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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0361
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32. General-Artikel und gemeiner Bericht. Vom 8. Mai 1557.

333

(weil die eltern hierinne allzugütig sein) der obrig-
keit vermeldet werden, welche sie auch vormöge
der recht strafen sollen.
Alle und jede gerichtshaber und vorwaltere
sollen auch mit ernst daran sein, damit dem greu-
lichen gotteslestern und fluchen, der schentlichen
seuferei, dem grossen unmessigen pracht und un-
kosten, der auf den hochzeiten, vorlöbnussen, kind-
taufen und dergleichen gastungen gebraucht wird,
vormöge s. cliurf. g. landes-ordnunge gesteuert,
auch die unförmliche schendliche und allzuprechtige
kleidunge, und dergleichen mehr unordenungen ab-
geschafft werden, und nicht (wie viel geschicht)
selbst mit ihrem bösen exempel und beispiel zum
kegenspiel ursach geben.
Dieweil auch aus den langwirigen panketen
und zechen in der nacht viel und mancherlei
laster entspringen , auch das kirchen - ampt nicht
wenig dadurch gehindert und deformirt wird, sol
die obrigkeit in stedten auf wege und ordenunge
denken, das solch lang sitzen abgeschafft, und eine
zeit und stund, nach gelegenheit des orts ernennet,
und mit einer glocken geleut angezeigt werde,
uber welche niemand, hochzeit - geste und andere
zech-leute halten , oder in gastereien und zechen
oder hochzeiten sitzen dörfe, oder aber einer straf
gewertig sein.
Es ist auch sehr eine schendliche gewonheit
eingerissen auf den dörfern, das die bauern auf
und an den hoben festen, als weihnachten, und
pfingsten, ire säuferei bald am abend des festes
anfangen, und die nacht uber treiben, und morgens
die predigt entweder gar verschlafen, oder trunken
in die kirchen kommen, und darinnen, wie die
seu, schlafen und schnarchen.
So sol auch an den orten, da das vogel-
schiessen nicht genzlich abgethan werden mag,
ehe nicht dann auf den dienstag in pfingsten zu
schissen angefangen, und uber denselben tag
nicht kein gemein bier dabei oder nach getrunken
werden.
In etlichen orten misbrauchen die bauern ire
kirchen, welche ein bethaus sein sol, für einen
kretzschmar oder bier-keller, schroten das pfingst-
bier darein, damit es frisch bleibe, und saufens
daselbst aus mit gotteslesterunge und fluchen, und
dörfen wol in der kirchen die priester und das
ministerium verechtlich verhönen und verspotten,
treten auf die canzeln, richten predigten an zum
gelechter, umb welcher missbrauch und uber-
tretunge willen nicht allein die bauern von ihren
erb-herrn und amptleuten, sondern auch die obrig-
keit selbst von s. cliurf. g. sollen ernstlich gestraft
werden, das sie solche verachtunge des predigt-
ampts und missbreuch des gottes-haus den bauern
gestatten und erlauben.
Wie dann gott selbst in diesem vergangenen

fünf und funfzigsten jare das bauersvolk sonder-
lich vorwarnet und erinnert hat, von solchen
schwelgen abzustehen, da er eben am pfingst-
sontag unter der predigt an viel orten das liebe
getreidich auf dem felde jemmerlich mit einem
erschrecklichen wetter in die erden geschlagen,
und in etzlichen örtern, da das pfingst-bier in
glocken thurn gelegen ist, und die bauern gewis-
lich mehr ire gedanken auf die fürhabende des-
selbigen tags seuferei, dann auf die predigt oder
zum gebet gericht hatten, in die kirchen mitten
in den chor mit dem feuer-stral geschossen hat,
welches exempel billich jederman erschrecken, und
zu gottesfurcht reizen und treiben sol.
Desgleichen ist ein gefehrlichs schedlichs
schwelgen auf den bauers-hochzeiten in dörfern
under den gesellen, welche die ganze nacht an
einander mit grossen gotteslestern, fluchen, un-
züchtigen worten und werken das gesellenbier
saufen, daraus bisweilen balgen und mord, hurerei,
und allerlei greuliche unzucht erfolget.
Solche ungeräumbte gefehrliche schwelgerei,
die ursach giebt zu den allerhöchsten lastern,
sünden und schanden, sol billich von aller christ-
lichen obrigkeit mit ernst abgeschafft und bei
harter straf vorboten werden, wo wir anders nicht
wollen mit solcher hinlessigkeit und durch die
finger sehen gottes grausamen zorn und straf uber
uns selber laden und heufen, welche bei solchen
lastern nicht pflegen aussen zu bleiben, wie der
liebe Paulus spricht, last euch niemand verfüren
mit vergeblichen worten, dann umb dieser laster
willen (darunter auch die oberzelten vormeldet)
kompt der zorn gottes uber die ungehorsamen.
Und da sie ja wollen den bauern das pfingst-
und ander gemeine bier erlauben, sollen sie inen
doch nicht gestatten, acht, zehen, oder zwelf viertel
biers ires gefallens einzulegen, sondern inen eine
gewisse anzal nach der menige des volks vor-
gönnen, und gebieten, das sie dasselbige friedlich,
züchtig und bescheiden nach den feiertagen aus-
trinken bei aufgesetzter geld-straf, da von jemand
ein greulicher fluch, oder unzüchtige rede gehört
würde.
Weil auch ferner an s. cliurf. g. gelanget,
das in den kretschmarn hin und wider auf den
dörfern auf die sontage tenze gelegt, welche durch
das umbwonende junge volk, beide jungfrauen und
knechte, besucht, und daselbst nicht allein iren
vordienten liedelohn hierüber, auch ire angestorbene
güter oftmals unnützlich umbbringen und vor-
zehren , besondern auch viel andere unzucht und
leichtfertigkeit uben, an deme auch ungesettiget
mehrmals solche tenze bis in die tiefe nacht, da
sie im finstern heimgehen, und auf dem wege
beiderseits wol bezecht, unbedacht einiger sünde
oder schanden, sich zusammen finden, schwechen
 
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