Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0049
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3. Das taufbuchlin verdeudscht aufs neu zu gericht. 1526.

21

gewissen zu scheuen, lass ichs fast so bleiben,
das sie nicht klagen, ich wolle ein neue taufe
einsetzen, und die biss her getauft sind, thad-
deln, als die nit recht getauft weren. Denn,

wie gesagt, an den menschlichen zusetzen nicht so
gros ligt, wenn nur die tauf an ihr selbs mit gottis
wort, richtigem glauben und ernstem gepet ge-
handelt wirt. Hie mit got befohlen, Amen.

3. Das taufbuchlin verdeudscht aufs neu zu gericht. 1526.

Drei Jahre später gab Luther das Taufbüchlein revidirt heraus. Hier sind die katho-
lischen Gebräuche (Salz, Öl u. s. w.) zumeist beseitigt, der Exorcismus ist beibehalten. Zur
Geschichte vgl. Walther, in der Weimarer Luther-Ausgabe 19, 531 ff. In dieser Gestalt ging
das Taufbüchlein in viele K.O. über, z. B. Göttingen 1530, Brandenburg-Nürnberg 1533, Nort-
heim 1539, Herzog Heinrichs Agende 1539, Halle 1541, Schleswig-Holstein 1542, Pommern 1542,
Schweinfurt 1543, Ritzebüttel 1544, Mecklenburg 1552.
Zu den zahlreichen Ausgaben vgl. Erlanger Luther-Ausg. 22, 290 ff.; Walther in
Weimarer Luther-Ausg. 19, 532 ff. In den Gesammtausgaben findet sie sich: Jena (1555)
2, 241 ff. (1563: Bl. 252 ff. 1585: Bl. 230 ff.); Altenburg 2, 327 ff.; Leipzig 22, 231 ff.; Walch
10, 2633—2637; Erlangen 22, 291 ff.; Weimar 19, 537 ff. [Abdruck nach dem Druck Witten-
berg 1526.] Hier wird gedruckt nach der Weimarer Ausgabe.

Martinus Luther allen christlichen lesern
[gnad und frid in Christo unserm herrn.
Weil ich teglich sehe und höre, wie gar mit
unvleis und wenigem ernst, wil nicht sagen, mit
leichtfertickeit, man das hohe heilige tröstliche
sacrament der taufe handelt uber den kindeln,
wilcher ursach ich achte der auch eine sei, das
die, so da bei stehen, nichts davon verstehen, was
da gered und gehandelt wird, dunkt michs nicht
alleine nütz, sondern auch not sein, das mans
in deudscher sprache thue. Und habe darum
sollichs verdeudscht, anzufahen auf deudsch zu
teufen, da mit die paten und beistehende deste
mehr zum glauben und ernstlicher andacht ge-
reizt werden und die priester, so do teufen, deste
mehr vleiss um der zuhörer willen haben müssen.
Ich bit aber aus christlicher treu alle die
jhenigen, so da teufen, kinder heben und da bei
stehen, wolten zu herzen nehmen das trefliche
werk und den grossen ernst, der hierinnen ist.
Denn du hie hörest in den worten dieser gepet,
wie kleglich und ernstlich die christlich kirche
das kindlin her tregt und mit so bestendigen un-
gezweifelten worten für gott bekennet, es sei
vom teufel besessen und ein kind der sünden und
ungnaden, und so vleislich bittet um hülf und
gnade durch die tauf, das es ein kind gottes
werden müge.
Darum wolltestu bedenken, wie gar es nicht
ein scherz ist, wider den teufel handelen und
den selben nicht alleine vom kindlin jagen, son-
dern auch dem kindlin solchen mechtigen feind
sein lebenlang auf den hals laden, das es wol not
ist, dem armen kindlin aus ganzem hertzen und
starkem glauben beistehen, aufs andechtigest

bitten, das ihm gott nach laut dieser gepet nicht
allein von des teufels gewalt helfe, sondern auch
sterke, das es müge wider ihn ritterlich im
leben und sterben bestehen. Und ich besorge,
das darum die leute nach der tauf so ubel auch
geraten, das man so kalt und lessig mit ihn umb-
gangen und so gar on ernst fur sie gebeten hat
in der tauffe.
So gedencke nu, das in dem teufen dise
euserliche stücke das geringste sind, als da ist
unter augen blasen, creuze an streichen, salz
in den mund geben, speichel und kot in die
oren und nasen thun, mit öle auf der brust und
schuldern salben und mit cresem die scheitel be-
streichen, westerhemd anzihen und brennend
kerzen in die hend geben, und was das mehr
ist, das von menschen die tauf zu zieren, hinzu
gethan ist; denn auch wol on solchs alles die taufe
geschehen mag, und nicht die rechte griffe sind,
die der teufel scheuet oder fleucht. Er veracht
wol grösser ding. Es mus ein ernst hie sein.
Sondern da sihe auf, das du im rechten
glauben da stehest, gottes wort hörest und ernst-
lich mit betest. Denn wo der priester spricht:
ʻLast uns beten’, da vermanet er dich jhe, das
du mit ihm beten sollt. Auch sollen seins gebets
wort mit ihm zu gott im herzen sprechen alle
paten und die um her stehen. Darumb sol der
priester diese gebet fein deutlich und langsam
sprechen, das es die paten hören und vernemen
kunden, und die paten auch einmütiglich im
herzen mit dem priester beten, des kindlins not
aufs aller ernstlichst für Gott tragen, sich mit
ganzem vermügen fur das kind wider den teufel
setzen und sich stellen, das sie es ernst lassen
sein, das dem teufel kein schimpf ist.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften