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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0731
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162. Wittenberg. Kirchen-Ordnung für die Stadt Wittenberg. 1533.

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inen halte, und auf die paurn in der peicht sonder-
lich acht haben, auch auf ire kinder und gesinde,
was sie gelernt und aus des vierten diacon lere
und angewanten vleiss sich gebessert haben.
Taufen sollen die priester unverseumlich aus
dem teufbuchlein durch doctor Martin Luther
verdeutscht. Dafur sollen sie nichts nehmen.
Dem custer aber soll sein gewonlich trankgelt
oder geschenke bleiben, darzu sollen die diacon
dem custer forderlich sein.
Wenn ein kind im haus in noten mit wasser
im namen des vaters und sons und des heiligen
geists getauft ist, so sollen je die priester dasselb
nicht noch einmal teufen, denn die rechte teufe
ist dem kinde gegeben nach Christus befelch,
sondern so das kind lebendig bleibt, wie es itzt
bei uns bereit im werk ist, sollen gefattern ge-
beten werden und das kind nach gewonheit zur
kirchen gefurt. Da soll ein priester verhorn und
examiniren, wie das kind getauft sei. Ists recht,
so soll er solche taufe bestetigen und sagen, dass
sie recht sei und den gefattern befehlen, dass sie
des wollen zeugen sein. Darnach fure er das kind
mit den gefattern, frauen und andern fur den
hohen altar und lese uber dem kinde den glauben,
das evangelium Marci, bete niderkniend ein vater
unser. Darnach spreche er das letzte gebet aus
dem taufbuchlein und lasse sie gehen. Solchs
kind soll man nicht exorcisiren, dass wir nicht
den heiligen geist, der gewislich bei dem kinde
ist, bösen geist heissen etc. Wirds aber anders
befunden, dass das kind nicht recht getauft ist
oder dass die leute nichts gewisses konnen be-
richten, so taufs der priester freilich. Denn es
ist war, wie Augustinus sagt, non potest dici
iteratum, quod nescitur esse factum.
Wir mussen von den sacramenten als von
gottes wort gewiss sein. Hie sollen sich auch die
priester hueten, dass sie nicht cum conditione, si
tu non es baptisatus, taufen. Dann es ist ein un-
leidlich missbrauch gewest, damit ungewiss wird
beide, die erste und die andere tauf, und heist
nicht mehr dann also, ist die erste tauf recht, so
ist diese unrecht, so soll dise recht sein und gelten,
welche ists dann? Ich weiss nicht. Wir lassens
geschehen, dass gott uns und denen, die also ge-
tauft sein, solchen missbrauch zu guete halte ;
aber nue die warheit so helle am tag ist, wollen
wirs machen nach Christus befelch, wie gesagt,
damit unser glaube konne bestehen.
Gesenge.
Der schulmeister soll mit den kindern nicht
stets einerlei singen, sondern mancherlei antiphon,
responsoria, hymnos und andere gesenge, so rein
aus der heiligen schrift genomen sein. Er soll
sie auch leiten und mit inen singen. Uf den

sonderlichen festen soll man geseng und lectiones
gebrauchen, so aus der schrift auf die feste ge-
horen, so man anders solche kan haben. Distincte
und verstendig soll man psalmen und lectiones
lesen und nicht ungeschickt singen. Deutsch
sollen die schüler nicht singen, on allein, wenn
das volk mitsinget.
Des sonabents zur vesper soll man im chor
zwen oder drei psalmen mit einer antiphon singen,
darnach lesen drei kinder drei lection aus dem
alten testament nach dem tono, wie man lectiones
pflegt zu lesen. Am ende aber einer jetzlichen
lection sollen die letzten wort gesungen werden,
wie man propheceien pflag zulesen oder zu singen
in fine, sol. sol. mi. fa. sol. sol.1) la. sol. fa. fa.
Nach den dreien kindern sol der vierte junge
schlecht lesen, und nicht singen, deutsch, was die
andern lateinisch haben gelesen, doch fein lang-
sam, bescheiden und verstendlich.
Darnach singt man einen hymnum und mit
dem letzten vers des hymni gehen sie zur predigt
in den stuel mitten in der kirchen. Die aber
hinein nicht kommen konnen, bei denen soll aus
dem stul ein schuldiener bleiben, darauf zusehen,
dass sie predigt horen und nicht büberei treiben.
Da predigt man, alsdan nach der predigt singt
man im chore die lateinischen litanien, und wird
beschlossen mit einem lateinischen versikel, col-
lecten und benedicamus domino.
Wens ein feierabent ist vor einem sonder-
lichen feste, so solls auch zur vesper, wie gesagt,
zugehen, an allein nach der predigt soll man
mitten in der kirchen mit dem volk singen das
deutsch magnificat, wie gewonlich, mit einen
deutschen versikel, collecten und benedicamus
domino.
Wen aber die cantores in figurativis singen,
so mugen sie alles vor der predig aussingen mit
dem magnificat. Dan singt man nach der pre-
digt da pacem lateinisch und deutsch mit einem
versikel, collect und benedicamus.
Fur der fruepredigt des sontags oder fests-
tagen sollen die knaben im chor den catechismum
lateinisch auf beiden seiten vers umb vers sine
tono distincto ganz auslesen, darnach zwei oder
drei psalmen mit einer antiphon, darnach volgen
vier lectiones, wie zuvor gesagt, doch aus dem
neuen testament, die soll man ordentlich lesen.
So man aber vom feste etwas hat, historien oder
prophecien, es sei im alten oder neuen testament,
die soll man in den festen abent und morgens
lesen. Darnach singt man ein deutsch lied mit dem
volk, indess die schuler in den stuel mitten in
der kirchen und ausserhalb desselben geschickt
werden zur predigt, wie zuvor gesagt. Nach der

1) M.: hat dreimal „sol“.
 
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