contr.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Contr.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 15 : Münchner Reihe ; Band 4): Die Inschriften der Stadt Rothenburg ob der Tauber — München: Druckenmueller, 1976

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45638#0015
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
nach Italien war) und dem Ausbau eines zunächst bescheidenen Marktrechts rasch ausweitete. König
Konrad IV. hielt sich öfter in Rothenburg auf als seine Vorgänger (zwei Urkunden von 1242, je eine von
1246 und 1251). Die 1251 erfolgte Verpfändung an die Hohenlohe erwies sich als glücklich für die Stadt
und ließ sie die Wirren des Interregnum ohne große Rückschläge überstehen.
Rudolf von Habsburg löste die Pfandschaft und nahm Rothenburg als Mittelpunkt einer Reichsguts-
verwaltung und Sitz eines kaiserlichen Landgerichts wieder in den Schutz des Reiches. 1274 erhielt die
Stadt die erste Beurkundung ihrer Rechte, die gleichzeitig den Grundstein für die weitere Entwicklung
einer eigenständigen Politik legte und der Bürgerschaft nach und nach die Möglichkeit einräumte, ihre
Geschicke selbst zu bestimmen. Bis zum Ende Heinrich Toppiers wurden die Herrschaftsrechte in der
Stadt vom Rat übernommen (Landgericht endgültig 1409), und durch systematisches Auskaufen des Mini-
sterialenadels der Umgebung wurde ein Territorium gebildet. Unter Heinrich Toppier (gest. 1408; vgl.
Nr. 29 und Nr. 40) als Bürgermeister erlebte Rothenburg eine politische, wirtschaftliche und kulturelle
Blüte, die über den Sturz und Tod dieses bedeutenden Mannes andauerte, später aber nie wieder erreicht
wurde.
Gleichzeitig wurde Rothenburg ständig in kriegerische Auseinandersetzungen hineingezogen. Die
Unsicherheit der Zeit zwang die Stadt zum Zusammenschluß mit anderen Städten. Nachdem sie bereits
seit 1340 einem Landfriedensbund angehörte, trat sie 1376 dem Schwäbischen Städtebund bei. Trotz An-
feindungen der Nachbarn, vor allem von Würzburg und dem Burggrafen von Nürnberg, konnte Rothen-
burg sein Territorium behaupten und seit 1430 (Hussitenkriege) mit der Landhege umgeben.
Bereits am Beginn der Stadtgeschichte tritt uns die Bürgerschaft in zwei Gruppen unterschiedlicher
Rechtsstellung entgegen. Auf der einen Seite standen die grundbesitzenden Angehörigen des Patriziats
(meist Nachfahren des Ministerialenadels), die zunächst allein als „Bürger“ galten, auf der anderen Seite
Handwerker, Juden usw., die als „Einwohner“ bezeichnet wurden. Reiche Kaufleute des Fernhandels
fehlten in Rothenburg. Seit 1336 konnten auch Handwerker und andere das Bürgerrecht erwerben. Bis
1450 wurde der Rat (12 Mitglieder, später 16) ausschließlich aus den Reihen des Patriziats gewählt. Ge-
fördert durch die Kriegslasten des Fürsten- und Städtekriegs der Jahre 1440-1450 brachen 1450 die seit
langem schwelenden inneren Unruhen aus, die der Stadt für fünf Jahre eine Zunftverfassung brachten.
Danach konnten sich die „erbaren“ Familien wieder durchsetzen. Von 1455 an wurde einmal jährlich vom
Inneren Rat der Äußere Rat gewählt, der dann aus seinen Reihen den neuen Inneren Rat bestimmte. Aus
beiden Räten wurden fünf Bürgermeister für drei Jahre gewählt, von denen dann einer das Amt des Bür-
germeisters für jeweils ein halbes Jahr innehatte. Die wichtigsten Ämter neben dem Bürgermeister
waren der ILeichsriclitcr, der Steuerer und der Baumeister, die sowohl aus dem Inneren als auch aus dem
Äußeren Rat bestimmt wurden, was die gesamte Verwaltung zu einem schwerfälligen Apparat werden
ließ.
Obwohl Strömungen der Reformation bereits früh in Rothenburg Eingang fanden, konnte die Stadt
sich erst nach 1540 für die Übernahme des neuen Bekenntnisses entscheiden. Nach der Judenverfolgung
unter der Leitung des Predigers Johannes Teuschlein verbündeten sich 1525 Handwerker und Kleinbürger
der Stadt unter der Führung Teuschleins, Karlstadts und Stephan von Menzingens mit Bauern des Land-
gebietes und ersetzten den Rat durch einen revolutionären Ausschuß. Nach dem Zusammenbruch des
Bauernkrieges folgte ein einjähriges Strafgericht des Rats und der wiedererstarkten Oberschicht über die
Beteiligten, während Markgraf Kasimir von Ansbach und Teile des fränkischen Adels das Rothenburger
Territorium bedrängten.
Nur zögernd und vorsichtig taktierend vollzog Rothenburg den Anschluß an die Reformation. 1554
trat die Stadt dem „Schmalkaldischen Bund“ bei, 1609 der „Evangelischen Union“. Damit waren die
Voraussetzungen für die Verwicklungen in die Kämpfe des Dreißigjährigen Krieges gegeben. Die Stadt
geriet je nach Lage der Fronten wechselweise in die Hände der kaiserlichen, schwedischen und französi-
schen Truppen, die alle nur das Ziel möglichst hoher Kontributionen kannten. Obwohl militärisch bereits
bedeutungslos und unzureichend gerüstet, wagte man im Oktober 1631, auf die rasche Hilfe Gustav Adolfs
vertrauend, den Widerstand gegen die Truppen Tillys, der schon nach einem Tag zusammenbrach und die
Stadt der Plünderung aussetzte (vgl. Nr. 549). Am Ende des Krieges war die Bevölkerung schätzungs-
weise um die Hälfte des Vorkriegsstandes auf etwa 2500-3000 Einwohner abgesunken; vor allem die Seuchen
in den Jahren 1630-1634 forderten viele Opfer.
In der Zeit von 1650 bis zum Übergang an Bayern (1802) war Rothenburg mit seinem Territorium
als Zwergstaat nur noch passives Mitglied des Reichs, ohne eigene Initiative und ohne politische Ambitio-
nen. Für die Stadt war der Verlust der Selbständigkeit insofern eine Katastrophe, als Bayern sich entgegen
den Bestimmungen des Reichsdeputationshauptschlusses weigerte, die beträchtliche Staatsschuld Rothen-
burgs zu übernehmen. Gleichzeitig war die Stadt durch den Verlust ihrer Landgebiete, der großen Stiftungs-
vermögen und des Selbstverwaltungsrechts gezwungen, beträchtliche Teile der öffentlichen Gebäude,
Befestigungsanlagen sowie Kunstwerke meist weit unter Wert zu veräußern.

XI
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften