„Dominus Wilhelmus de Mynchingen“, der den Grafen Eberhard im Bart 1468 auf seiner Wallfahrt
nach Jerusalem begleitete3. Die adligen Obervögte Leonbergs hatten offenbar Begräbnisrecht im
Chor der Stadtkirche6.
An dem wieder aufgefundenen Denkmal läßt sich nachweisen, daß die Überlieferung von Grabschrif-
ten bei Gabelkover häufig vom originalen Wortlaut abweicht. Hier ist die Wiedergabe des Todes-
datums für die Ehefrau ohne Tagesbezeichnung auf dem Original so sehr verkürzt, daß Gabelkover
ausnahmsweise eine Erweiterung des Textes vornahm. Die Ausführung der sorgfältig gestalteten
Inschrift zwischen vorgeritzten Linien ist meisterhaft. Alle Zeilen beginnen mit einem Paragraphen-
zeichen, das in der Folge durchgehend als Worttrenner benutzt wurde. Die Versalien der Gotischen
Minuskel werden von parallel geführten Zierhmen begleitet und sind vielfach gebrochen und mit
Schleifen versehen. Das i besitzt einen kreisförmigen i-Punkt, der auch bei den Versalien verwendet
wurde. Ungewöhnlich ist die Schreibung/or und/o« für „vor“ und „von“.
Das Denkmal ist in Bezug auf seinen Typus und seine epigraphischen Merkmale innerhalb des Be-
arbeitungsgebietes einzigartig. Die Gestaltung mit quer geteiltem Feld — oben die Wappen, unten em
mehrzeiliger Schriftblock — war in die Zukunft weisend, denn diese Form setzte sich im 16.Jahr-
hundert anstelle des mittelalterlichen Typs der Grabplatte mit Umschrift und Wappen im Feld durch.
Vorläufer dieses Typs waren vermutlich die hochrechteckigen Totenschilde aus Holz, wie sie im
Ulmer Münster noch mehrfach erhalten sind7. Das Straßburger Münster besitzt Kanoniker-Epita-
phien aus Sandstein in dieser Form, die nicht nur in ihrer Gestaltung, sondern auch in ihrer epi-
graphischen Ausführung so eng mit dem vorliegenden Denkmal verwandt sind, daß man geneigt ist,
an ein Importstück zu denken. Die Schrift, eingespannt in ein horizontales Liniensystem, kommt in
der Ausführung der Zierversalien der Inschrift des Straßburger Kanonikers Berthold von Henneberg,
gestorben 1495, nahe8. Diese Versalien sind in beiden Fällen von Zierversalien der zeitgenössischen
Buchmalerei abzuleiten.
Die Frage nach der ursprünglichen Funktion des Denkmals läßt sich nicht mit letzter Sicherheit be-
antworten. Die Straßburger Denkmäler dieses Typs sind eindeutig Epitaphien, die an der Kirchen-
wand in der Nähe des Bestattungsorts befestigt wurden. Andererseits sind die frühen Beispiele aus der
1. Hälfte des 16. Jahrhunderts innerhalb des Bearbeitungsgebietes, z. B. die Denkmäler der Harder in
Gärtringen, sowohl Grabplatten9 als auch Epitaphien"'.
a Wortlaut bei Gabelkover: A(nno) 1486. vff montag vor Johannis Baptistae starb der e(del) v(nd) v(est) Wilhelm von
Münchingen, vnd Anna von Rot vxor eins a(nno) d(omini) (etc.) 91.
b So für vnd.
1 Nach Gabelkover, aufgeführt unter der Bezeichnung „Epitaphia zu Leonberg“ ohne genaue Ortsangabe.
2 Pfeilsticker §2531, 2538, 2540.
3 Verheiratet 1. mit Elisabeth von Stein, 2. mit Margretha von Sternenfels; vgl. Heimstatt, J. P. v., Stammtafeln west-
deutscher Adelsgeschlechter (1610). Ms. Darmstadt, Hess. Landesbiblothek, Stammtafel Münchingen.
4 WürttRegesten 12380, 12381, 12398, 12404.
5 Der Reisebericht abgedruckt in: Eberhard im Bart und die Wallfahrt 1998, 142 — 164. — Die Herren von Münchin-
gen gehörten zum engsten Umkreis Eberhards. Conrad von Münchingen (1445 — 1478), Prior der Kartause Güter-
stein, vermutlich ein Onkel des Wilhelm, wird von Eberhard „der alte vater zum Guterstin“ genannt und in seiner
Abwesenheit mit besonderen Vollmachten versehen; vgl. ebd., 202.
6 Im 16.Jahrhundert war hier die Grablege für den Obervogt Reinhart von Rüppurr, gestorben 1586, und seine
Familie; vgl. nrr. 240, 211.
7 Vgl. Rieber, A., Totenschilde im Ulmer Münster. In: Sechshundert Jahre Ulmer Münster (Forschungen zur Ge-
schichte der Stadt Ulm 19). Stuttgart 1984 (2. Aufl.), 330 — 376; hier 348f. und Abb. 158.
8 Vgl. Clauss, J. M. B., Das Münster als Begräbnisstätte und seine Grabinschriften. In: Straßburger Münsterblatt 2
(1905) 17, Nr. 2 mit Abb. — Den Hinweis auf dieses Beispiel verdanke ich meinem Kollegen Harald Drös.
9 Vgl. nrr. 175, 180, 188.
10 Vgl. nr. 183.
Gabelkover, Stuttgart, HStAJl Nr. 136 I fol. 6r.
102 f Leonberg, ev. Stadtkirche (St.Johannes Bapt.) 1491
Grabmal Wilhelms d. J. von Münchingen. Gestaltung unbekannt.
Wortlaut nach Gabelkover.
A(nno) 1491. starb der edel vnd streng herr Wilhelm von Münchingen Ritter.
Der Verstorbene soll ein Sohn des gleichnamigen Leonberger Obervogts gewesen sein; er war mit
Barbara von Bettendorfverheiratet1.
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nach Jerusalem begleitete3. Die adligen Obervögte Leonbergs hatten offenbar Begräbnisrecht im
Chor der Stadtkirche6.
An dem wieder aufgefundenen Denkmal läßt sich nachweisen, daß die Überlieferung von Grabschrif-
ten bei Gabelkover häufig vom originalen Wortlaut abweicht. Hier ist die Wiedergabe des Todes-
datums für die Ehefrau ohne Tagesbezeichnung auf dem Original so sehr verkürzt, daß Gabelkover
ausnahmsweise eine Erweiterung des Textes vornahm. Die Ausführung der sorgfältig gestalteten
Inschrift zwischen vorgeritzten Linien ist meisterhaft. Alle Zeilen beginnen mit einem Paragraphen-
zeichen, das in der Folge durchgehend als Worttrenner benutzt wurde. Die Versalien der Gotischen
Minuskel werden von parallel geführten Zierhmen begleitet und sind vielfach gebrochen und mit
Schleifen versehen. Das i besitzt einen kreisförmigen i-Punkt, der auch bei den Versalien verwendet
wurde. Ungewöhnlich ist die Schreibung/or und/o« für „vor“ und „von“.
Das Denkmal ist in Bezug auf seinen Typus und seine epigraphischen Merkmale innerhalb des Be-
arbeitungsgebietes einzigartig. Die Gestaltung mit quer geteiltem Feld — oben die Wappen, unten em
mehrzeiliger Schriftblock — war in die Zukunft weisend, denn diese Form setzte sich im 16.Jahr-
hundert anstelle des mittelalterlichen Typs der Grabplatte mit Umschrift und Wappen im Feld durch.
Vorläufer dieses Typs waren vermutlich die hochrechteckigen Totenschilde aus Holz, wie sie im
Ulmer Münster noch mehrfach erhalten sind7. Das Straßburger Münster besitzt Kanoniker-Epita-
phien aus Sandstein in dieser Form, die nicht nur in ihrer Gestaltung, sondern auch in ihrer epi-
graphischen Ausführung so eng mit dem vorliegenden Denkmal verwandt sind, daß man geneigt ist,
an ein Importstück zu denken. Die Schrift, eingespannt in ein horizontales Liniensystem, kommt in
der Ausführung der Zierversalien der Inschrift des Straßburger Kanonikers Berthold von Henneberg,
gestorben 1495, nahe8. Diese Versalien sind in beiden Fällen von Zierversalien der zeitgenössischen
Buchmalerei abzuleiten.
Die Frage nach der ursprünglichen Funktion des Denkmals läßt sich nicht mit letzter Sicherheit be-
antworten. Die Straßburger Denkmäler dieses Typs sind eindeutig Epitaphien, die an der Kirchen-
wand in der Nähe des Bestattungsorts befestigt wurden. Andererseits sind die frühen Beispiele aus der
1. Hälfte des 16. Jahrhunderts innerhalb des Bearbeitungsgebietes, z. B. die Denkmäler der Harder in
Gärtringen, sowohl Grabplatten9 als auch Epitaphien"'.
a Wortlaut bei Gabelkover: A(nno) 1486. vff montag vor Johannis Baptistae starb der e(del) v(nd) v(est) Wilhelm von
Münchingen, vnd Anna von Rot vxor eins a(nno) d(omini) (etc.) 91.
b So für vnd.
1 Nach Gabelkover, aufgeführt unter der Bezeichnung „Epitaphia zu Leonberg“ ohne genaue Ortsangabe.
2 Pfeilsticker §2531, 2538, 2540.
3 Verheiratet 1. mit Elisabeth von Stein, 2. mit Margretha von Sternenfels; vgl. Heimstatt, J. P. v., Stammtafeln west-
deutscher Adelsgeschlechter (1610). Ms. Darmstadt, Hess. Landesbiblothek, Stammtafel Münchingen.
4 WürttRegesten 12380, 12381, 12398, 12404.
5 Der Reisebericht abgedruckt in: Eberhard im Bart und die Wallfahrt 1998, 142 — 164. — Die Herren von Münchin-
gen gehörten zum engsten Umkreis Eberhards. Conrad von Münchingen (1445 — 1478), Prior der Kartause Güter-
stein, vermutlich ein Onkel des Wilhelm, wird von Eberhard „der alte vater zum Guterstin“ genannt und in seiner
Abwesenheit mit besonderen Vollmachten versehen; vgl. ebd., 202.
6 Im 16.Jahrhundert war hier die Grablege für den Obervogt Reinhart von Rüppurr, gestorben 1586, und seine
Familie; vgl. nrr. 240, 211.
7 Vgl. Rieber, A., Totenschilde im Ulmer Münster. In: Sechshundert Jahre Ulmer Münster (Forschungen zur Ge-
schichte der Stadt Ulm 19). Stuttgart 1984 (2. Aufl.), 330 — 376; hier 348f. und Abb. 158.
8 Vgl. Clauss, J. M. B., Das Münster als Begräbnisstätte und seine Grabinschriften. In: Straßburger Münsterblatt 2
(1905) 17, Nr. 2 mit Abb. — Den Hinweis auf dieses Beispiel verdanke ich meinem Kollegen Harald Drös.
9 Vgl. nrr. 175, 180, 188.
10 Vgl. nr. 183.
Gabelkover, Stuttgart, HStAJl Nr. 136 I fol. 6r.
102 f Leonberg, ev. Stadtkirche (St.Johannes Bapt.) 1491
Grabmal Wilhelms d. J. von Münchingen. Gestaltung unbekannt.
Wortlaut nach Gabelkover.
A(nno) 1491. starb der edel vnd streng herr Wilhelm von Münchingen Ritter.
Der Verstorbene soll ein Sohn des gleichnamigen Leonberger Obervogts gewesen sein; er war mit
Barbara von Bettendorfverheiratet1.
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