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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0093
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2. Kirchenordnung [1537]

sanct Michael [29. Sept.],
sanct Symon unnd Judas, aposteln tag [28. Okt.],
allerhailigen tag [1. Nov.],
sanct Andreas tag [30. Nov.],
sanct Thomas [21. Dez.],
den hailigen Christag, nativitatis genant,
sanct Steffan, als den nechsten darnach [26. Dez.],
sanct Johans evangelist [27. Dez.].
Wiewol nun gesagt ist, das man, auff das die leute
Gottes wort horen unnd lernen, etlich feiertag hal-
ten mag unnd soll, so ist es doch nit die maynung,
als solt man der hailigen anrueffen unnd furbit dar-
durch bestetigen oder loben, den Christus Jhesus ist
allein der mitler, der unns vertrit, wie [1.] Johan. 2
[1] unnd Paulus, Rom. viii [34], I 15v| anzaigen.
Zu dem waiß man je auch wol, das in der haili-
gen geschrifft nirgent gebotten ist, das man die hai-
ligen anruffen soll. So seint auch in anruffen unnd
dienst der hailigen sovil grob unnd offenbarliche
mißbreuch, das alle fromme, gotselige unnd gelern-
ten auch lanngk vor diesen zeiten gern gesehen het-
ten unnd begert haben, das soliche irthumb unnd
mißbreuch weren abgethan unnd gebessert worden,
derohalben allerlay anruffen der hailigen wol unn-
derlassen mag werden.
Die hailigen aber werden rechtgeschaffen also
geeret, das wir wissen, das sie zum spiegel der gott-
lichenn gnaden unnd barmhertzigkait unns furge-
stelt seint, dan wie Petrus, Paulus unnd Andre, hai-
ligen eben so wol sundige Adamsgeschir68 seint als
wir, unnsers fleisches, bluets unnd schwacheit, unnd
dannocht auß Gottes gnaden durch den glauben
seint selig worden, also emphaen wir trost durch
diesse exempel, Gott werde unnß unnsere schwach-
eit auch zu gut halten unnd schencken, wen wir ime
wie sie trauwen, glauben unnd inen in unnser
schwacheit anruffen, das wir unns im glauben unnd
guten wercken uben unnd zunemen, wie wir von
inen sehen unnd horen, das sie gethan haben. Dar-
umb sollen die leuth durch der hailigen exempel zum
glauben unnd guten wercken gereitzt werden, wie
Hebr. 13 [7] 16r | stehet: Gedenckt an euwere fur-
d Im Text: die.
68 Adamskinder, vgl. GRIMM, DWb 5, Sp. 3887.

genger, die euch das wort Gottes gesagt haben, wel-
cher außgang schauwet an und volget irem glauben.
Also vermanet auch sanct Peter die weiber,
1. Pet. iii [5-6], sie sollen irer mueter Sara folgen im
schmuck des hertzens, in sanften unnd stillem gaist,
unnd spricht: Also haben fur zeiten auch die hailigen
weiber geschmuckt, die ire hoffnung auff Gott set-
zen unnd iren mennern gehorsam waren, wied Sara
Abraham gehorsam war unnd hieß inen herr, wel-
cher dochter ir worden seit, so ir wolthut unnd euch
nit furchtet fur einiger scheusel. Unnd von solicher
waren, hailigen eher sollen die pharher unnd predi-
ger wol unnd gewiß underrichten, auff das nit die
gnad, so wir durch Christum haben, damit verdun-
ckelt werde unnd das vertrauwen, so man auff Chri-
stum allein haben soll, von ime abgewendt unnd
auff die hailligen gestelt werde, wie dan biß annher
bescheen ist. Dan daran ist uberauß vil unnd wol
alles gelegen, das man erkhenn, das er also von unns
wil geeret werden unnd das fur sein einigen unnd
eigen gottesdienst von unns haben, nemblich das wir
inen fur unnsern mittler erkennen, das er unns zum
hohenpriester gesatzt sey, der da wil, das wir inen
allein anruffen sollen, 16v| unnd unns auch gewiß-
lich erhoren69. Unnd ist diese maynung in keinen
weg zudulden, als ob die anndern hailigen sanfft-
mutiger unnd gutiger seien dan Christus, also ist
auch daran vil gelegen, das die leuth verstehen, das
man im gebet unnd anrueffung furnemblich auff
Gottes verhaissung sehen unnd trauwen sollen, we-
liche bezeugen, das wir gewißlich erhort werden und
das Gott auff soliche weiß von uns geeret werde und
gedhient haben wil. Nun seint aber Gottes verheis-
sungen von Christo unns gethan, darinnen unns
Gott zugesagt, das er unns umb Christus willen an-
horen welle70.
Diesse stuck seint biß annhero uber die maß sere
verdunckelt unnd underdruckt worden durch die
vielfaltigen mißbreuch der hailigen dhienst und ires
anrueffens, unnd ist das vertrauwen, so man auff
Christum solt gehabt haben, ime entzogen unnd auf
die hailigen gewendt worden, welichs ain abgottery
ist, die man in der kirchen gar nit leiden solle.
69 Vgl. Joh 14,13-14; 15,16.
70 Joh 15,16; vgl. Mt 18,19; Mk 11,24.

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