Die ältesten Grabplatten des 13. Jahrhunderts konnten für Sindelfingen erschlossen werden (nrr. 6,
7, 8, 9), ohne daß Aussagen über ihre Gestaltung möglich sind. Die früheste noch greifbare Grab-
platte des Untersuchungsgebietes ist ein fast vollständig zerstörtes Fragment für em Glied der Weiler
Familie Risplin (nr. 26) aus der 1. Hälfte des 14.Jahrhunderts. Soweit erkennbar handelte es sich um
eine Wappen-Grabplatte mit Umschrift in gotischer Majuskel. Die etwa gleichzeitig entstandene
Grabplatte des Eberhard Welling (nr. 27) verzichtet noch auf Wappenschmuck. Die nächsten erhalte-
nen Beispiele sind zwei primitiv gestaltete Grabplatten für Frauen aus der Familie von Mannsberg von
1449 und 1450 (nrr. 58, 60) in Gärtringen; hier sind die Wappenschilde in Ritzzeichnung ausgeführt
und bereits von vier kleineren Familienwappen begleitet. Erst im 3.Viertel des 15.Jahrhunderts ist
eine einzige Grabplatte mit der Figur des Verstorbenen - hier der dem Niederadel entstammende
Priester Ulrich von Kröwelsau — nachweisbar (nr. 82); auch die 1520 und 1521 in weitem Abstand
folgenden Figuren-Platten waren für den Klerus bestimmt (nrr. 162, 164). Auffallend ist, daß Grab-
mäler für den Adel mit Figuren der Verstorbenen als repräsentative Möglichkeiten der Memoriapflege
im Bearbeitungsgebiet vor 1530 kaum erhalten sind, obgleich das Sindelfmger Stifter-Relief des
Grafen Eberhard im Bart und seiner Mutter von 1477 (nr. 83) zeigt, daß bildhauerische Kräfte zur
Verfügung standen. Als einziges Grabdenkmal von hohem künstlerischem Anspruch ist das Grabmal
mit der Figur des jugendlichen Ritters Hans Reinhart Harder, gest. 1519, in Gärtringen (nr. 158) an-
zuführen. Die Zuschreibungsfrage ließ sich nicht lösen, aber Schrift und Einzelmotive deuten auf
einen auch in Kilchberg (Stadt Tübingen) für die Ehingen tätigen Bildhauer ersten Ranges.
Ein Leonberger Epitaph für den adligen Obervogt Wilhelm von Münchingen und seine Frau
(1491; nr. 101) zeigt ebenso wie die Grundsteinlegungsinschrift der Weiler Stadtkirche (1492; nr. 104),
daß Schriftkünstler von höchstem Niveau für solche Aufgaben zur Verfügung standen.
5.4.2 Die Grabmäler der Spätrenaisssance
Auf die Zeit von ca. 1530 bis 1650 entfallen zwei Drittel (152 Stücke) von der Gesamtzahl der 229
dem Totengedenken gewidmeten Inschriften-Denkmäler. Im Gegensatz zu den mageren Ergebnis-
sen für die Zeit des Mittelalters ist der größte Teil der nachreformatorischen Denkmäler, nämlich mit
131 Stücken ein Anteil von 86,2 %, erhalten geblieben. Es muß jedoch immer wieder daran erinnert
werden, daß dieses Ergebnis nur wegen der für diese Zeit fehlenden Kopialüberlieferung günstig
erscheint. In Wirklichkeit müssen wir auch hier mit einer hohen Verlustrate rechnen.
Neben den einfachen Grabplatten steigt die Anzahl der Stern-Epitaphien jetzt an; oft sind beide
Typen formal nicht zu unterscheiden, wenn es sich um aus dem Kirchenboden gehobene und an
der Wand aufgestellte Grabplatten handelt. Diese nahmen die neue Art der Gestaltung der typischen
Renaissance-Grabplatte auf: hier ist die Platte quer unterteilt in ein Schriftfeld und em Wappenfeld;
die auf den spätgotischen Denkmälern am Rand umlaufende Umschrift wurde zugunsten der zei-
lenweisen Anordnung der Schrift aufgegeben. Die Neuerung ist an Gärtringer Grabplatten von
schlichter Gestaltung abzulesen (nrr. 175, 180, 192), deren Schrift und heraldischer Schmuck sehr
sorgfältig ausgeführt sind. Zusätzlich besitzt Gärtringen zugehörige Totenschilde (nrr. 159, 174, 201)
in Form von kreisrunden bemalten Holztafeln mit Umschrift. In ihrer bescheidenen Ausführung rei-
chen sie in der dekorativen Wirkung nicht an die prunkvollen geschnitzten Exemplare in den Reichs-
städten heran128.
Mit ausgesprochen manierierten Schriftformen versehen sind die beiden Epitaphien in Deufrin-
gen für Angehörige der Familie von Gültlingen (1548 und 1566; nrr. 188, 208). Durch das Steinmetz-
zeichen konnten sie zweifelsfrei als Werke des in Rottenburg ansässigen Steinmetzen Hans Hiltprandt
(nachweisbar 1544 — 1568) erkannt werden129.
Das Bearbeitungsgebiet besitzt ein einziges Grabmal aus Metallguß in dem Epitaph des Johann
Michael Fickler, gest. 1544, in Weil der Stadt (nr. 183). Angesichts der Beziehungen des Verstorbe-
nen zu katholischen Glaubensgenossen wird es sich hier um em Importstück aus einer der umliegen-
den Reichsstädte handeln. Das Epitaph besitzt überdies die erste Fraktur-Schrift des Bearbeitungs-
gebietes.
128 Vgl. etwa die Serie in Nördlingen; Raschzok, K. u. Voges, D., „Dem gott gnädig sei“. Totenschilde und Epitaphien
in der St. Georgskirche in Nördlingen. Nördlingen 1998; für Nürnberg vgl. Pilz, Der Totenschild in Nürnberg
1936/39, 57-112.
129 Die Zusammenstellung der Werke Hiltprandts in: Ottmar, Joh., Landadel, Kirche und Bauern. Horb am Neckar
1991, 186 — 195. Darunter sind zwei Grabplatten in Bad Liebenzell; vgl. DI 30 (Calw) nrr. 222, 223.
XXXV
7, 8, 9), ohne daß Aussagen über ihre Gestaltung möglich sind. Die früheste noch greifbare Grab-
platte des Untersuchungsgebietes ist ein fast vollständig zerstörtes Fragment für em Glied der Weiler
Familie Risplin (nr. 26) aus der 1. Hälfte des 14.Jahrhunderts. Soweit erkennbar handelte es sich um
eine Wappen-Grabplatte mit Umschrift in gotischer Majuskel. Die etwa gleichzeitig entstandene
Grabplatte des Eberhard Welling (nr. 27) verzichtet noch auf Wappenschmuck. Die nächsten erhalte-
nen Beispiele sind zwei primitiv gestaltete Grabplatten für Frauen aus der Familie von Mannsberg von
1449 und 1450 (nrr. 58, 60) in Gärtringen; hier sind die Wappenschilde in Ritzzeichnung ausgeführt
und bereits von vier kleineren Familienwappen begleitet. Erst im 3.Viertel des 15.Jahrhunderts ist
eine einzige Grabplatte mit der Figur des Verstorbenen - hier der dem Niederadel entstammende
Priester Ulrich von Kröwelsau — nachweisbar (nr. 82); auch die 1520 und 1521 in weitem Abstand
folgenden Figuren-Platten waren für den Klerus bestimmt (nrr. 162, 164). Auffallend ist, daß Grab-
mäler für den Adel mit Figuren der Verstorbenen als repräsentative Möglichkeiten der Memoriapflege
im Bearbeitungsgebiet vor 1530 kaum erhalten sind, obgleich das Sindelfmger Stifter-Relief des
Grafen Eberhard im Bart und seiner Mutter von 1477 (nr. 83) zeigt, daß bildhauerische Kräfte zur
Verfügung standen. Als einziges Grabdenkmal von hohem künstlerischem Anspruch ist das Grabmal
mit der Figur des jugendlichen Ritters Hans Reinhart Harder, gest. 1519, in Gärtringen (nr. 158) an-
zuführen. Die Zuschreibungsfrage ließ sich nicht lösen, aber Schrift und Einzelmotive deuten auf
einen auch in Kilchberg (Stadt Tübingen) für die Ehingen tätigen Bildhauer ersten Ranges.
Ein Leonberger Epitaph für den adligen Obervogt Wilhelm von Münchingen und seine Frau
(1491; nr. 101) zeigt ebenso wie die Grundsteinlegungsinschrift der Weiler Stadtkirche (1492; nr. 104),
daß Schriftkünstler von höchstem Niveau für solche Aufgaben zur Verfügung standen.
5.4.2 Die Grabmäler der Spätrenaisssance
Auf die Zeit von ca. 1530 bis 1650 entfallen zwei Drittel (152 Stücke) von der Gesamtzahl der 229
dem Totengedenken gewidmeten Inschriften-Denkmäler. Im Gegensatz zu den mageren Ergebnis-
sen für die Zeit des Mittelalters ist der größte Teil der nachreformatorischen Denkmäler, nämlich mit
131 Stücken ein Anteil von 86,2 %, erhalten geblieben. Es muß jedoch immer wieder daran erinnert
werden, daß dieses Ergebnis nur wegen der für diese Zeit fehlenden Kopialüberlieferung günstig
erscheint. In Wirklichkeit müssen wir auch hier mit einer hohen Verlustrate rechnen.
Neben den einfachen Grabplatten steigt die Anzahl der Stern-Epitaphien jetzt an; oft sind beide
Typen formal nicht zu unterscheiden, wenn es sich um aus dem Kirchenboden gehobene und an
der Wand aufgestellte Grabplatten handelt. Diese nahmen die neue Art der Gestaltung der typischen
Renaissance-Grabplatte auf: hier ist die Platte quer unterteilt in ein Schriftfeld und em Wappenfeld;
die auf den spätgotischen Denkmälern am Rand umlaufende Umschrift wurde zugunsten der zei-
lenweisen Anordnung der Schrift aufgegeben. Die Neuerung ist an Gärtringer Grabplatten von
schlichter Gestaltung abzulesen (nrr. 175, 180, 192), deren Schrift und heraldischer Schmuck sehr
sorgfältig ausgeführt sind. Zusätzlich besitzt Gärtringen zugehörige Totenschilde (nrr. 159, 174, 201)
in Form von kreisrunden bemalten Holztafeln mit Umschrift. In ihrer bescheidenen Ausführung rei-
chen sie in der dekorativen Wirkung nicht an die prunkvollen geschnitzten Exemplare in den Reichs-
städten heran128.
Mit ausgesprochen manierierten Schriftformen versehen sind die beiden Epitaphien in Deufrin-
gen für Angehörige der Familie von Gültlingen (1548 und 1566; nrr. 188, 208). Durch das Steinmetz-
zeichen konnten sie zweifelsfrei als Werke des in Rottenburg ansässigen Steinmetzen Hans Hiltprandt
(nachweisbar 1544 — 1568) erkannt werden129.
Das Bearbeitungsgebiet besitzt ein einziges Grabmal aus Metallguß in dem Epitaph des Johann
Michael Fickler, gest. 1544, in Weil der Stadt (nr. 183). Angesichts der Beziehungen des Verstorbe-
nen zu katholischen Glaubensgenossen wird es sich hier um em Importstück aus einer der umliegen-
den Reichsstädte handeln. Das Epitaph besitzt überdies die erste Fraktur-Schrift des Bearbeitungs-
gebietes.
128 Vgl. etwa die Serie in Nördlingen; Raschzok, K. u. Voges, D., „Dem gott gnädig sei“. Totenschilde und Epitaphien
in der St. Georgskirche in Nördlingen. Nördlingen 1998; für Nürnberg vgl. Pilz, Der Totenschild in Nürnberg
1936/39, 57-112.
129 Die Zusammenstellung der Werke Hiltprandts in: Ottmar, Joh., Landadel, Kirche und Bauern. Horb am Neckar
1991, 186 — 195. Darunter sind zwei Grabplatten in Bad Liebenzell; vgl. DI 30 (Calw) nrr. 222, 223.
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