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Seeliger-Zeiss, Anneliese; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 47 = Heidelberger Reihe, 13. Band): Die Inschriften des Landkreises Böblingen — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.57659#0018
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Das Kreisgebiet ist arm an geistlichen Niederlassungen von größerer Bedeutung. Als Fundort für In-
schriften ist vor allem das 1059 ursprünglich als Benediktiner-Kloster gestiftete, 1066 als Chorher-
renstift weitergeführte Sindelfingen hervorzuheben. Das kleine Chorherrenstift Hildrizhausen — hier
durch die älteste Inschrift aus der Zeit um 1180 vertreten (Kat. nr. 1), aber erst 1281 erwähnt - hat nie
Bedeutung erlangt. Es wurde 1439 dem neu errichteten Kollegiatstift Herrenberg inkorporiert. Die-
sem Herrenberger Stift kam erst erhöhte Bedeutung zu nach seiner Umwandlung 1482 in ein Haus
der sog. Kappenherren, wie man die Brüder vom Gemeinsamen Leben auch bezeichnete; das Stift
wurde zu einem ihrer wichtigsten Sitze bis zu ihrer Vertreibung aus Württemberg im Jahre 1517. Die
Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner haben im Bearbeitungsgebiet nicht Fuß gefaßt, da sie
im Mittelalter größere Städte und Ballungszentren bevorzugten. Jedoch war in Weil der Stadt seit
1294 ein Augustiner-Eremiten-Kloster nachweisbar, dessen Bedeutung durch zahlreiche Inschriften
hier erstmals umrissen werden kann. Im Gegensatz zu diesem haben die anderen Bettelordenskon-
vente des Kreisgebietes keine Spuren in Gestalt von Inschriften hinterlassen, so das seit 1640 ebenfalls
in Weil bestehende Kapuziner-Klösterchen und eine 1467 aus dem aufgelassenen Beisheim nach
Leonberg verlegte, bescheidene Franziskaner-Niederlassung. Dätzingen, seit 1263 im Besitz des Jo-
hanmter-Ordens, ist wegen seiner frühen Glockeninschrift (nr. 16) zu erwähnen.
Für die spätere landesgeschichtliche Entwicklung in Württemberg wurde die Reformation zum prä-
genden Ereignis. Sie verlief in zwei Phasen: auf eine rigorose erste Reformation unter Herzog Ulrich
in den Jahren nach 1534 folgte nach einem durch das Interim herbeigeführten Stillstand eine zweite
stufenweise verlaufende Reformation unter Herzog Christoph nach dessen Regierungsantritt 155014.
Die Reformation fand ihre Vollendung in der Großen Kirchenordnung von 1559. Sie bewirkte die
Etablierung des Luthertums im Lande, dessen konfessionelle Struktur bis zum Beginn des 19.Jahr-
hunderts von einer bemerkenswerten Einheitlichkeit war.
Die Reformation markiert auch im Kunstschaffen des Bearbeitungsgebietes einen tiefen Ein-
schnitt, denn mit der Abendmahlsfrage war die Bilderfrage eng verbunden. Der „Uracher Götzen-
tag“ am 12. September 1537 war nur eine Station unter vielen Schritten auf dem Weg zu einer kon-
sequent lutherischen Landeskirche, die allerdings in der friedlichen Entfernung der „bilder und
gemäld“ aus den Kirchen schweizerisch-oberdeutschem Muster folgte. Noch 1555 wurde das „Ab-
tun der Bilder“ durch die Obrigkeit erneut von Herzog Christoph verordnet15. Daß man diesem Ge-
bot nachkam, zeigt die Entleerung der meisten Kirchen des württembergischen Herrschaftsgebietes
von fast allem mittelalterlichen Kunstgut16. Ausgenommen waren nur die Kirchen der reichsfreien
Ritterschaft, auf die der Herzog keinen Zugriff hatte.
Eine Ausnahme innerhalb des evangelischen Bearbeitungsgebietes machte Weil der Stadt, das nach
dem Untergang der Staufer um 1275 den Status einer Reichsstadt erlangt hatte und diesen mühsam,
aber zäh bis 1803 gegen die württembergische Übermacht verteidigte. Deshalb blieb Weil seit 1634
konsequent kathohsch ebenso wie das der Johanniter-Kommende gehörige Dorf Dätzingen. Den
durch die Reformation angefallenen Besitz der unter württembergischer Vogtei stehenden Klöster
außerhalb des Bearbeitungsgebietes verwaltete Württemberg bis 1807 in den Kloster-Oberämtern Be-
benhausen, Maulbronn, Hirsau und Herrenalb, zu denen zahlreiche Orte des Landkreises gehörten17.

14 Speziell zur Reformation in Württemberg zusammenfassend: Brecht, M., Ehmer, H., Südwestdeutsche Reforma-
tionsgeschichte. Stuttgart 1984, 195 — 269 und passim; Ehmer, H., in: Schindling, A., Ziegler, Walter (Hgg.), Die
Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, Bd. 5: Der Südwesten. Münster 1993,
168 — 192; Mertens, D., in: Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, Bd.2: Die Territorien im Alten
Reich. Stuttgart 1995, 1-163; hier 75-82, 99-110.
15 Speziell dazu: Ehmer, H., Das Uracher Bildgespräch 1537. In: BllwürttKirchengeschichte 90 (1990) 65-91; ferner
Brecht, M. u. Ehmer, H., Südwestdeutsche Reformationsgeschichte 1984, 229 — 231. — Angesichts der Fülle der
Literatur zum Thema „Bilderstreit“ hier nur die neuesten Titel: Michalski, S., The Reformation and the visual Arts.
The Protestant Image Question. London, New York 1993; Schnitzler, N., Ikonoklasmus — Bildersturm. Theologi-
scher Bilderstreit und ikonoklastisches Handeln während des 15. u. 16. Jh. (Phil. Diss. Bielefeld 1994). München 1996;
neuerdings Packeiser, Th., Lehrtafel, Retabel, Fürstenspiegel? Füllmaurers Tafelaltäre im Prozeß der württembergi-
schen Reformation. In: Württemberg und Mömpelgard. Sechshundert Jahre Begegnung (Schriften zur südwestdt.
16 Landesgeschichte 26). Leinfelden-Echterdmgen 1999, 191 — 250; bes. 201 f. mit zusammenfassenden Literaturangaben.
Gefordert wurde die Vernichtung der „ärgerlichen“ Bilder, d. h. der Darstellungen Marias und der Heiligen, darüber
hinaus der Abbruch aller Altäre bis auf einen (meist der Kreuzaltar) sowie aller Sakramentshäuser. Die Vasa sacra
wurden eingezogen und eingeschmolzen; je nach Größe der Gemeinde durften bis zu drei Abendmahlskelche am
Ort verbleiben.
Zum Klosteramt Bebenhausen gehörten Altdorf, Breitenstein, Neuweiler, Weil im Schönbuch und halb Unter-
öschelbronn; zum Klosteramt Maulbronn Flacht und Weissach, zum Klosteramt Hirsau Schafhausen sowie zum
Klosteramt Herrenalb Merklingen und Hausen an der Würm.

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