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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0633
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110. Leisnig. Verordnung der Visitatoren für die Stadt Leisnig. 1529.

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110. Verordnung der Visitatoren für die Stadt Leisnig. 1529.
[Aus Dresden, H.St.A., Dr. 10598, Registration der visitation 1529, Bl. 373b ff.]

Denselbigen vorordenten pfarrer ist die stadt
Leisnik sambt obangezeigten dorfern in sein seel-
sorge ernstlich und mit vorinnerung, was ein
christlich bischofs oder pfarambt vorsorge und be-
vel in sich begreift, ganz treulich bevolen und
sich aller gewissen als ein treuer hirt und seel-
warter volgender mass annemen.
Erstlich nachdem zu Leisnik ein fast erger-
liche ungleicheit gegen den andern kirchen, so in
unsers gnedigsten hern landen und furstenthumb
an cerimonien befunden, soll forthin der pfarrer
das ganz predig ambt, auch alle der predigten
lere, tag und stunde, fest, und ander christliche
cerimonien nach anleitung des gedruckten buch-
leins der visitator widerumb in ein richtige und
der kirchen Torgau gleichformige ordenung brengen,
und anderer weis die gotsdienst dann in dem-
selben buchlein vormeldet zu halden in keinen
weg furnemen, doch wirt von freiheit eusserlicher
ding und cerimonien gelegner zeit der pfarrer
auch wol wissen, das volk nach nodturft zu unter-
weisen.
Predig ambt.
Alle suntag und feste im jare soll der pfarrer
das evangelium dominicale frue predigen. Nach-
mittag aber ein stuck des catechismi, der zehen
gebot, glaubens und vater unsers, also das er den-
selbigen stets wider anfahe, und nachdem uns an-
gezeigt , das der itzige prediger das evangelium
und epistel dominicalia in einer stund auslegt,
soll er forthin solchs sich enthalden, dann Paulum
und den text des evangelii uf ein stund zu handeln
ist zu vil und auch der zuhorer halb weniger vor-
stentlich oder fruchtbar. Und nachdem er zuvor
den psalter gepredigt, sol er forthin am suntag
nach mittag catecismum, den andern den psalter,
und einen suntag umb den andern die zwu lection
treiben. Dann wie wol der psalter ein hohe
lection ist, hat man es doch, weil dar in angefangen,
umb fromer gewissen willen auch nicht wollen
gar abthun.
Wochenlich bisanher ist mitwochs und frei-
tags auch der psalter gepredigt, forthin aber sol
durch pfarrer oder caplan am mitwoch ein ort
ausm catecismo mit vleis dem volk gepredigt
werden und am freitag Matheum, und daraus dem
volk die christliche lere von buess, glauben, lieb
und creuz furtragen.
Was der pfarrer weiter die hohen feste in
der fasten und advent zu besserung des volks uf
gelegen tag aus der heiligen schrift thun wil, soll
in sein andacht und betrachtung, was einem christ-
lichen hirten geburt, gestalt werden.

Nachdem auch bisanher fast in die sechs jare
sind die papistischen messen des misbrauchs
halben abgethan, in der kirchen zu Leisnik, auch
allen umbligenden dorfern und ortern die pfarrer
und jenigen, so dem volk das sacrament geraicht,
ane korrock und messgewand siecht im rock con-
secrirt, ist ernstlich bevolen, das forthin alle
pfarrer nicht allein zu Leisnik sunder im ganzen
kreis messgewand und andere unschedliche ceri-
monien, so oft sie consecriren, brauchen, und allent-
halben nach dem buchlen der visitator, auch dem
angefangnem brauch der kirchen zu Torgau und
Wittemberg sich gleichformig machen sollen.
Vornunftige prediger werden dannoch wol zu
gelegner zeit, wann es die materie und text der
schrift gibt, von christlicher freiheit und von
eusserlichen cerimonien christlich und notturftig-
lich das volk und ire gewissen zu und errichten
wissen. Man hat aber befunden, das durch un-
geschickte prediger von der freiheit, do doch vil
notiger artikel vorschwigen, etlich cerimonien ab-
gethan, die ane schaden wol hetten bleiben mogen.
Die obangezeigte eingepfarte dorfer, der keins
kein kirchen hat, uf ein virtel und halb virtel
wegs gelegen, sollen allzeit, wie vor alders der
predig am suntag, in der wochen, auch der sacra-
ment und aller pfarrecht zu Leisnik gewarten. So
soll der pfarrer als ein treuer hirt seiner scheflein
warnemen, nicht wie die papistischen pfarrer nach
pechten und kornsack sehen, sundern durch sich
oder sein diacon eins ides jar dieselben dorf-
schaften drei mal ungeverlich uf die quatember
oder vor den hohen festen ersuchen, die leut an
ein erlich ort vorsamlen, vom richter und andern
hausvetern erforschen, ob sie auch ir gesinde zur
predig lassen geen, desgleichen zum hochwirdigen
sacrament, und ob sie sich der predig gebessert,
die zehen gebot gelernt und dieselben sambt dem
vater unser und glauben ire kinder underwisen
haben, solch besuchung soll des jars ufs wenigst
drei mal gehalden und nicht underlassen werden.
Wo auch imands dokegen sich widersetzig,
spottisch oder sunst leichtfertig erzeigen wurde
mit vorachtung der suntagspredigt, und des heiligen
sacraments unchristlich erzeigte, der soll dem ambt-
man angegeben und der geburlichen straf darumb
gewertig sein. Dann wer sich mit dem evangelio
nicht wil leiten lassen, muss durch scherf der
oberkeit darzu gehalten werden, uf das erbarkeit
und zucht bleiben moge.
Nachem dem auch zu Leisnik uf die hohen
feste als weihnachten, pfingsten und ostern ein
einiger tag und allein vormittag feier gehalden
ist, nach mittag aber werkteglich geacht, wiewol
 
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