Zur Baugeschichte der 1812 abgerissenen Klosterkirche bieten die chronikalischen Notizen von 1686
im sog. Protocollum conventus von der Hand des Priors Gelasius Roller wertvolle Einzelheiten1.
Roller war 1693-1699 Provinzial des Ordens und starb 1712. Hier ist zu erschließen, daß die offenbar
mit dem 1481 datierten Hauptportal eingeleiteten Baumaßnahmen in Zusammenhang mit der in
demselben Jahr bezeugten Klosterreform2 durch die Weihe der drei Lettner-Altäre einen Abschluß
fand. Der alte Hochaltar im Chor der Klosterkirche war 1393 geweiht worden. Laut Bericht Rollers
wurden am 10.Juni 1686 drei neue Altäre (wohl im Chor und zu beiden Seiten des Chorbogens?)
geweiht; zuvor sind die Altäre von 1515 zusammen mit dem Lettner beseitigt worden. Mit diesen
Barock-Altären unbekannten Aussehens erhielt die hochgotische Klosterkirche nach einem Umbau
des Langhauses eine neue Barockausstattung, die vermutlich bis zur Säkularisierung und dem Abbruch
der Kirche 1812 erhalten blieben.
Ob die Errichtung der drei spätgotischen Altäre von 1515 mit dem Bau des Lettners verbunden war
oder ob der Lettner schon vorher bestand, muß offen bleiben. Vermutlich steht mit der Datierung des
Lettners em Münzfund in Zusammenhang. Über diesen wurde beim Abbruch des Lettners 1686
berichtet, daß er Goldstücke mit der Jahreszahl 1497 enthielt3. Wenn die Goldmünzen beim Bau des
Lettners — vielleicht in Zusammenhang mit der Zeremonie der Grundsteinlegung — dort deponiert
wurden, könnte diese Datierung als terminus a quo für den Lettnerbau gelten. — Über die Gestaltung
der Lettner-Altäre geben die Aufzeichnungen keinen Aufschluß; sehr wahrscheinlich haben wir an
gemalte Altartafeln mit den Figuren der in den Weiheinschriften genannten Heiligen zu denken. Der
zuständige Weihbischof, der in der Inschrift Lucas genannt wird, war der Speyerer Weihbischof Lukas
Schleppei; als Titularbischof von Termopolis (episcopus Termopolensis) bekleidete er dieses Amt von
1512 bis zu seinem Tod 15204.
a Geschrieben SS.
b Geschrieben S. et M.
c Hier SS.
d Geschrieben VV.
e Geschrieben MM.
f Der stereotype Wortlaut ist hier gekürzt wiedergegeben und mit dem Zusatz versehen: „ab eode(m) in eode(m)
anno“ (von demselben in demselben Jahr).
1 Zum Charakter dieser Aufzeichnungen vgl. Einl. XXX.
2 Vgl. dazu die betreffende Inschrift II/B2 im Kreuzgang, hier die folgende nr. 154; ferner das bei nr. 91 Gesagte.
3 Protocollum conventus p. 135.
4 Er ist verzeichnet in: Die Bischöfe des Hl. Röm. Reiches 1448 — 1648. Ein biographisches Lexikon, hg. v. E.Gatz
unter Mitw. v. Clemens Brodkorb. Berlin 1996, 641 (Vf. H. Ammerich); vgl. auch Remling, Geschichte der Bischöfe
zu Speyer, Bd. 2. Mainz 1854, 830.
Roller, Gelasius, in: Protocollum conventus, Weil der Stadt, Pfarr-Registratur, Bd. 1, 1663 — 1734, p. 136. — Schütz,
Siegfried, Über die Baugeschichte der klösterlichen und säkularisierten Augustinerniederlassung (Kirche und Oratorium)
in Weil der Stadt bis zum 19. Jahrhundert. In: Heimatverein Weil der Stadt. Berichte und Mitteilungen 1994, 19 — 29; bes.
20 mit Abb.
154 Weil der Stadt, kath. Pfarramt und Stadtarchiv (Augustiner-Kreuzgang) vor 1516
Gedenkinschriften zur Geschichte des Ordens der Augustiner-Eremiten. Im ehemaligen Kreuzgang
des Klosters, im Erdgeschoß von drei ursprünglich miteinander verbundenen, im Kern noch spätgoti-
schen Flügeln des in den Konventbau integrierten Gevierts, das auf der Südseite von der Klosterkirche
(abgerissen 1812) begrenzt war. Noch erhalten sind der ehemals rechtwinklig an den Chor der Kirche
anstoßende Ostflügel des Kreuzgangs, heute Flur des kath. Pfarramts, und der Nordflügel, heute
Magazinraum des Stadtarchivs. Diese beiden Flügel sind seit der Umnutzung des Gebäudes als Schul-
und Pfarrhaus nach 1812 durch eine Wand voneinander abgetrennt. Der Westbau des Klausurgebäudes
ist ein Neubau aus dem Jahr 1708; in seinem Erdgeschoß wurde em Kreuzgang angelegt, der Anlage
und Dimension des 1706 abgebrochenen spätgotischen Kreuzgangs aufnahm, in der Substanz aber
erneuert ist.
Der umfangreiche Inschriften-Zyklus beginnt an der Eingangstür vom Kreuzhof her in den Ostflügel
mit den Inschriften I/A und I/B und verläuft auf der Innenseite des ehemaligen Kreuzgangs von Süd
nach Nord an den drei Fenstergewänden II, III und IV. Der Zyklus setzt sich im Nordflügel auf den
sechs Fenstergewänden von V bis X von Osten nach Westen fort. Vermutlich war der Inschriften-
Zyklus ehemals auch im verlorenen Westflügel weitergeführt. Denn 1669 wurden zwei weitere In-
schriften ohne genaue Standortangabe bezeugt (hier XI/A und XI/B); sie könnten sich dort befunden
88
im sog. Protocollum conventus von der Hand des Priors Gelasius Roller wertvolle Einzelheiten1.
Roller war 1693-1699 Provinzial des Ordens und starb 1712. Hier ist zu erschließen, daß die offenbar
mit dem 1481 datierten Hauptportal eingeleiteten Baumaßnahmen in Zusammenhang mit der in
demselben Jahr bezeugten Klosterreform2 durch die Weihe der drei Lettner-Altäre einen Abschluß
fand. Der alte Hochaltar im Chor der Klosterkirche war 1393 geweiht worden. Laut Bericht Rollers
wurden am 10.Juni 1686 drei neue Altäre (wohl im Chor und zu beiden Seiten des Chorbogens?)
geweiht; zuvor sind die Altäre von 1515 zusammen mit dem Lettner beseitigt worden. Mit diesen
Barock-Altären unbekannten Aussehens erhielt die hochgotische Klosterkirche nach einem Umbau
des Langhauses eine neue Barockausstattung, die vermutlich bis zur Säkularisierung und dem Abbruch
der Kirche 1812 erhalten blieben.
Ob die Errichtung der drei spätgotischen Altäre von 1515 mit dem Bau des Lettners verbunden war
oder ob der Lettner schon vorher bestand, muß offen bleiben. Vermutlich steht mit der Datierung des
Lettners em Münzfund in Zusammenhang. Über diesen wurde beim Abbruch des Lettners 1686
berichtet, daß er Goldstücke mit der Jahreszahl 1497 enthielt3. Wenn die Goldmünzen beim Bau des
Lettners — vielleicht in Zusammenhang mit der Zeremonie der Grundsteinlegung — dort deponiert
wurden, könnte diese Datierung als terminus a quo für den Lettnerbau gelten. — Über die Gestaltung
der Lettner-Altäre geben die Aufzeichnungen keinen Aufschluß; sehr wahrscheinlich haben wir an
gemalte Altartafeln mit den Figuren der in den Weiheinschriften genannten Heiligen zu denken. Der
zuständige Weihbischof, der in der Inschrift Lucas genannt wird, war der Speyerer Weihbischof Lukas
Schleppei; als Titularbischof von Termopolis (episcopus Termopolensis) bekleidete er dieses Amt von
1512 bis zu seinem Tod 15204.
a Geschrieben SS.
b Geschrieben S. et M.
c Hier SS.
d Geschrieben VV.
e Geschrieben MM.
f Der stereotype Wortlaut ist hier gekürzt wiedergegeben und mit dem Zusatz versehen: „ab eode(m) in eode(m)
anno“ (von demselben in demselben Jahr).
1 Zum Charakter dieser Aufzeichnungen vgl. Einl. XXX.
2 Vgl. dazu die betreffende Inschrift II/B2 im Kreuzgang, hier die folgende nr. 154; ferner das bei nr. 91 Gesagte.
3 Protocollum conventus p. 135.
4 Er ist verzeichnet in: Die Bischöfe des Hl. Röm. Reiches 1448 — 1648. Ein biographisches Lexikon, hg. v. E.Gatz
unter Mitw. v. Clemens Brodkorb. Berlin 1996, 641 (Vf. H. Ammerich); vgl. auch Remling, Geschichte der Bischöfe
zu Speyer, Bd. 2. Mainz 1854, 830.
Roller, Gelasius, in: Protocollum conventus, Weil der Stadt, Pfarr-Registratur, Bd. 1, 1663 — 1734, p. 136. — Schütz,
Siegfried, Über die Baugeschichte der klösterlichen und säkularisierten Augustinerniederlassung (Kirche und Oratorium)
in Weil der Stadt bis zum 19. Jahrhundert. In: Heimatverein Weil der Stadt. Berichte und Mitteilungen 1994, 19 — 29; bes.
20 mit Abb.
154 Weil der Stadt, kath. Pfarramt und Stadtarchiv (Augustiner-Kreuzgang) vor 1516
Gedenkinschriften zur Geschichte des Ordens der Augustiner-Eremiten. Im ehemaligen Kreuzgang
des Klosters, im Erdgeschoß von drei ursprünglich miteinander verbundenen, im Kern noch spätgoti-
schen Flügeln des in den Konventbau integrierten Gevierts, das auf der Südseite von der Klosterkirche
(abgerissen 1812) begrenzt war. Noch erhalten sind der ehemals rechtwinklig an den Chor der Kirche
anstoßende Ostflügel des Kreuzgangs, heute Flur des kath. Pfarramts, und der Nordflügel, heute
Magazinraum des Stadtarchivs. Diese beiden Flügel sind seit der Umnutzung des Gebäudes als Schul-
und Pfarrhaus nach 1812 durch eine Wand voneinander abgetrennt. Der Westbau des Klausurgebäudes
ist ein Neubau aus dem Jahr 1708; in seinem Erdgeschoß wurde em Kreuzgang angelegt, der Anlage
und Dimension des 1706 abgebrochenen spätgotischen Kreuzgangs aufnahm, in der Substanz aber
erneuert ist.
Der umfangreiche Inschriften-Zyklus beginnt an der Eingangstür vom Kreuzhof her in den Ostflügel
mit den Inschriften I/A und I/B und verläuft auf der Innenseite des ehemaligen Kreuzgangs von Süd
nach Nord an den drei Fenstergewänden II, III und IV. Der Zyklus setzt sich im Nordflügel auf den
sechs Fenstergewänden von V bis X von Osten nach Westen fort. Vermutlich war der Inschriften-
Zyklus ehemals auch im verlorenen Westflügel weitergeführt. Denn 1669 wurden zwei weitere In-
schriften ohne genaue Standortangabe bezeugt (hier XI/A und XI/B); sie könnten sich dort befunden
88