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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0222
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194

Die Kirchenordnungen. Ernestinisches Sachsen.

von der kirch1) in die schul komen, ist gut das
man ein umbfrage halde was jedes kind von der
predigt gemerkt hat 2).
Nach mittag soll man die kinder ein stund
leren die geistlichen lieder, so itzund in der kirchen
vil gesungen werden, darnach soll man horen was
inen morgens furgeben ist ob sie dasselbig kennen
und inen anders vorgeben3), und aber fürlesen
nach jeder geschicklickeit.
Und dises lesen mag man uben in den teutz-
schen kinder buechlein, vater unser etc. item in
dem neuen testament.
Dise kinder sollen auch zum schreiben ge-
halden werden, so bald sie die buchstaben kennen,
doch soll man sie nicht uberladen, dorumb auch
nicht mehr dan zwo lectiones, eine vormittag die
ander nach mittag geordnet sollen werden.
Man soll sie auch nit beschweren mit frue
aufstehen 4).
Welche nue lesen konnen, sollen ausgesondert
werden, und man solls mit inen also halden.
Morgens sollen sie auch mit dem ganzen
haufen beten und allweg, so sie einen der ob-
geschrieben psalmen gelernt haben, ein andern
furnemen.
Und denselben soll man furgeben des hern
doctor5) Martin6) Luthers clein catechismus 7) oder
kinderlere, und sollen teglich8) ein stuck der-
selbigen aussen lernen, welche sie morgens nach
dem gebet aufsagen. Und were gut das die schul-
meisterin inen kunt dabei ein clar unterricht thun,
dadurch sie solche frage deste9) bass vorstehen
lerneten.
Nach mittag soll auch diser hauf mit den
andern der christlichen lieder etliche singen.
Darnach damit sie das lesen in gut ubung
bringen, lass man sie ein evangelisten lesen, als
Matheum, oder ein leichte epistel, als die ersten
epistel Johannis, dobei auch ein schlecht einfaltig
auslegung gut were.
Mit solcher geringer ubung wurd inen dannoch
die schrift zum teil erkant, welchs sehr nutzlich
ist 10).
Was nu in der schuel uberiger zeit uber das
lesen ist, soll alles mit schreiben zugebracht werden,

1) Wu.: „kirchen“.
2) Wu.: „habe“.
3) „Ob — vorgeben“ von andrer Hand.
4) Hier fehlt in Wu.: „Item gut ist, das neben
diesem leren dennoch die kinder bei iren eldern auch
spinnen und dergleichen lernen, so vil es die zeit leiden
will“, ein Passus, der oben erst später steht.
5) Wu.: „D“.
6) Wu.: „Martinus“.
7) Wu.: „katechismum“.
8) Wu.: „teglichen“.
9) Wu.: dester“.
10) Wu.: „mit solcher geringer — sehr nützlich ist“
fehlt.

darzu das jung volk mit sonderlichem vleis ge-
halden werden soll, denn so sie nicht schreiben
ist nicht moglich, das sie fertig lesen lernen.
Dise mogen auch zu der kirchen nach gelegen-
heit jedes orts gehalten werden.
Es ist auch gut das neben disen leren dan-
noch die kinder bei iren eldern auch spinnen und
dergleichen lernen, sovil es die zeit leiden will1).
Dise weise zu lernen ist eben2) genug zum
anfang3). Gott gebe gnad4) und gluck darzu,
Amen.
Was uber gemeine verordnung den
hauptleuten und schossern befohlen5),
Von buchern.
Ferner zu gedenken, das der amptmann,
schosser oder seins abwesens der schosser oder
ander6) sein bevelhaber in der jarrechnung aller
pfarrkirchen guten vleis haben soll, das von einer
jeden kirchen einkommen den eingepfarten selbs
zum pesten und zu irer seelen heil und selickeit
folgende bucher erkauft eingebunden und in jede
pfarr verordnet sollen werden, auch neben andern
inventarien bei den pfarrn allwegen zupleiben, in
ansehung das oftmals die pfarrer der besten bucher
aus armut nicht vermogen zu kaufen, und darüber
die leut ubel verseumet werden, welchs mit gottes
hulf zum teil domit zuverhüten, und sollen nem-
lich dise nachfolgende bucher sein, 1. die lateinisch
bibel, 2. die deutsch ganz biblien Dr. Martin
Luthers7), 3. postillen von der zeit, 4. postillen
von den festen, alle doctor martin luthers, 5. locos
communes d. philippi, 6. unterricht der visitatoren,

1) S. oben S. 194 Spalte 1 Anm. 4. Hier hat Wu.
noch einige Ausführungen:
Man soll die meidlein vor allen dingen, zu gottes
forcht, wort und erbarkeit halten, inen auch unzüchtige
wort und geberde fluchen und schelden keines wegs
gestaten.
Allezeit vor und nach mittag anfahen und schliessen
mit dem lieben vater unser glauben und zehen geboten.
Man soll die meidlein sonderlich bitten für die
fürfallende noth, die meidlein sollen alle feier und son-
tag mit der schulmeisterinne zur nachmittagspredigt
kommen, darnach des folgenden tags ein jedes meidlein
fragen was es aus der predigt gelernt habe.
Man soll die kinder auch nicht zu hart halten,
der hoffnung wo man diese ordnung helt, gott werde
sein liebe gnade und gedeien darzu geben.
So oft man den catechismum predigt, sol man die
meidlein darzu halten und was man fur ein artikel pre-
digt, das gesang im beschlus darauf zu singen.
2) „eben“ fehlt in Wu.
3) „zum anfang“ fehlt in Wu.
4) Wu. hat hier noch „gedeien“.
5) Dieser Abschnitt und der folgende „Vom inven-
tarium“ stehen bei R. hinter „der kirchner bevelch“.
Vgl. oben S. 191 Anm. 4. Bei R. heisst der Titel:
„Was den hauptleuten und schosser weiter befolen.“
6) R.: ander“ fehlt.
7) R.: „Doctor Martin Luthers“ fehlt.
 
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