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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0288
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260

Die Kirchenordnungen. Albertinisches Sachsen.

und wohl können erhalten; und sonderlich sehen
wir für gut an, obgleich in etlichen städten die
pfarrer mit eckern, wiesen und solchen gütern
gewidmet weren das sie nit auf der haussorge
und muhe stunden das solche ecker, wiesen
und güter um ein jährlich genannt geld und zins
ausgethan und den pfarrern ein genanntes an gelde
und korn sollte davon gereicht werden. Reichts
aber auf solche anzahl der nothdürftigen personen
zu bequemen und gebührlichen besoldung nicht
zu, und mangelt etwa an einem wenigen, so soll
gehandelt werden, damit gegen den abgang der
opfer und anderer beschwerungen, so das volk der
pfaffen, mönch und bettler halber hiervor ertragen,
etwas auf die personen oder güter, an geld oder
korn jährlich zu erlegen geschlagen werde, und
sonderlich bis so lang die vicareien und lehen
sich werden verledigen, welche die priester noch
inne haben, die damit belehnt sein werden. Wo
auch andere klöster dan bettlerordens in unsern
städten sein oder auserhalb, und doch die pfarren
in etzlichen unsern städten bisher gehabt, mit
denen sollen unsere vorordente visitatores handeln,
nach gelegenheit jetziger zeit und aus bewegenden
ursachen und bei ihnen versuchen, dieweil ihnen
vorzeiten die pfarrgüter zu ihren klöstern geschlagen
und incorporirt, dass sie auf etliche eins oder zwei
jahre ungefährlich ein genanntes zu unterhaltung
der jetzt verordneten pfarrer, prediger und
kirchendiener jedes jahr reichen und geben wollen.
Dergleichen wollen wir auch gemeinet haben,
so die canonici, regulares, commether, deutsches,
johanniter oder ander ritter bruder ordens solche
pfarren bisher versehen und inne gehabt hätten,
nachdem auch in städten und flecken etliche
sondere bürger, dergleichen etliche von adel lehen
zu verleihen oder zuerst etliche stiftung zu thun
haben (der sie sich zuvor zu ihren nutz möchten
unterziehen, wo es nit verkommen würde) der-
selben lehen und stifte halben sollen die visitatores
verordnen : wenn sich solche lehen durch absterben
der jetzigen inhaber und priester verledigen oder
ledig durch diese unsre ordnung fallen, dass als-
dann solche lehen und stifter keines weiter soll
verliehen, sondern wo es verledigt, uns, als dem
landesherrn, angezeigt werden. So sind wir ge-
neigt, dieselben nach gelegenheit in gemeine
kasten zu unterhaltung der kirchendiener oder
geschickter studenten und anderen milden sachen
zu schaffen und zu verordnen. Und sollen auch
die visitatores derjenigen halben so bisher solche
geistliche lehen zu verleihen von unsere wegen
vertröstung thun, dass wir bedacht sein mit gött-
licher verleihung eine weitere verordnung zu machen,
damit darnach ihnen und ihren kindern im fall der
nothdurft für andere in obgemeldeten und andern
billigen fällen hülfe gethan und gereicht soll werden. |

Es ist uns aber nicht entgegen, wo sich nach
dieser jetzigen unserer visitation eine pfarre ver-
ledigen und dann mit einem andern wolle bestellt
werden, dass derjenige so hier zuvor dieselbe zu
vorleihen gehabt, von demselben priester ersucht,
damit er von ime dem superattendenten jedes orts
präsentirt und dann nach erfindung soliderer ge-
schicklichkeit von uns confirmirt werde.
Und wie wohl auch kloster- oder andere geist-
liche sind, die von dem pfarrherrn in unsern
städten bisher jährliche pension gehabt und billig
wäre, dass dieselben abgeschafft, damit solche,
was pensionsweise bisher berührten klöstern oder
geistlichen gefolget, pfarrern, und kirchendienern
hinführo zur unterhaltung bliebe: und auch im
papstthum eine person oft zwei, drei und mehr
geistliche lehen an sich bracht und doch nur an
einem ort in-, auch auserhalb unserer lande resi-
dirt, solche lehen, darauf eine person in unsern
städten nicht residirt, sondern durch offizianten
bestellt haben, derselbigen lehen einkommen auch
billig zu unterhaltung der kirchendiener in dem
gemeinen kasten des orts verordnet und den vorigen
inhabern solcher lehen hinfort nicht wieder folgen
sollten.
Doch dieweil disputirlich fürfallen möchte, da
wir solche änderung jetziger zeit in stehenden
frankfurtischen anstand und handlung thun sollten,
dass uns derhalben aufgelegt möchte werden, als
hätten wir in solchen sachen wider denselben an-
stand gehandelt und denselben zuwider die per-
sonen ihres einkommens entsetzt; so sollen die
visitatores aus dieser ursachen in dem jetztmals
nichts endliches verfügen, sondern sich derhalben
an jedem ort, wie es darum eine gelegenheit hat,
mit allen umständen der personen, lehen und
pensionen allenthalben erkunden, auch uns ir be-
denken und wie solches allenthalben weiter füg-
lich geordnet sollte werden, vermelden, damit wir
uns zu seiner gelegenheit alsdann darin zu erzeigen
und endliche ordnung zu machen haben mögen,
so thun wir auch den visitatoren hierbei wartzu
solchen artikel des frankfurtischen anstandes, sich
in dem und andern darnach weiter zu achten
haben mugen, zustellen 1).

1) In Frankfurt a. M. wurde nämlich am 24. Februar
1539 eine Verhandlung zwischen den katholischen und
protestantischen Ständen begonnen, und am 19. April
der Beschluss gefasst, dass vom ersten Mai an auf
15 Monate ein Stillstand sein und Niemand die Evan-
gelischen der Religion halber mit Krieg überziehen
solle. Der oben angeführte Artikel lautete: „Es sollen
auch die oftgemeldeten der augsburgischen confession
und derselben religion zugewandte stände in zeit dieses
anstandes der funfzehn monat die geistlichen wo die
wohnen, in oder auserhalb des landes, das zinsgeld
und liegende güter, so sie noch unter handen und
bisher eingenommen haben, nicht entsetzen, noch ent-
nehmen.“
 
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