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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0385
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38. Verordnung Kurfürst Augusts auf die Visitationen von 1574. 1575. 1577. Vom 28. Mai 1578. 357

durch die obrigkeiten in unsere ämpter, von denen
vom adel und stedten zur fröne, vorhör ihrer
suchen, einnehmung der gefelle, und anderm, das
in der wochen wol zuvorrichten gewesen, erfordert,
auch durch hasenjagten, und in viel andere wege,
vorhindert werden.
Nichts weniger werden in den stedten und
dörfern die leute vom gehör göttliches worts ab-
gehalten durch gest setzung, drummelschlagen und
andere seiten, auch karten, kugel und wurfelspiel,
krämerei, hierausschroten und führen, schützen-
höfe, die für endung der früe und mittags predigt
vorstattet werden. In deme wir uns besserer ord-
nung und regiments bei unsern stedten und under-
thanen getröstet hetten.
Also auch erfahren wir, das zu mehrmalen
kinder ihre eltern mit schmerzlichen ungehorsam
beleidigen, unehren, auch hand an sie zulegen
sich nicht scheuen, und dannoch ungestrafet bleiben.
Das auch ehbruch, hurerei und unzucht, ungeacht
unserer rechten ernsten dorauf gesatzten strafen,
so wol auch der eheleute ohne ursach und vor-
gehende rechtmessige loszelung, leichtfertiges vor-
lassen und eigenthetiges scheiden, schwengerung
für dem kirchgang, und ordentlicher des priesters
copulation, an allen orten unserer lande dermassen
gemein werden, das ernstes einsehen hoch von
nöten.
Der unchristliche ergerliche wucher wirdet,
wie ernste strafe auch wir dowider vorordnet,
durch arglistige unzimliche contract und partiten,
zu betrug und spot unserer gesetz und ordnung,
von tag zu tag zu verderb des negsten mit unserer
lande und underthanen untreglichem schaden, zum
höchsten gesteigert.
So ist auch nicht die geringeste klage, das
den kirchendienern ire besoldung, decem, garben,
opfergelt, auch die zwene groschen, so denen,
welche nur gertner und hausgenossen sein, oder
eingebauete heuslein haben, und der hufengroschen,
welcher denen so erb und güter haben, dem pfar-
herrn aber nur brot und opfer, und keinen decem
entrichten, im general auferleget sein, vortelhaftig
und untreulich gegeben, auch kasten und hospital
rechnungen an vielen orten lass und seumlich,
bei etzlichen aber mit grossem unbillichem kosten
und vorschwendung des kirchenguts, gehalten
werden.
Der kirchen güter und einkommen aber werden
in stedten und dörfern an ungewisse örter, do sie
nicht wieder zuerlangen sein, ausgelihen, von
vielen collatoribus aber, auch etzlichen pastoribus
an sich gezogen, gar nicht oder je langsam vor-
zinset, dahero denen, die ihren underhalt davon
haben, auch den kirchen selbst, die sich dessen in
gebeuden und andern notwendigen ausgaben trösten
sollen, grosser schade und unrichtigkeit erfolget.

Nicht wenigere klage ist, das der kirchen,
pfarherrn und hospital gütere an vielen enden
unvorreinet gelassen, von menniglich durch ab-
ackern und sonsten geschmelert, auch ihre gehölze
von den scheffern und gemeinen hirten vorödet,
und hart beschediget werden.
Die collecta, so zu underhalt der armen, und
besserung der kirchen einkommens geordnet, wird
an vielen orten nicht gesamlet. So seind auch
jedes orts eingepfarte etwas dohin zugeben, wie
billich es auch geschehe, unwillig und verdrossen.
Daneben ist unleugbar, das etzliche diener
des worts ihres berufs nicht gnugsam wahrnehmen,
sich in weltliche sachen, deren vom adel haus-
haltung und geschefte, vogelstellen, erznei geben,
unnötiges ausreisen, gastereien, hantierung, und
anders das ihrem ampt nicht wol anstehet, ein-
lassen, dadurch sie vom studieren, und ihrem
ampte abgehalten werden.
Hinwider so understehen sich politische
richter, und andere, sonderlich auf dörfern, in
der kirchen, do nichts den gottes wort geleret
werden sol, zugebieten, ihre suchen auszurufen,
zubauen, und nach ihrem gefallen ordnung und
befehl zu geben.
So ist auch ein gar gemeine klage, und er-
findet sich an der wahrheit, das die kirchen und
kirchenhöfe, der pfarherrn, diacon, und schul-
diener heuser, wann gleich durch unsere visitatores
befehlich bei namhafter straf geschehen, nicht ge-
bauet noch gebessert werden.
Und kompt uns sonderlich schmerzlich für,
das müssiggang, unablessiges schwelgen, saufen,
ubermass und pracht an kleidungen, unkosten auf
hochzeiten, kindteuften, und sonsten in viel andere
wege, fast bei allen stenden dermassen uberhand
nimpt, das unsere und unserer vorfahren wol-
gemeinte löbliche polizei ordnungen vorgesslichen
hindangesetzt werden, und je einer mit dem andern
zu unzeitigem tode, verschwendung des seinen,
und armut eilet, doraus, do es nicht abgestellet
wird, nichts gewissers, denn gottes straf, vor-
derben und verarmung unserer underthanen und
landstende, auch endlichen unserer lande unvor-
windlicher schade erfolgen mus.
Letzlich so erfahren wir aus den eingebrachten
berichten und bedenken so viel, das unseren aus-
gegangenen mandaten zu wider fast in gemein in
unsern ampten, so wol als in der prelaten, vom
adel, und der stedte gebieten, spinnestuben, un-
züchtige tenze bei tage und nacht, scheidabend,
faudenabent, und andere dergleichen sodomitische
vordechtige ergerliche mannes und weibes personen
zusammenkunften ohne straf vorstattet werden,
dadurch der jugent, die sonsten zum bösen geneigt
ist, zur unzucht und leichtfertigkeit von den obrig-
 
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