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Seeliger-Zeiss, Anneliese; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 47 = Heidelberger Reihe, 13. Band): Die Inschriften des Landkreises Böblingen — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.57659#0122
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Weil der Stadt, kath. Pfarrkirche St. Peter und Paul

4.V. 15. Jh.

Kreuzreliquiar (Ostensonum) in Gestalt eines Altarkreuzes, doppelseitig, mit Bildschmuck und
Inschriften. Silber, teil vergoldet. Vierteiliger Kupferfuß mit vierteiligem Nodus, mit Edelsteinen be-
setzt. Vorderseite: im Zentrum die vollrunde, plastische Figur des Gekreuzigten vor dem mit Blattwerk
gefüllten Schaft. Im Schnittpunkt der Kreuzarme glattes Medaillon mit verglaster Rehquien-Kapsel1;
die Rundung umfängt das Haupt des Gekreuzigten wie ein Nimbus und bildet auf der Rückseite den
Deckel der hier eingetieften Rehquien-Kapsel für die Kreuzreliquie; der Deckel ist mit einem Schar-
nier zum Öffnen versehen. Die Kreuzarme enden in Vierpässen, in die getriebene Silber-Reliefs von
vier Propheten-Halbfiguren eingefugt sind. Diese tragen Spruchbänder Al-A4 in Händen (im Uhr-
zeigersinn, Beginn links). Im Gegensatz zu der plastisch gestalteten Vorderansicht steht die mit Gravu-
ren geschmückte Rückseite; im Zentrum ein Medaillon im Vierpaß mit Relief des Agnus Dei, auf dem
Buch mit den sieben Siegeln der Apokalypse liegend, beigefügt Kelch und Siegesfahne, Umschrift B;
an den Kreuzenden Vierpässe mit graviertem Flammen-Muster, darauf Medaillons mit gegossenen
Reliefs der vier Evangelisten-Symbole, begleitet von Schriftbändern CI —C4. Als Worttrenner Vier-
kantpunkte (bei A und C) und kleine Tatzenkreuze (B) in Zeilenmitte. Trotz Spuren von Überarbei-
tungen guter Zustand. Keine Marken.
Abb. 42, 43, H. (gesamt) 68, B. 40,4, Dm. (Fuß) 23,3, Dm. (Medaillon) 4,5, Bu. 0,5 (A), 0,3 (B), 0,2 (C) cm. —
14; 45, 46, 47 Frühhumanistische Kapitalis (A, B), Kapitahs (CI —C4)
Al IE/REMIE ■ / TRa2 • PRIMO • O • VOS / OM(NE)S • QVI • TRA(N)SITIS •
P(ER) VIA(M) • ATE(N)DITE • ET • / VI/DETE
A2 DAVID3 / FODERVNT • MAN(VS) • MEAS ■ ET • PEDES • / MEASb / •
A3 YSAIE • l°iij4 • OBLAT(VS) ■ EST • QIA • IPSE ■ / VOLVIT • ET • NO/N •
APERVIT / OS • SVV(M)
A4 SA/CHAR/IE5 • TV ■ IN / SANGVINE • TESTAMENTI • / TVI • EMISISTI
■ VINCT/OS :
B + ECCE + AGNVS + DEI + QVI + TOLITC + P(E)C(CA)TA + MVNDI6
CI S ■ LVC/AS •
C2 S • MATHEVS •
C3 S • / IOH/ANES •
C4 ■ S ■ MAR/CVS
Euch sage ich allen, die ihr vorübergehet: Schauet doch und sehet (Al). — Sie haben meine Hände und Füße durch-
graben (A2). — Er ist geopfert worden, weil er es selbst wollte, und er tat seinen Mund nicht auf (A3). — Du hast durchs
Blut deines Bundes die Gefangenen losgelassen (A4). — Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt (B).
Die Diskussion um die Datierung und künstlerische Einordnung des Kreuzes verlief bislang kontro-
vers. Festzustehen schien lediglich, daß es sich um alten Besitz der katholischen Pfarrkirche in Weil
der Stadt handelt. Dabei wurde eine Notiz von Kiaiber übersehen, der aufgrund von Archivalien
wahrscheinlich machen konnte, daß das Kreuz identisch ist mit einem „Kreuzpartikel mit Figuren der
Patriarchen, Propheten und Evangelisten“, welcher 1752 aus der Spitalkirche St. Maria für die Pfarr-
kirche erkauft wurde7. Dafür spricht, daß das Kreuz in den Schatzverzeichnissen der Pfarrkirche von
1628 und 1733 noch nicht enthalten ist8.
Das Kreuz-Ostensorium ist so eng verwandt mit dem 101 cm hohen Altarkreuz der kath. Stadtpfarr-
kirche St. Stephan in Karlsruhe9, daß man es als Replik kleineren Formats angesprochen hat. Für das
Karlsruher Kreuz kann neuerdings die Möglichkeit erwogen werden, daß es identisch ist mit dem
Kreuzreliquiar, welches Kaiser Friedrich III. 1473 seiner Schwester Katharina, Ehefrau des Markgra-
fen Karl I. von Baden, für die Stiftskirche in Baden-Baden geschenkt hat10. Daraus gewinnt die For-
schung insofern neue Impulse, als dieses Kreuz nicht mehr eindeutig als Hauptwerk oberrheinischer
Provenienz gelten kann, sondern eine Herkunft aus Wiener Neustadt oder Graz erwogen werden
muß. Außerdem ist mit dem Jahr 1473 em eindeutiger termmus a quo für die Aufstellung gegeben.
Die — wohl nachträgliche — Beifügung des Kruzifixus auf einem älteren Kreuz gewinnt nun neue Bri-
sanz für die Entstehungsgeschichte; denn — wie seit langem erkannt — ist der Gekreuzigte in Anleh-
nung an den Baden-Badener Kruzifixus des Nicolaus Gerhaerts von 1467 geschaffen, verzichtet aber
auf den für die Nachfolgewerke wichtigen dreisprachigen Titulus11.

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