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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0083
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2. Kirchenordnung [1537]

ten, welchs wir doch meher euwerm unfleiß dan der
warheit zuschreiben. Dweil aber dieser catechismus
unnd ordnung die furnemesten haubtstuck christli-
cher leer, wie es mit raichung der sacrament und
andern kirchengepreuchen christlich angericht und
gehalten werden soll, desgleichen alle falsche ler und
mißbreuch, so biß anher in hailiger kirchen inge-
wurtzlet, nit weniger entdeckt und an tag bringt,
dan die recht gottlich leer und christlichen gebrauch
der sacrament Gottes worth am nechsten, gemeß,
ehelichsten7, meher, ainfaltiger und verstendtlicher
tractiert und treibet, dan aus ainem anndern buch-
lin grunden mugen, auch also, das den geringsten
buchstaben zutzesetzen oder weiter zuberichten un-
sers urtails von unnoten und wol ubbrig pleibe.
Dannocht, dweil wir vermercken, das ir die altbe-
dagten, den erst angewoneten sauwerdeick und hef-
fel8 der altvetterischen fabeln jetzt aus einfalt, dan
auß unverstandt langsam verlassen unnd in christ-
licher lar zuhuben9 gesynnet, darzu den fleiß und
arbeit mit ernst nit daran legen, und wir aber das
wenig volcklein, uns von Gott verluhen10, sein ewigs
seligmachends wort lenger nit berauben noch ent-
zogen haben wöllen, so haben wir, vermeinte verhin-
derliche ursachen abzuschaffen, fur nottwendig be-
dacht und auß christlicher liebe I 4r | nit unterlassen
mugen, euwerm unverstant mit rath unnser in Chri-
sto gelerten durch einen neben kleinen bericht mit
unnd neben gedachtem catecismo unnd kirchenord-
nung erklerung unnd instruction zu hilff zukhomen,
doch nit der gestalt unnd meynung, zuhaben unnd
halten oder mentschen gewissen zu pfaen11, wie die
kirchenordnung, durch mentschliche satzung von
alters ingewurtzlet (des wir laider gute erfarung se-
hen), geraten sein, wan die nit underschiedlich mit
grossem fleiß von Gottes wort abgesundert und in
irer wurde den leuten furgetragen werden, sonder,
wo die Gottes wort gleich und gemeß, auch von den
ceremoniis, in Gottes wort gegrunt, handelen, das
alsdan die neben Gottes wort gelitten und angeno-
men werden als ein liecht, dem glauben einlich und
7 Ähnlichsten.
8 Sauerteig und Hefe. Zum Sauerteig vgl. 1Kor 5,6-8;
Gal 5,9.
9 Sich zu üben.

gleichformig. Wo aber benante instruction und un-
derrichtung von mentschlichen satzungen [mit] ce-
remoniis setzen und disponiren, die auch in irer wir-
de zuhalten und anzunemen, nemlich als ment-
schli[ch]e satzung, welche nach gelegenhait der zeit
sollen und mugen verendert, vermeret und gemin-
dert werden, darumb soll auch dieser unnser under-
richt, wie auch alle anndere ceremonien und kir-
chenzierung allein dahin dhienen, das zucht, erbar-
keit und gleicheit in der kirchen erhalten und der
gemain man etlich ubung und exerti[ti]a hab, da-
durch er zu innerlichem gottesdienst mug gerichtet,
angeraitzet unnd bey demselbigen seinem wort er-
halten werden und nit die gewissen darin und -mit
zubinden, oder ein vergeblichen gottesdienst darauß
mache oder darfur halte, das diesse mentschliche
satzung, ceremonien unnd kirchennzierung zu ver-
gebung I 4v | der sunde etwas thun, schaffen oder
wurcken sollen. Deshalben wir auch diesse instruc-
tion, im fall, die annderst dan in Gottes ehr geraten
wurde, alzeit in besserung zurichten furbehalten,
biß solanng Gott auß gnaden ain general- oder pro-
vincial- christlich concilium verleihet, darin wir ver-
hoffen, wir uns in allen außwendigen ceremoniis, zu
der kirchen gehorig, weiter eintrechtig verglychen
werden.
Unnd dem allem nach bevelen wir euch hiemit
ernstlich, begeren unnd wellen, das ir alle und jede,
besonnder aber furnemblich die, so biß hieher das
ware gottesworth angezaigter gestalt christlich zu-
predigen farlessig gewesen oder auß andern ursa-
chen hunterpleyben lassen12, offternanten Nuren-
berger catechismus unnd kyrchenordnung bey und
in iren handen haben, sich darin mit allem ernstli-
chen fleis uben und lernen, das ir geschickt seien und
zubefinden, jeglicher seinem kirspels folck zugele-
gen, nach bestimbten zeiten unnd tagen neben ann-
dern christlich evangelischen leren nach gelegenheit
auß hertzlichem grunde einveltig, teutlich und ver-
stendtlich furzulesen und, sovil Gott gnade verlei-
het, auszulegen, und sunst in ceremoniis unnd
10 Verliehen, anvertraut.
11 Fahen = fangen, hier: beschweren, GRIMM, DWb 3,
Sp. 1236f.
12 Unterlassen.

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