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Die Kirchenordnungen. Ernestinisches Sachsen.
wie man die schwachen tröstet, die wilden strafet,
und was mehr zu solchem ampt gehöret, ist nie
gedacht worden. Eitel juncker und brasser sind
es worden, die den leuten das ihr verzereten,
und nichts, ja eitel schaden dafür theten. Und
ist also dis ampt, gleich wie alle heilige christ-
liche alte lere und ordnung, auch des teufels und
endechrists spott und gauckelwerck worden, mit
greulichem, erschrecklichem verderben der seelen.
Denn wer kan erzelen, wie nütze und not
solch ampt in der christenheit sei ? Am schaden
mag mans mercken, der daraus komen ist, sint
der zeit es gefallen und verkeret ist. Ist doch
kein lere noch stand recht oder rein blieben,
sondern dagegen so viel greulicher rotten und
secten aufkomen, als die stift und klöster sind,
dadurch die christliche kirche gar unterdruckt
gewest, glaube verloschen, liebe in zanck und krieg
verwandelt, evangelium unter die banck gesteckt,
eitel menschen werck, lere und treume, an stat
des evangelii regirt haben. Da hatte freilich der
teufel gut machen, weil er solch ampt darnider
und unter sich bracht, und eitel geistliche larven
und münchkelber aufgericht hatte, das ihm niemand
widerstund, so es doch grosse mühe hat, wenn
gleich das ampt recht und vleissig im schwang
gehet, wie Paulus klaget zun thessalonichern,
corinthern und galatern, das auch die apostel
selbs alle hende vol damit zu schicken hatten,
was solten denn die müssige faule beuche hie
nutz schaffen?
Demnach *), so uns itzt das evangelium
durch unaussprechliche gnade Gottes barmherzig-
lich wider komen, oder wol auch zuerst aufgangen
ist, dadurch wir gesehen, wie elend die christen-
heit verwirret, zurstreuet, und zurissen ist, hetten
wir auch dasselbige recht bischoflich und besuch-
ampt, als aufs hohest von nöten, gerne wider an-
gericht gesehen. Aber weil unser keiner dazu
berufen, oder gewissen befelh hatte, und S. Petrus
nicht wil in der christenheit etwas schaffen lassen,
man sei denn gewis, das gottes gescheft sei,
hat sichs keiner für dem andern thüren unter-
winden. Da haben wir des gewissen wollen spielen
und zur liebe ampt (welchs allen christen gemein
und geboten) uns gehalten, und demütiglich* 2)
x) Die aus Anlass der Reformation Herzog Hein-
richs von Sachsen 1539 veranstaltete neue Ausgabe
[Wittenberg 1539] liest statt „Demnach so . auf-
gangen ist“: „Demnach, so uns itzund das evangelium
durch uberreiche, unaussprechliche gnade gottes wider-
komen und helle wider aufgangen ist“.
2) Die vorstehend erwähnte Ausgabe Witten-
berg 1539 hat von hier an folgenden Schluss der
Einleitung: „mit unterthäniger vleissiger bitte, den
kurfürsten zu Sachsen unsern gnedigsten h. an-
gelanget, als den landesfürsten, und unser gewisse
weltliche oberkeit von gott verordnet, das s. k. g.
aus christlicher liebe, und umb gottes willen, dem evan-
mit bitten angelangt, den durchleuchtigsten hoch-
gebornen fürsten und herrn, herrn Johans, herzog
zu Sachsen, des röm. reichs erzmarschalck und
kurfürst, landgrafen in Düringen, marggrafen zu
Meissen, unsern gnedigsten herrn, als den lands-
fürsten und unser gewisse weltliche oberkeit, von
gott verordnet, das s. k. f. g. aus christlicher liebe
(denn sie nach weltlicher oberkeit nicht schuldig
gelio zu gut, und den elenden christen in s. k. g.
landen, zu nutz und heil, gnediglich wolten etliche tüch-
tige personen zu solchem ampt fordern und ordnen.
Welchs denn s. k. g. also gnediglich, durch gottes
wolgefallen, gethan, und angericht, und im kurfürsten-
thum, und allenthalb in .s. k. g. landen etliche visi-
tatores verordnet.
Und so nun der durchleuchtige hochgeborne fürst
und herr, herr Heinrich herzog zu Sachsen, landgraf
in Düringen, und marggraf zu Meissen etc. unser gne-
diger herr, itzund nach absterben herzog Georgen,
s. f. g. brudern, in seiner f. g. so ehrlichem alter, von
gott dem barmherzigen himlischen vater, so ganz
gnediglich wunderbar, und mit grossem uberschweng-
lichen reichthum göttlicher gnaden, aller seligen bene-
deiung und segens begabet, das s. f. g. die selbige lere
des heiligen evangelii Jhesu Christi unsers heilands,
und die reine göttliche warheit, wie zuvor in. etlichen,
also itzund in allen irer fürstlichen gnaden landen
und fürstenthum geprediget, geleret, und treulich aus-
gebreitet, wissen wollen, haben s. f. g. dem selbigen
exempel des kurfürsten zu Sachsen, unsers gnedigsten
herrn, s. f. g. vettern, nachgefolget, und zu bestellung
der kirchen und religionsachen, zu ausbreitung der
reinen christlichen lere, auch visitatores zu diesem an-
fang, und erster visitation verordnet die ehrwürdigen,
hochgelarten, ehrnvhesten, gestrengen und achtbarn
herrn, Justum Jonam, der heiligen schrift doctor,
probst zu Wittemberg, und Melchiorn von Creytzen
amptmann zu Colditz und Leisnick, der recht doctor,
M. Georgium Spalatin, Casparn von Schönberg auf
Rheinsperg, und Rudolf von Rechenberg. Gott gebe,
das es ein selig exempel sei, und werde, allen andern
deudschen fürsten fruchtbarlich, nachzuthun welches auch
Christus' am letzten reichlich vergelten wird, Amen.
Und nach dem denn s. f. g. mit uns dasselbig
evangelium Christi, die selbige reine lere der gnade,
(welche die ganz ware christliche kirche eintrechtig
und gleichförmig füret) befolhen zu predigen, und in
allen kirchen, versamlung, pfarren etc. zu leren.
So haben s. f. g. den selbigen unterricht der visi-
tator an die pfarherr, welcher im kurfürstenthumerst-
lich ausgangen, umb einigkeit, gleichförmigkeit willen
der lere, auch mit den selbigen worten, zu anfang und
erster pflanzung des evangelii, in druck ausgehen
lassen, darnach sich mit der lere in irem predigampt,
mit den gottesdiensten und ceremonien, alle pfarherr,
seelsorger, diacon, prediger, kirchendiener, zu richten
haben.
So wünschen wir nu, wie Petrus der apostel seine
epistel beschleust, das der gott aller gnaden, welcher,
durch sein evangelium berufen, uns hat zu seiner
ewigen herrligkeit, in Christo Jhesu, bei diesem an-
gefangenen werck, durch seinen geist beistand, gött-
lich schutz, schirm, gnade und segen gnediglich alle
zeit sein wolle, und alle gottfürchtige hertzen in er-
kenntnis des seligen evangelii und reinen göttlichen
warheit vollend bereiten, stercken, kreftigen, gründen,
dem selbigen lieben vater und Gott, dem unvergeng-
lichen, unsichtbarn, und allein weisen, sei ehre und
preis, von ewigkeit zu ewigkeit, Amen.“
Die Kirchenordnungen. Ernestinisches Sachsen.
wie man die schwachen tröstet, die wilden strafet,
und was mehr zu solchem ampt gehöret, ist nie
gedacht worden. Eitel juncker und brasser sind
es worden, die den leuten das ihr verzereten,
und nichts, ja eitel schaden dafür theten. Und
ist also dis ampt, gleich wie alle heilige christ-
liche alte lere und ordnung, auch des teufels und
endechrists spott und gauckelwerck worden, mit
greulichem, erschrecklichem verderben der seelen.
Denn wer kan erzelen, wie nütze und not
solch ampt in der christenheit sei ? Am schaden
mag mans mercken, der daraus komen ist, sint
der zeit es gefallen und verkeret ist. Ist doch
kein lere noch stand recht oder rein blieben,
sondern dagegen so viel greulicher rotten und
secten aufkomen, als die stift und klöster sind,
dadurch die christliche kirche gar unterdruckt
gewest, glaube verloschen, liebe in zanck und krieg
verwandelt, evangelium unter die banck gesteckt,
eitel menschen werck, lere und treume, an stat
des evangelii regirt haben. Da hatte freilich der
teufel gut machen, weil er solch ampt darnider
und unter sich bracht, und eitel geistliche larven
und münchkelber aufgericht hatte, das ihm niemand
widerstund, so es doch grosse mühe hat, wenn
gleich das ampt recht und vleissig im schwang
gehet, wie Paulus klaget zun thessalonichern,
corinthern und galatern, das auch die apostel
selbs alle hende vol damit zu schicken hatten,
was solten denn die müssige faule beuche hie
nutz schaffen?
Demnach *), so uns itzt das evangelium
durch unaussprechliche gnade Gottes barmherzig-
lich wider komen, oder wol auch zuerst aufgangen
ist, dadurch wir gesehen, wie elend die christen-
heit verwirret, zurstreuet, und zurissen ist, hetten
wir auch dasselbige recht bischoflich und besuch-
ampt, als aufs hohest von nöten, gerne wider an-
gericht gesehen. Aber weil unser keiner dazu
berufen, oder gewissen befelh hatte, und S. Petrus
nicht wil in der christenheit etwas schaffen lassen,
man sei denn gewis, das gottes gescheft sei,
hat sichs keiner für dem andern thüren unter-
winden. Da haben wir des gewissen wollen spielen
und zur liebe ampt (welchs allen christen gemein
und geboten) uns gehalten, und demütiglich* 2)
x) Die aus Anlass der Reformation Herzog Hein-
richs von Sachsen 1539 veranstaltete neue Ausgabe
[Wittenberg 1539] liest statt „Demnach so . auf-
gangen ist“: „Demnach, so uns itzund das evangelium
durch uberreiche, unaussprechliche gnade gottes wider-
komen und helle wider aufgangen ist“.
2) Die vorstehend erwähnte Ausgabe Witten-
berg 1539 hat von hier an folgenden Schluss der
Einleitung: „mit unterthäniger vleissiger bitte, den
kurfürsten zu Sachsen unsern gnedigsten h. an-
gelanget, als den landesfürsten, und unser gewisse
weltliche oberkeit von gott verordnet, das s. k. g.
aus christlicher liebe, und umb gottes willen, dem evan-
mit bitten angelangt, den durchleuchtigsten hoch-
gebornen fürsten und herrn, herrn Johans, herzog
zu Sachsen, des röm. reichs erzmarschalck und
kurfürst, landgrafen in Düringen, marggrafen zu
Meissen, unsern gnedigsten herrn, als den lands-
fürsten und unser gewisse weltliche oberkeit, von
gott verordnet, das s. k. f. g. aus christlicher liebe
(denn sie nach weltlicher oberkeit nicht schuldig
gelio zu gut, und den elenden christen in s. k. g.
landen, zu nutz und heil, gnediglich wolten etliche tüch-
tige personen zu solchem ampt fordern und ordnen.
Welchs denn s. k. g. also gnediglich, durch gottes
wolgefallen, gethan, und angericht, und im kurfürsten-
thum, und allenthalb in .s. k. g. landen etliche visi-
tatores verordnet.
Und so nun der durchleuchtige hochgeborne fürst
und herr, herr Heinrich herzog zu Sachsen, landgraf
in Düringen, und marggraf zu Meissen etc. unser gne-
diger herr, itzund nach absterben herzog Georgen,
s. f. g. brudern, in seiner f. g. so ehrlichem alter, von
gott dem barmherzigen himlischen vater, so ganz
gnediglich wunderbar, und mit grossem uberschweng-
lichen reichthum göttlicher gnaden, aller seligen bene-
deiung und segens begabet, das s. f. g. die selbige lere
des heiligen evangelii Jhesu Christi unsers heilands,
und die reine göttliche warheit, wie zuvor in. etlichen,
also itzund in allen irer fürstlichen gnaden landen
und fürstenthum geprediget, geleret, und treulich aus-
gebreitet, wissen wollen, haben s. f. g. dem selbigen
exempel des kurfürsten zu Sachsen, unsers gnedigsten
herrn, s. f. g. vettern, nachgefolget, und zu bestellung
der kirchen und religionsachen, zu ausbreitung der
reinen christlichen lere, auch visitatores zu diesem an-
fang, und erster visitation verordnet die ehrwürdigen,
hochgelarten, ehrnvhesten, gestrengen und achtbarn
herrn, Justum Jonam, der heiligen schrift doctor,
probst zu Wittemberg, und Melchiorn von Creytzen
amptmann zu Colditz und Leisnick, der recht doctor,
M. Georgium Spalatin, Casparn von Schönberg auf
Rheinsperg, und Rudolf von Rechenberg. Gott gebe,
das es ein selig exempel sei, und werde, allen andern
deudschen fürsten fruchtbarlich, nachzuthun welches auch
Christus' am letzten reichlich vergelten wird, Amen.
Und nach dem denn s. f. g. mit uns dasselbig
evangelium Christi, die selbige reine lere der gnade,
(welche die ganz ware christliche kirche eintrechtig
und gleichförmig füret) befolhen zu predigen, und in
allen kirchen, versamlung, pfarren etc. zu leren.
So haben s. f. g. den selbigen unterricht der visi-
tator an die pfarherr, welcher im kurfürstenthumerst-
lich ausgangen, umb einigkeit, gleichförmigkeit willen
der lere, auch mit den selbigen worten, zu anfang und
erster pflanzung des evangelii, in druck ausgehen
lassen, darnach sich mit der lere in irem predigampt,
mit den gottesdiensten und ceremonien, alle pfarherr,
seelsorger, diacon, prediger, kirchendiener, zu richten
haben.
So wünschen wir nu, wie Petrus der apostel seine
epistel beschleust, das der gott aller gnaden, welcher,
durch sein evangelium berufen, uns hat zu seiner
ewigen herrligkeit, in Christo Jhesu, bei diesem an-
gefangenen werck, durch seinen geist beistand, gött-
lich schutz, schirm, gnade und segen gnediglich alle
zeit sein wolle, und alle gottfürchtige hertzen in er-
kenntnis des seligen evangelii und reinen göttlichen
warheit vollend bereiten, stercken, kreftigen, gründen,
dem selbigen lieben vater und Gott, dem unvergeng-
lichen, unsichtbarn, und allein weisen, sei ehre und
preis, von ewigkeit zu ewigkeit, Amen.“