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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0705
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152. Torgau. Ordnung der Visitatoren. 1529.

677

Schuel.
Die schul ist bestalt uf vier person nemlich
Schulmeister
Pedagogus
Pedagogus vel cantor.
Infimus.
Der knaben, so itzt vorhanden und in der
schule studiren, sind an der zal hundert und
sibenzig, welche volgender gestalt gelert und mit
lection sollen vorsehen werden.
Vormittag.
Morgens umb sechs hore soll die ganz schuele,
wie zuvor, somerzeit in die predigt gen, die deut-
schen christlichen lieder vor und nach der predigt
singen, ausgenommen die alphabetarii sollen die-
weil in der schuel bleiben, dieselbigen soll einer
aus den pedagogis und er der stund beten leren.
Nach der predig sollen die knaben wieder in
die schuel gefürt und ein halb viertel stund ir
etlich nach der pedagogen wal vorhort werden,
was sie aus der predigt gelert, also das die andern
in der forcht ungewiss bleiben, welcher unter
inen mocht befragt werden, domit zur antwurt
ein itlicher sich rüste.
Die ganze schuel wie anher soll in vier classes
oder haufen geteilt sein, nachdem die knaben in
der lare schwach oder stark sein.
Erster haufe.
Dem ersten haufen soll der schulmeister selbs
umb sieben hor nach der predigt comedias Terencii
lesen und dieselbigen der jugend clar und aufs
richtigst auslegen und fürtragen.
Demselbigen ersten haufen soll der pedagogus
supremus umb acht hore epistolas familiares
Ciceronis lesen, auch doraus ihnen exempel con-
structionum, und so sie stark, exempla der figuren,
auch der disposition und artificii rethorici für-
geben, sie darzu examiniren, exempel der regeln
constructionum daraus geben, dis soll er alle tag,
ein lection umb die andere wie zuvor treiben.
Der andern classis oder haufen
Soll um sieben hore durch den pedagog su-
premum den Donat und Catonem aufzusagen und
zu lesen geübet, dergleichen etlich sentenz aus
dem Catone inen exponirt werden.
Umb acht hore soll der ander pedagog oder
schulmeister conjugationes und declinationes leren
und in derselbigen regeln aus der grammatik Phi-
lippi auf vleissigst underweisen.
Der dritte classis oder haufe.
Der dritte hauf soll um acht hore durch den
schulmeister, darnach sie die lection abwechseln,

schlecht im lesen und recitiren den Catonen und
das enchiridion Philippi unterweiset und mit vleiss
geübt werden, dieselbigen nachdem sie erst das
lesen anfahen und das kinderbüchlein lernen,
nicht stark genug seint declinationes zu leren,
umb sieben hore ire lection ufzusagen, auch durch
den pedagog einen vorhort werden.
Das vierde classis oder häuflein.
Der vierde sein die alphabetarii, die sollen
durch den infimum mit buchstaben das a b c auf-
zusagen exercirt und geübt werden. Und nach-
dem derselben vil, was in einer stunde nicht ge-
scheen kan, soll er zwu stunden darzu gebrauchen.
Diese jugent und knaben alle mit einander
in allen dreien classibus und haufen sollen mit
schreiben auch zu gelegener zeit vleissig geübt
werden ut discant calamum ducere et bene pingere
litteras und sollen der schulmeister und pedagog
alle zeit die handschriften und scripturas von den
knaben fordern, und sunst der anleitung des
büchleins der visitator, so vil nach gelegenheit
und nach dem alder der knaben möglich, allent-
halb folgen. Nachdem sich auch die pedagogi
beklagen, das sie um sieben hore müssen in der
kirchen horas privatas singen und das damit die
gemeine schule und jugent under der stunde auf-
gehalden und verseumet werde, sollen vorthin die
altaristen die horas singen und den pedagogis die
besoldung von horis gleich wol volgen. Doch
sollen die pedagogi, wenn sie weil haben, auch
die horas singen helfen, und des nicht gar frei
sein, domit die besoldung inen nicht entzogen.
Nachmittag.
Umb zwelf hor sollen die ersten drei classes
oder haufen dieselb stund oder drei viertel durch
den schulmeister und cantor in der musica exer-
ciret und geübt werden. Under der stunde soll
die weil der pedagog einer den cleinen haufen
quartam classem die alphabetorios abwarten von
den andern, damit sie einander am singen nicht
irren, an einen besundern ort die deutschen ge-
seng und beten leren.
Darnach sollen aber die lectiones nach teilung
der classes dieser mass versorgt werden:
Umb ein hor nachmittag soll der schulmeister
precepta grammatices Philippi mit vleiss lesen und
derselben preceptorum exempla aussen Terentio
den knaben zeigen und von inen fordern und
dasselbig eins umb das ander abwechseln, heut
precepta leren, morgen die knaben mit exempeln
aussen Terentio üben und so fort an.
Under derselbigen stunde umb eine hore soll
der pedagog einer den andern classen oder haufen
aber mit lesen den Donat und Catonen mit decli-
 
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