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Seeliger-Zeiss, Anneliese; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 47 = Heidelberger Reihe, 13. Band): Die Inschriften des Landkreises Böblingen — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.57659#0016
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Alamannen stellten sich die Franken im Zuge ihrer Expansion nach Süden und Südwesten entgegen.
Nach dem Sieg der Franken im Jahr 497 bei Tolbiacum (Zülpich) wurde die Grenze weit nach Süden
vorgeschoben. Die Eingliederung des Herrschaftsgebietes Alamannien - der Name ist später gleich-
bedeutend mit Schwaben - in das fränkische Merowingerreich gelang zwar endgültig erst nach 746,
aber die schon früh einsetzende Christianisierung und die gleichzeitige planmäßige Siedlungspolitik
wurden grundlegend für das frühmittelalterliche Siedlungsgefüge im Neckarraum. Spuren alaman-
mscher und fränkischer Siedlungen sind nur vereinzelt in Reihengräber-Anlagen greifbar; die Sied-
lungen selbst sind meist nicht faßbar, da sie in der Regel als die Keimzellen heutiger Orte überbaut
wurden. An den frühesten Ortsnamen lassen sich vermeintliche Bezüge ablesen, die aber nicht durch
Funde zu belegen sind. So weisen Namen mit der gerade im Kreisgebiet überwiegenden, mehr von
den Alamannen bevorzugten Endung -ingen - wie Aidlingen, Böblingen, Ehningen, Höfmgen,
Kuppingen, Münklingen oder Sindelfingen usw. - angeblich auf die früheste Schicht der Siedlungen.
Auf fränkische Einflußnahme soll dagegen die Endung -heim - wie Darmsheim, Gebersheim und
Rutesheim - hindeuten* 3 * *. Jedenfalls ist die ehemalige schwäbisch-fränkische Stammesgrenze durch-
aus faßbar in der nördlichen Abgrenzung des Bistums Konstanz, das auch nach dem Untergang des
alamannischen Herzogtums das einzige kirchliche Zentrum inmitten dieses Herrschaftsbereiches
blieb. Hier im Neckarraum verlief bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts die kirchliche Grenze zwi-
schen dem Bistum Konstanz und dem Bistum Speyer als dem durch Weißenburger Klosterbesitz
kenntlichen fränkischen Machtbereich. Diese Grenzlinie schneidet quer durch den Landkreis Böb-
lingen und ordnet etwa ein Drittel des Kreisgebiets im Norden dem Bistum Speyer zu; die Lime ver-
läuft südlich der Orte Deufringen-Dätzingen-Schafhausen-Maichingen-Magstadt und östlich von
Leonberg mit Eltmgen; die Orte der Lime Dachtel-Aidlingen-Döffingen-Sindelfingen und das süd-
lich angrenzende Gebiet, das etwa zwei Drittel der Fläche des Kreises ausmacht, gehörten kirchen-
rechtlich zum Bistum Konstanz6 *.
Die weltlichen Machtverhältnisse im Frühmittelalter sind für das Kreisgebiet nicht klar bezeugt.
Sicher ist, daß im Lauf des Hochmittelalters — ausgehend von der fränkischen Grafschaftsverfassung
mit ihren Gaugrafen — einige miteinander verwandte Grafengeschlechter in Spitzenpositionen
vorrückten. Zum Nagoldgau gehörten nach Quellen des 8. und 9.Jahrhunderts die Orte Gültstein
und Kuppingen sowie die bei Herrenberg abgegangenen Orte Reistmgen und Mühlhausen; zum
Würmgau zählten Merklingen, Münklingen, Maichingen und Deckenpfronn sowie das bei Weil der
Stadt abgegangene Gumprechtsweiler. Im Zusammenhang mit Holzgerlingen wurde lediglich im
Jahr 1007 der „pagus Glehuntare“ erwähnt; in dem dort herrschenden Grafen Hugo vermutet man
einen Ahnherrn der späteren Pfalzgrafen von Tübingen . Ferner sind für das Bearbeitungsgebiet
die Grafen von Calw zu nennen, die - begünstigt durch verwandtschaftliche Verbindungen mit dem
Saliern und Zähringern — zu den mächtigsten Herrschaftsträgern der Stauferzeit zählten. Ursprüng-
lich ausgehend von ihrem Sitz in Sindelfingen erschlossen sie — mit der Gründung des Klosters Hirsau
und mit der Errichtung von Burgen in Calw, Liebenzell und Zavelstem — neues Rodungsland im
nördlichen Schwarzwald8.
Wie Bodenfunde bezeugen, werden sich die Bewohner des Gebietes im heutigen Landkreis um 700
bereits überwiegend zum christlichen Glauben bekannt haben. Auch wenn die Schlüsse, die man aus
späteren Zuständen, etwa aus Pfarrei- und Zehntverhältnissen, zu ziehen vermag, hypothetisch blei-
ben, so sind die Namen der Kirchenheiligen ein Indiz für eine relativ frühe Christianisierung9. Dem
fränkischen Nationalheiligen Martin ist nicht nur die Kloster- und Stiftskirche in Sindelfingen ge-
weiht; Martinskirchen sind auch die Pfarrkirchen in Schönaich und in dem ursprünglich weit-
räumigen Sprengel von Weil im Schönbuch. Ebenfalls in die Merowingerzeit dürften Kirchen zurück-
reichen, die die Namen wichtiger Heiliger der Franken tragen, wie Michael (Leonberg-Eltingen,

Hoeper, M., Guter Boden oder verkehrsgünstige Lage. Ortsnamen und Römerstraßen am südlichen Oberrhein.
( Ebd. 243 — 248 mit Karte der ältesten germanischen Ortsnamenschicht.
Zu den Bistumsgrenzen vgl. auch Karte VIII/5 des Historischen Atlas von Baden-Württemberg. Kirchliche Gliede-
rung um 1500 (Beiwort M. Schaab); ferner Büttner, H., Die Entstehung der Konstanzer Diözesangrenzen. In: Zeit-
schrift f. Schweizerische Kirchengeschichte 48 (1954) 225-274; bes. 268 ff.
Vgl. AmtlKreisbeschreibung III, 66.
8 Zusammenfassend zuletzt EM 2 (1983) Sp. 1404f. (F. Quarthai).
Hoffmann, Gustav, Kirchenheilige in Württemberg (Darstellungen aus der württembergischen Geschichte 23).
Stuttgart 1932, 14 — 23, passim. Ferner Riemer, E., Im Zeichen des Kreuzes. Bestattung in Kirchen seit dem
6./7.Jahrhundert. In: Die Alamannen (wie Anm.4) 447-454.

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