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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0408
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Die Kirchenordnungen. Albertinisches Sachsen.

sam erfaren, in der bibel belesen und geschickt
sei; wo sich aber das widerspiel befunden, die-
selben , da bei ihnen ihrer jugend und fleisses
halben hoffnung, wider zur schulen schicken, und
zu fleissigem studiren anhalten und vermanen.
Also ist auch unser wille je und allewege
gewesen, und noch, das keiner kirchen wider ihren
willen, ohne sonderliche und bewegliche ursachen,
ein kirchendiener aufgedrungen werde, sondern,
ungeacht das ein person darzu, vermög obgesatzter
ordnung, geschickt erfunden, dennoch dieselbige
zuvor und ehe ein prediger zu solcher kirchen
verordnet, dem superintendenten desselbigen ge-
zirks und dem amptman oder collatorn mit befehl
aus dem consistorio zugeschickt werden sol, welche
ihn in der kirchen, derer er fürstehen sol, zuvor
etliche öffentliche predigten, da es albereit nicht
geschehen, thun lassen, darauf nachmals der super-
intendent die pfarrkinder befragen sol, ob sie ihn
zum pfarrer oder kirchendiener, lehr und lebens,
seiner sprach halben, oder in andere wege leiden
mögen oder nicht, und da sie sich vernemen
lassen, das sie mit solcher person wol zufrieden,
alsdenn durch den ermelten superintendenten
widerumb zu dem consistorio berichten, dergestalt
die kirchen auch ihr ördentliche vocation haben
und behalten, und nachmals das consistorium
ferner mit ihm zuhandeln, und nach beschehener
confirmation aus dem synodo, auch darauf erfolgter
geleisten promission dem superintendenten be-
fohlen werden sol, den neuen pfarrer oder kirchen-
diener, vermöge nachfolgender ordnung, in gegen-
wart des amptmans oder collatoris und der ge-
meine, offentlich einzufüren und zu investiren.
Wie ein kirchendiener vor den con-
sistorialn, ehe er zu investieren be-
fohlen, seines ampts halben zu erinnern
und zuvermanen, darauf er auch pro-
mission thun sol.
Wann eine person auf gehalten examen und
beschehene probpredigt zum kirchendienst tüchtig
erkant, und durch die kirchen ördentlich vocirt
und berufen ist, auch das buch der concordien
mit eigener hand unterschrieben hat, das ihm der
lehr halben zutrauen, sol ihm vor endlicher ab-
fertigung auf die verordente pfarr, durch den
presidenten oder directorem des consistorii nach-
folgende erinnerung mit ernst fürgehalten werden.
Nachdem durch verordnung des allmechtigen
er zum kirchendienst ördentlich berufen und con-
firmirt, sol er mit besonderm fleis auf nachfolgende
ernstliche erinnerung und vermanung achtung
geben, nemlich:
Das er anfangs mit höchstem fleis bedenke
und zu herzen fasse, mit was grosser sorge, mühe,

fleis und arbeit, er das regiment der kirchen an-
nemen und verrichten sol.
Dann die kirche ist ein gespons Christi des
sohns gottes, welche Christus so herzlich liebet,
das er ihr das ewige leben zuerlangen vom himel
gestiegen, und sich mit allerlei menschlicher blöde
beladen, auch sein eigen blut vergossen und den
schmehlichsten tod auf sich genommen hat, damit
er sie von dem tode errettet. Darumb sol der
kirchendiener seinen besten müglichsten fleis
ankeren, das er die kirche nicht mit menschen
traum, sondern mit göttlicher himlischer lehr unter-
richte, damit sie durch den heiligen geist erwecket
werde, dem herrn Christo ihrem breutgam treu
und glauben zuhalten, und darinnen unverruckt
und unbefleckt zuverharren, nach dem exempel
Pauli, der da saget: Ich hab euch vertrauet einem
manne, das ich euch eine reine jungfrau Christo
zubrechte.
Und sol der kirchendiener allewege mit
höchstem ernst bedenken, da etwas an der kirchen
durch sein farlessigkeit, ungeschickligkeit oder
unfleis, der kirchen zu ergernis, schaden und un-
heil eingefüret oder verursacht würde, so wolle
unser herr gott, der himlische vater, ihr blut von
seiner, des kirchendieners, hand fordern.
Hierauf sol er predigen und leren die heilige
prophetische und apostolische schrift, welche mit
göttlichen himlischen wunderzeichen bestetigt, eine
lucern unserer füsse (wie der psalm sagt) und ein
licht auf unserm wege sind.
Und nachdem die erklerung solcher articul,
darinne man in glaubens sachen zu dieser zeit
streitig, in der augspurgischen unverenderten,
keyser Carolo V. anno 30. ubergebener confession,
derselben apologia, schmalkaldischen artikeln,
beiden catechismis Lutheri, und der jüngst zu
Torgau verglichenen, und in dem 1580. jahr publi-
cirten einhelligen erklerung, nach anweisung des
rechten wahren catholischen verstandes der pro-
phetischen und apostolischen schrift begriffen und
verfasset ist, so erfordert die notturft des kirchen-
ampts, das der kirchendiener in solchem articuln
seine lehre nach der erklerung und inhalt der-
selben schriften getreulich verrichte, dieselbe mit
fleis lese, und vorsichtig sei, das er von derselben
nicht weiche, noch sich einigen menschen darvon
auf einen irrweg füren oder abwenden lasse.
Dieweil auch das ampt und vocation des
kirchendieners erfordert, das er der kirchen nicht
allein mit reiner göttlicher lehre, sondern auch
mit gutem exempel und fürbild diene, auch die
lehre, soviel an ihm, mit seinem ehrlichen wandel
ziere, so erfordert abermals die notturft, das ein
jeglicher, so sich die kirchen zu regieren unter-
fehet, sein leben dieser gestalt durch gottes gnad
anschicke, das nicht allein alle seine geschefte und
 
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