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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0667
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127. Pirna. Abschied der Visitatoren. 1555.

639

IV.
Und sonderlich weil eine grosse summa an
vertagten schuldigen zinsen in retardaten befunden,
welche noch täglich wachsen und ohne einige
nutzung, nicht mit geringem schaden des kastens,
ausstehend bleiben, als soll ein ehrbarer rat ob
geschriebenermassen dieselben unverzüglich ein-
bringen helfen, das sie auf gebührliche pension
ausgethan werden. Es sollen alle ausgethane
stämme zu mehrerer sicherheit allzeit auf gewisse
gründe und gunste und nicht anders den leuten
geliehen, und so etwas in dem bisher versäumet,
nochmals also versichert werden, auf dass die
stämme und zinse nicht in abnehmen kommen,
sondern von den vorstehern, welchen derhalben
eine besondere besoldung gemachet, viel mehr
durch ihren fleiss jährlich gebessert werden. Des-
gleichen soll mit den erbgeldern, so von verkauften
lehnshäusern und erbaueten des klosters häusern
und räumen und renten, so jährlich gefallen, also
geschaffet werden, dass sie zu besserung des ge-
meinen kastens gesammelt und auf zinse angeleget
und allzeit jährlich mit verrechnet werden, damit
des kastens zunehmen gespüret und das gemeine
volk zu almosen und willigen testamenten und
täglichen milden hilf desto mehr gereizet würde.
V.
Nachdem auch zu mehr malen in aufnehmung
und entsetzung der kirchen- und schuldiener, nicht
mit geringem schaden und fahr der eingepfarrten
und schüler, aus dem, dass dieselbigen etwa aus
abgunst oder widerwillen entsetzet, oder aber
auch durch angeborne freundschaft und gunst un-
geachter geschicklichkeit in kirchen und schulen
geschoben und eingedrungen, allerlei unrichtigkeit
befunden, dem zuvorzukommen soll sich ein ehr-
barer rath mit dem pfarrer und superattendenten
allhier, so zu jeder zeit sein wird, derhalben
fleissig beratschlahen und freundlich miteinander
vergleichen, und derer diener keiner von einem
teile alleine ohne des andern vorwissen und also
sämtlicher verwilligung aufgenommen und ab-
gesetzet werden.
VI.
Weil auch befunden, dass die „zwene“ diaconi
mit 70 fl. jährlicher besoldung sich nicht erhalten
mögen und aber an geistlichem einkommen, sonder-
lich weil das kloster auf diese not bei u. gst. h.
erbeten, so viel vorhanden, dass man ihnen eine
ziemliche zulage davon geben kann, also ist einem
ehrbaren rate befohlen, dass man hinfort jedem
10 fl. von den 60 fl., so dem gemeinen kasten
vom kloster zugewandt, jährlich zu ihrer vorigen
besoldung zulegen soll, dass also jeder diaconus

80 fl. jährlich habe, wie auch oben im verzeichnis
gemeldet.
Die andern hinterstelligen 40 fl. vom kloster
sollen zu erhaltunge zweier stipendiaten über die
vorigen zween, so ein rat bisher von lehnen, die
sie im rate haben und ihr einkommen wissen,
erhalten, gebrauchet werden. Dass also ein rat
und gemeiner kasten allzeit vier stipendiaten,
arme bürgerkinder, so zun studiis geschickt er-
kannt, jeden mit 20 fl. jährlich verleihen und in
universitate erhalten sollen.
Es sollen aber allemal dieselbigen stipendiaten,
wenn sie anzunehmen und zu eligiren sein sollen,
gleich wie die andern knaben, so man in die
fürstenschule gegen Meissen schicket, durch den
ganzen rat im beisein des superattendenten auf
vorgehende examination mit gemeinem rat oder
stimmen eligiert und in dem nicht nach freund-
schaft oder gunst, sondern nach geschicklichkeit
der knaben ohne ansehung der person gehandelt
und geschlossen werden.
Es soll auch ein jeder stipendiat jährlich zwei
scripta dem rate aus der universität, da er studieret,
neben einem zeugnis von seinem praeceptore
schicken und offerieren, welche neben dem super-
attendenten sollen judicieret und sein fleiss und
zunehmen daraus gespüret werden. Denn so einer
unfleissig oder sonst aus bericht der präceptoren
in seinem leben unartig befunden würde, und
solche eleemosynae und unkosten an ihm vergeb-
lich angewendet sein sollten, als soll ihn ein ehr-
barer rat zu allen zeiten zu entsetzen und einen
andern fleissigen und würdigen anzunehmen
[macht] haben.
VII.
Hiebei hat ein ehrbarer rat auf gütliche
handlung und gesuch der verordneten visitatoren
bewilliget, ein stipendium und behausung vor die
armen, verlebten, wohlverdieneten und kranken
priester oder derselben nachgelassenen witwen und
waisen allzeit vorzubehalten oder nach erforderung
der notdurft zu verschaffen. Also, weil der kasten
unvermögens halber eine sonderliche bestallung
oder zulage darzu noch zur zeit zu geben nicht
vermag, so soll und will ein ehrbarer rat, so oft
ein solcher fall nach dem willen gottes vorfällt,
einem knaben sein stipendium, welcher es am
längsten gehabt, oder der es sonst am besten ge-
raten kann, aufkündigen und dasselbige einem
emerito oder nach seinem tode seinem ge-
lassnen weibe und kindern, solang es die not er-
fordert, reichen und geben. Da aber das aus-
stehende lehn, so noch seinen possessorem hat,
verlediget oder gutwillig dem kasten und rat auf-
getragen würde, so soll es gänzlich ohn einigen
der stipendiaten abbruch geordnet sein. Des-
 
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