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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0354
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326

Die Kirchenordnungen. Albertinisches Sachsen.

Der schulmeister mit seinen gehülfen sollen
mit rath und vorwissen des pfarherrs auf und an-
genommen, und hierüber keiner eingedrungen oder
entsetzt werden.
Die knaben sollen sie mit fleiss instituiren
im catechismo, grammatica, musica, und sich hier-
innen auch nach dem büchlein des ehrwirdigen
und hochgelarten doctoris Martini Lutheri seligen,
des titul, underricht der visitatorn etc. richten,
und unvordrossen sein, mit den knaben zu decli-
niren, coniugiren, constructiones zu suchen, da-
neben sollen sie die kinder fleissig halten zum
langsam, klar und underschiedlich lesen, und pro-
nunciren, zum latein reden und schreiben, und
zu einer guten gemeinen leslichen schrift.
Sie sollen auch nicht als tyrannen mit den
kindern umbgehen, sondern mit vornunft und
mass dieselbigen züchtigen mit der ruten ane vor-
wundunge oder bescheidunge des leibes und ge-
sundheit.
Die schuldiener sollen sich auch in den
kirchen mit singen und anderm nach ordenunge
und befehlich des pfarherrn vorhalten.
Dorf-cüster.
Es sollen die kirchner oder glöckner vom
richter, kirchvätern, und eldisten aus der gemeine
mit vorwissen des pfarherrn gewelet und förder
dem consistorio oder superattendenten präsentirt
und zugeschickt werden, welche inen verhören,
und, do er in examine geschickt befunden, zum
ambt confirmiren und bestetigen sollen* und dem-
nach so sol wider des pfarherrs willen keiner an-
genommen oder eingedrungen werden in betrach-
tung, das sie in vorrichtunge der kirchen - ämpter
bei einander sein und einander helfen müssen,
auch ein jeder pfarherr in deme seinem glöckner
zu befehlen und zu gebieten hat, er ime auch
hierinnen billigen gehorsam zu leisten schuldig,
_ und nicht widerstreben sol. Würde aber vom kirchner
in kirchen-diensten einig vorsaumnis oder unfleis
befunden, und er vom pfarherrn hierumb gestraft
nicht folgen, noch sich bessern, besondern seines
eignen kopfs mutwillig leben wollen, so soll sich
der pfarherr desselbigen erstlich gegen den richter
und kirchvätern beklagen, und, da keine besserunge
volgen wolte, er der kirchner seines dienstes ent-
satzt, und ein ander gehorsamer und fleissiger an
seine stadt aufgenommen werden.
Doch sol kein pfarherr oder gemein sempt-
lich, vielweniger sonderlich, iren custodem ent-
urlauben oder wegstossen one vorgehende be-
schuldigung bei dem superattendenten, oder con-
sistorio , welche des pfarherrs und der gemeine
klage, und des cüstors entschüldigunge mit fleis
vorhören sollen, und nach befindung des handels
den cüstor an dem dienst helfen erhalten, oder

weg weisen, damit nicht ein unschuldiger armer
mann ex affectu one billiche ursach verstossen
werde.
Und do ein custos von nauen angenomen würde,
sol derselbe von der gemein auf ire oder der kirchen
(do sie des vermügens) unkosten, mit seinem ge-
rethe und gesinde geholet werden.
Die dorf-cüster sollen vorpflichtet sein, alle
sontage nach mittag, und in der wochen auch auf
einen gewissen tag die kinder den catechismum
und christliche deutsche gesenge mit fleiss und
deutlich zu lehren, und nachmals in den vor-
gesprochenen oder vorgelesenen artikeln des cate-
chismi wiederum zu vorhören und zu examiniren,
und do eins oder mehr filial zu der pfarr ge-
höreten, sol er mit solchem lehren mit rath seines
pastors dermassen abwechseln, das die jugent in
allen dörfern nach notturft underwiesen, und ja
nicht vorseumt werde.
Es sollen sich aber die kirchner sonderlich
befleissigen, das sie die gebete den kindern und
alden fein langsam, klar, deutlich und under-
schiedlich vorsprechen oder vorlesen, von wort zu
worten, wie sie im kleinen catechismo gedrucket
seind, und sollen nicht so frevel und kühn, oder
so unachtsam sein, das sie die wort vorendern,
vormehren, vorkürzen oder vorstümmeln anders,
dann das gedruckte exemplar vormag, dann da-
durch wird das junge volk ubel underwiesen, und
lernet nachmals einer von dem andern unrecht beten.
Damit auch die feiertage mit anhörung gottes
worts recht geheiliget, und gott allzeit gelobet,
dieselbige mit müssiggang und anderm ergerlichen
wesen nicht ubel zubracht werden, so sollen die
kirchner an denen orten, da die pfarkirchen filial
haben, so ofte der pfarherr an derselbigen orte
einem früe predigt, mitler zeit dem volke an
andern orten, do sie des pfarherrn predigt nicht
hören können, die epistel und evangelium des-
selbigen sontags vorlesen, und etzliche christliche
deutsche lieder singen. Wann aber der pfarherr
desselbigen orts nach mittage predigt, sol der custos
alsdann am andern orte der jugent den catechis-
mum vorlesen, und mit inen fleissig uben.
Es sol aber keinem glöckner, der nicht exami-
niret und ordinirt, hierüber zu predigen nach-
gelassen, do sie aber examinirt und ordinirt, und
auch das diaconat - ampt mit zu vorsorgen berufen
weren, sol inen nicht allein zu predigen, besondern
auch andere kirchen-ambt mit beicht hören, sacra-
ment reichen und anderm vorgunst und nach-
gelassen werden.
Es sollen die pfarherrn ire glöckner ferner nicht,
dann soviel ir kirchen-dienst belanget, mit boten
laufen, oder anderm zu irem eigenen nutz, dringen
oder beschweren, besondern ihres befohlenen diensts
zu jeder zeit unvorhinderlich abwarten lassen.
 
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