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Seeliger-Zeiss, Anneliese; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 47 = Heidelberger Reihe, 13. Band): Die Inschriften des Landkreises Böblingen — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.57659#0155
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158

Gärtringen, ev. Pfarrkirche (St.Veit)

1519

Grabdenkmal des Hans Reinhart Harder von Gärtringen. Im Chor, Südwand (s. Lageplan I); früher
Langhaus, Nordwand1. Hochrechteckige Platte aus hellgrauem Sandstein mit schmaler Randleiste;
das leicht vertiefte Feld seitlich gerahmt von illusionistisch gefalteten Schriftbändern Al und A2,
die eine fortlaufende Umschrift zwischen Linien tragen (Beginn links unten); die Inschrift setzt
sich links oben auf einem kürzeren und schmaleren Schriftband A3 fort. Davor die fast vollrunde
Figur eines jugendlichen Ritters auf einem Löwen; er hält mit der Rechten sein Vollwappen, die
Linke greift zum Schwertgriff. Zu Häupten balancieren zwei Putti über zwei Astwerk-Stämmchen
als den Resten eines nicht entwickelten spätgotischen Baldachins und halten einen mit Straußen-
federn besteckten Masken-Helm und Schriftbänder; A3 links, A4 rechts (leer). Sockel erneuert.
Geringe Beschädigungen.
H. 205, B. 100, Bu. 5,5 cm. — Gotische Minuskel mit Versalien Abb. 57
Al A(nn)oa • 1 • / 5 • 1 ■ 9 • obijt id/(ibus) • octob(ris) // nobilis
A2 ioh//annes Ren/hardvsb de gertringen / • dictvs • harder • cv/i(vs) • a(n)i(m)a
A3 jn ■ pace • / (requie)scatc •
Im Jahr 1519 starb an den Iden des Oktober (15. Oktober) der edle Johannes Reinhard von Gärtringen genannt Harder,
dessen Seele in Frieden ruhen möge.
Wappen: Harder v. Gärtringen
Der jugendliche Ritter steht in lässiger Haltung im Kontrapost auf dem Löwen. Er verstarb 1519
vermutlich an den Folgen einer Verletzung nach seiner Teilnahme an der gewaltsamen Einnahme
und Annexion der Reichsstadt Reutlingen durch Herzog Ulrich von Württemberg2. Abgesehen
von dem aufwendigen Grabdenkmal erhielt Reinhart auch einen Totenschild'1. Seine Identifizie-
rung als ein Sohn des Hans Harder (gest. 1502) und der Mechtild von Reischach (gest. 1530) darf
als sicher gelten4.
Die Gestaltung der Inschrift als rahmendes Band und ihre spezielle Ausführung als sehr eng geführte,
zwischen Linien eingeschlossene Minuskel5 mit ausgeprägten und gespaltenen Oberlängen und weit-
gehendem Verzicht auf Versalien verbindet das Denkmal einmal mit dem Grabdenkmal der Anna von
Berg (gest. 1512) in Unterriexingen (Stadt Markgröningen)6, zum andern mit dem Grabdenkmal der
Dorothea von Ehingen geb. von Ahelfingen (gest. 1527) in Kilchberg (Stadt Tübingen)7. Typisch für
die Schrift ist, daß die Ober- und Unterlängen das die Schrift einschließende Band durchstoßen und
bei g und h in hakenförmig gebogenen Zierlinien auslaufen. Abgesehen von dem großen Anfangs-
Versal A aus der Gotischen Majuskel ist nur beim Vornamen em zweiter Versal R verendet, der eine
äußerst eigenwillige Form besitzt. Die Zuschreibungsversuche von Schahl an Christoph von Urach
oder von Halbey an Heinrich Schickhardt sind nicht überzeugend8. Dagegen ist eine künstlerische
Verwandtschaft zu dem noch unbekannten, aber hochbegabten Bildhauer des Böblinger Christo-
phorus-Brunnens von 1526 nicht zu übersehen4.
a Das o kleiner und hochgestellt.
b Die älteren Autoren — wie Halbey und Wolf — übernehmen die Lesung von OABHerrenbergl855: Hans Bernhard;
Richtigstellung durch Schahl 1959. Der Versal R hat eine eigenwillige Form, ist aber keinesfalls als B anzusprechen.
Die Haste ist leicht geschwungen und bildet statt des oberen Bogens ein Quadrangei aus; die Cauda durchschneidet
die Haste weit oben und ist nach rechts durchgebogen.
c Wortanfang durch Knick des Schriftbandes verdeckt.
1 Befund nach alter Aufnahme im Photoarchiv des Landesdenkmalamts Stuttgart.
2 Zu diesem für Ulrich katastrophalen Kriegszug vgl. Handbuch d. baden-württembergischen Geschichte II, 74.
3 Vgl. nr. 159.
4 Ihre Grabmäler haben sich erhalten; vgl. nrr. 126, 175.
5 Worttrenner: Paragraphenpunkte.
6 Vgl. DI 25 (Ludwigsburg) nr. 209.
7 Photo-Dokumentation im Heidelberger Epigraphik-Archiv; vgl. auch AmtlKreisbeschreibung: Der Landkreis
Tübingen I. Tübingen 1967, Abb. 48.
8 Der Schreiner Schickhardt war mit Sicherheit nicht Steinbildhauer; zu diesem Meister vgl. hier nr. 156 und öfter.
9 Vgl. nr. 170.
Gabelkover, Stuttgart, HStAJ1 Nr.48g II, fol.760r. — OABHerrenberg 1855, 184. — Halbey, Grabplastik 1954, 75ff,
Kat. nr. 22. — Schahl, A., Die Frühwerke des Christoph von Urach. In: Das Münster 12 (1959) 167—174; bes. 167. —
Schahl, Gärtringen 1963, 19. - Schahl, Neckarschwaben 1966, 191. - Wolf, Christof v. Urach 1971, 293 f. - Heimberger,
Gärtringen 1982, 68 und Abb. A. 65. — Haibauer, Gärtringen 1996, 125 — 129 und Abb. 96 —98.

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