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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0477
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40. Des durchlauchtigsten, hochgebornen fürsten u. herrn, herrn Augusten, herzogen zu Sachsen, Ordnung. 1580. 449

und spittelmeistern ernstlich handeln, das den
armen ihre gebür gegeben werde, und da solches
nicht erfolget, dasselbe jeder zeit zur ordentlichen
visitation anzeigen.
XXXIIII. Vorn gotteskasten.
Nach dem auch nicht allein grosse unordnung,
was die unterhaltung der umblaufendeu bettler
belanget, vorlauft, sondern auch durch dieselbige
grosse unzucht und greuliche laster mehrmals be-
gangen, wann das offentlich bettlen gestadtet, da-
durch die kinder, so von solchen bettlern geboren,
auf das bettlen und müssiggang von kindheit auf
gezogen und aus demselben in alle laster und
endlich verderben des leibes und der seelen ge-
raten , der ursach gott durch Mosen seinem volk
einen ernstlichen befehlich gethan, das allerding
unter ihnen kein bettler sein sol, inmassen auch
deshalben durch weiland unsern freundlichen
lieben brudern, churfürst Moritzen seligen und
uns ernstliche verordnung geschehen, aber darüber
nicht mit ernst gehalten worden, ist nochmals
unser ernstlicher wille und meinung, das nicht
allein vermöge unserer ausgegangenen policei-
ordnung mit ernst darüber gehalten, sondern auch
unser ferner befehlich, das jedes orts obrigkeit
mit zuthun der pfarrer und kirchendiener auf
nachfolgende ordnung bedacht sein und mit allem
fleis arbeiten sol, damit nach abschaffung des
ergerlichen und schedlichen umbstreichens der
bettler arme dürftige, so entweder mit leibes
schwachheit beladen, oder sonst ihr brod mit der
handarbeit nicht mehr erwerben können, nicht
verlassen werden, sondern ihre notturft haben
mögen.
Zum ersten sol alle sonn und feiertage in der
kirchen, wann die gemeine beieinander, das all-
musen jedes orts mit dem secklein gesamlet, und
die zuhörer durch die pfarrer und kirchendiener
vermanet werden, das niemand mit leeren henden
und ohne eine gottes gabe vor dem herrn er-
scheine.
Zum andern. Bei allen hochzeiten sol in der
kirchen ein becken oder von tisch zu tisch an
den orten da die hochzeit gehalten büchsen auf-
gesetzet und alle hochzeitgeste, da sonsten viel
geldes unnützlich verschwendet, zur milden gaben
den armen zu gute vermanet werden.
Zum dritten sol dergleichen auch allwege bei
der heiligen taufe in der kirchen oder bei dem
taufessen geschehen.
Zum vierden, wann kauf, tausch oder andere
dergleichen contract beschlossen und verschrieben
werden, keufer und verkeufer mit aufgesetzter
büchsen vermanet werden, das sie auch etwas in
den gotteskasten zu unterhaltung der armen
geben wollen.
Sehling, Kirchenordnungen.

Zum fünften. Also auch in den erbfellen,
wenn theilung der erbschaft vorgenommen, sollen
jeder zeit die büchsen aufgesetz und eine gottes-
gab für die armen von den erben gebeten werden.
Zum sechsten, was aus den verkauften kirchen-
stülen eingebracht, sol beneben dem kirchenbau
in gotteskasten zu erhaltung der armen verwendet
werden, wie hernach folget.
Zum siebenden sollen die pfarrer und kirchen-
diener kranke und besonders reiche und ver-
mögende leute mit gutem glimpf und bescheiden-
heit vermanen, das sie zu unterhaltung der armen
von ihrer verlassenschaft etwas verordnen wollen.
Zum achten, wenn leichpredigten gehalten,
das allweg ein becken an das ort gesatz, da die
leute für über gehen, so die leich beleitet, und
durch den pfarrer allzeit fleissig vermanet werden,
das den armen eine gabe von ihnen gegeben werde.
Zum neunden, dergleichen sol auch geschehen,
wenn die leute zum hochwirdigen sacrament des
leibs und bluts Christi gehen. Auf solche weise
mag in kurzer zeit nicht allein ein notdurft,
sondern auch nach jedes orts gelegenheit ein zim-
licher vorrat gesamlet werden, dadurch den recht
armen kranken und dürftigen leuten desselbigen
orts geholfen, das sie nicht mangel leiden, und
dadurch das ergerlich, schedlich, gefehrlich und
lesterlich betteln abgeschaffet werde.
Nach dem auch viel leute aus frembden orten
in den stedten herumb gehen und mit erlaubnis
des bürgermeisters, bisweilen auch wol one die-
selbige, in alle heuser kriechen, das almosen zu-
samlen, darunter etliche gefunden werden, die
falsche briefe umbtragen oder die vor viel jahren
gegeben und verneuert sein, und etliche, wenn
sie lang sind im lande herumb gestrichen und
genug gebettelt haben, verkaufen solche vor-
schriften andern streichern, die darnach auch
darauf betteln, und wird also durch solchen manch-
feltigen betrug den bürgern in stedten viel ab-
gezogen, sonderlich geschicht solches zum abbruch
des gemeinen kastens einkommen.
Solches zuverhüten, sollen erstlich alle bürger
von der canzel vermanet werden, das sie in ihren
heusern keinem das almosen geben, der nicht
schriftlich erlaubnis des rats oder bürgermeisters
aufweisen kan.
Nachmals sollen die bürgermeister vermanet
werden, das sie der jenigen, so briefe anderswo
her bringen und um erlaubnis bitten, das al-
mosen zusamlen, wol warnemen und fleissig nach-
forschen, woher sie kommen etc. und auf die
briefe und siegel gut achtung geben, das sie damit
nicht betrogen werden.
Da sie nun brief und siegel und andere kund-
schaften rechtschaffen befunden, sollen sie gleichwol
unterscheid machen zwischen denen, die für sich
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