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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0464
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436

Die Kirchenordnungen. Albertinisches Sachsen.

einigen menschen an zeigen, neue eheleute von der
kirchen aufgeboten, und nachmals darauf copulirt
werden, sollen allerlei gefahr und der daraus er-
folgenden beschwerungen des gewissens, blutschand,
leichtfertigkeit, und unzucht zuverhüten, die
kirchendiener nachfolgender ordnung jeder zeit
unnachlessig und gehorsamlich sich verhalten.
Erstlich, wenn neue eheleute sich bei dem
pfarrer jedes orts anmelden, sol der pfarrer sie
eigner person, und da sie noch im jungfrau stand,
auch ihre eltern, vormünder, oder nechste ver-
wandte, so bei dem verlöbnis gewesen, zu sich er-
fordern, und sie befragen, ob dis verlöbnis mit der
eltern oder vormundern wissen und bewilligung
geschehen, ob sich keines unter ihnen beiden hie-
vor mit einem andern ehelich verlobet, ob sie ein-
ander nicht mit blutfreundschaft oder schweger-
schaft verwandt, das sie nach göttlichen und keiser-
lichen rechten, auch unsers landes constitution
und jüngst ausgegangener eheordnung ein ander
nicht ehelich beiwohnen könten, und da zwischen
ihnen ein freundschaft, in welchem gradu. Der
pfarrer sol auch mit fleis erkundigen, ob sie
offentlich in der kirchen mit der gemeine gottes
das hochwürdige sacrament des leibes und bluts
Christi entpfangen haben, und da es junge leute,
ob sie auch iren catechismum gelernet, ohne
dessen erkentnis sie nicht aufgeboten werden
sollen.
So dann die neuen eheleut, sie sein jung
oder alt, welche sich aufzubieten begeren, nicht
in einer stadt oder einem dorf wohnen, sol der
jung gesell von dem pfarrer, in des kirchspiel die
jungfrau wohnet so ihme verlobet ist, ein zeugnis
nemen an seinen pfarrer, da er geboren oder er-
zogen , und sich daselbsten, als, da er bekant,
auch auf bieten lassen, und derhalben nachmals
diesem pfarrer ein zeugnis von seinem pfarrer
bringen, ohne welches ihn der pfarrer nicht auf-
.. bieten noch trauen sol.
Es sollen aber diese personen, so sich in ehe-
lichen stand zubegeben bedacht, zuvor drei sontag
nacheinander offentlich aufgeboten, und wann kein
hindernis befunden, alsdenn eingesegnet und zu-
sammen gegeben werden.
Nach dem auch auf den dörfern gemeiniglich
ausgaben gehalten, daraus grosse unordnung er-
folgen , das, ehe man auf den hochzeiten zur
kirchen gehet, der breutigam seine freundschaft
zu sich nimpt und sich in der jungfrauen vaters
hause verfüget, welcher gleicher gestalt seine
freundschaft bei sich versamlet, und lesset der
breutigam aufs neue umb die braut werben, dem
sie auch von neuem wieder zugesagt, dabei dann
an etzlichen orten auch wol unzüchtige wort ge-
fallen, und ungebürliche sachen mit grossem erger-
nis, besonders der jugent, getrieben werden,

darauf auch gleich wieder ein gefress angestellet
wird, welches der braut vater geben muss, dadurch
der pfarrer und das versandete volk in der kirchen
so lange aufgehalten, bis sie ir ergerlich gefrese
verrichtet, welche alsdann nach ihrer guten gc-
legenheit mit einander ganz und gar mit dem
breutigam nicht zur kirchen gehen, sondern im
dorf oder auf dem kirchhofe spazieren, schreien
und jauchzen, oder da sie den breutigam beleiten,
gemeiniglich trunken, toll und voll, zur kirchen
kommen, das sie weder mit gebürender zucht und
andacht gottes wort hören, noch für die jungen
eheleut umb den segen gottes beten, ist unser
ernstlicher wille und meinung, das solcher erger-
licher, unnützlicher gebrauch bei der ausgabe
genzlich abgeschafft, und bei ernster straf weder
essen noch trinken vorgetragen oder aufgesetzt,
sondern die braut nüchtern und züchtig zu der
kirchen geleitet, und hierüber also ernstlich durch
unsere amptleute jedes orts bei gebürender straf
gehalten werde, wie sie denn auch sonsten allen
unnützen, überflüssigen kosten, so auf den hoch-
zeiten und wirtschaften getrieben, dadurch oftmals
junge eheleut in grossen unwiederbringlichen
schaden geraten, den sie etwan die tage ihres
lebens nicht uberwinden, vermöge unserer aus-
gegangenen policeiordnung, genzlich, bei ver-
meidung aufgesatzter strafe, abschaffen und hin-
füro meiden, und durch die pfarrer ernstlich
vermanet werden sollen, das sie den heiligen ehe-
stand in messigkeit und mit aller gottes furcht
und christlicher zucht, wie christenleuten gebüret
und wol anstehet, zu ihrer zeitlichen und ewigen
wolfart anfahen mögen.
Damit auch vermöge göttliches befehls und
ordnung, der sabath geheiliget, und die leute von
dem gehöre göttliches worts nicht abgezogen werden,
sollen die hochzeiten nicht auf den sontagen oder
andern feiertagen, sondern auf den werkeltagen in
der wochen, oder da es einig bedenken oder ur-
sach, darumb es schedlich vorfallen solte, un-
geacht desselben eher nicht auf den sontagen
oder andern heiligen tagen, denn nach der vesper
und gehaltenem catechismo angefangen und voll-
bracht werden.
Weil auch zu zeiten mit etlichen personen
dispensirt worden, das sie im advent oder in der
fasten hochzeit gehalten, und aber dasselbig an
solchen orten fast für einen gemeinen gebrauch
und gewonheit angezogen werden wil, ob wol ver-
möge christlicher freiheit bei den christen ein tag
wie der ander, Gal. 4. jedoch, weil ermelte zeit
besonders auf die buss und passions predigt ge-
richtet, und also alles seine zeit hat, sol es noch-
mals durchaus bei dem gemeinen brauch bleiben,
die hochzeiten und wirdschaften auf ein andere
zeit geleget, wie hievor geschehen, und unnot-
 
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