Nassau-Dillenburg
sem fall nit so sehr uff die gröse der kirspieln undt
unmüsige zeiten als uff die ehr Gottes undt dessen
befehl, wie auch der menschen ewiges heil undt see-
ligkeit, so herunder versiren thun, zu sehen; daß
aber daßelbe auch caecis, aegrotis, claudis, senibus
privatim distribuirt werden, lest man sichs nicht al-
lerdings mißfallen, doch das es nicht leichtlich ge-
schicht, es seie dan, das einer seiner schwacheit undt
gebrechlichkeit halber lange zeit über nicht habe zu
kirchen kommen können undt zum wenigsten fünff
mit ihm communiciren, hierneben ist nicht unzeitig
erregt worden, wie es mit denen mutis undt surdis
simul zu halten, ob dieselbe auch | 4r | zum abend-
tmahl des herren offendtlich oder privatim zu [zu]la-
sen.
6. Zum sechsten hatt sich auch befunden, das es mit
den wochenpredigten uff den dorffen ungleich ge-
halten werde, dan etliche kirchendiener thun gar
keine wochenpredigten, sondern examiniren ahn-
statt derselben, wie sie vorgeben, catechismum.
Wiewohl nun die catechisatio ahn ihr19 selbst nicht
zu improbiren, jedoch, weil ebensowohl auf die alten
als auf die jugendt zu sehen, sindenmahl deren viel
oftmahls weniger als die jungen in Gottes wortt wis-
sen, undt dan vor diesem allenthalben heilsamlichen
verordnet worden, das auch auf den dörffern zum
wenigsten freitags ein wochenpredigt umb der alten
willen gehalten werden soll, als lasens i. g. auch also
darbey verpleiben undt wöllen, das wenigers nicht
hierin als in allen andern puncten erbeweliche
gleicheit gehalten werden solle.
[7.] Endtlich ist auch verabschiedt, das der gemeine
bettag, welchen die hochwohlgebohrne u. g. herren
aus einer sonderbaren gottseeligkeit hochlöblich
ahngeordnet haben20 zu abhelffung allerhandt
19 Sich.
20 Vgl. das Mandat Johanns VII. von Nassau-Siegen und
Georgs von Nassau-Beilstein vom 12. Januar 1607, oben,
Nr. 26.
21 Passendste, Grimm, DWb 1, Sp. 1481.
22 Vgl. das Sprichwort „Voller Bauch studiert nicht gern“,
unordtnung undt ergernus, so daraus, wen ein kir-
spell den bettag morgens, das ander denselben umb
mittags helt, oder auch wohl von pfarrern aus eig-
nem guttdüncken wegen unmüsiger zeit oder unge-
witters anticipirt oder prorogirt wirdt, hinführo
vermög angeregter hochlöblicher ordnung allein
morgens vor mittag, welches die bequemste21 zeit
dazu, quia plenus venter non orat libenter22, gehal-
ten werden, undt hierin keiner, wer der auch sein
möchte, seines gefallens dispensiren soll, dan man
mehr auff Gott undt die seelichkeit | 4v | als uff die
arbeit undt zeitliche, vergängliche nahrung zu se-
hen, undt damit auch deß gebets selbsten halben
keine ungleicheit vorfallen möge, so sollen jedes
orths kirchendiener auf die bettage sich auch eines
gemeinen undt einerley gebets, weil es ein gemeiner
bettag heist undt sein soll, gebrauchen, undt so viel
möglich nach den Heidelbergischen23 sich auch dies-
fals reguliren undt richten. Sollen auch bey ihren
gewöhnlichen ordentlichen wochenpredigten uff die
bettage nit pleiben, sondern extraordinarie ernste,
scharffe undt kräfftige bus- undt trostpredigten,
dardurch die leuth den nutzen undt nottwendigkeit
des gebetts desto besser verstehen undt desto mehr
darzu auffgemundert werden, nit obenhin24, son-
dern also, das man ihren gottseeligen eyffer undt
ernst daraus spuren könne undt die zuhörer desto
innbrünstiger bewegt werden thun undt darzu aus-
bündige textus poenitentiales suchen undt erwehlen
aus den propheten, psalmen undt sonst aussuchen
undt erwehlen, es seye dan, das die ordinarii textus
ohnedas dahin gehen undt ad scopum bequemlich
seyen.
[8.] Was aber anlange andere hin undt wieder der
abgötterey, seg[n]erey, lauffen zu kelberartzen20
undt wahrsagern, fluchen undt schweren, mit arbeit
TPMA 1 (1995), S. 359f.; Wander, Sprichwörter-Le-
xikon 1, Sp. 249 Nr. 124.
23 In der kurpfälzischen Kirchenordnung von 1563, Seh-
ling, EKO XIV, S. 393-396.
24 Oberflächlich, flüchtig, Grimm, DWb 13, Sp. 1072.
25 Quacksalbern, Scharlatanen, Grimm, DWb 11, Sp. 54.
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sem fall nit so sehr uff die gröse der kirspieln undt
unmüsige zeiten als uff die ehr Gottes undt dessen
befehl, wie auch der menschen ewiges heil undt see-
ligkeit, so herunder versiren thun, zu sehen; daß
aber daßelbe auch caecis, aegrotis, claudis, senibus
privatim distribuirt werden, lest man sichs nicht al-
lerdings mißfallen, doch das es nicht leichtlich ge-
schicht, es seie dan, das einer seiner schwacheit undt
gebrechlichkeit halber lange zeit über nicht habe zu
kirchen kommen können undt zum wenigsten fünff
mit ihm communiciren, hierneben ist nicht unzeitig
erregt worden, wie es mit denen mutis undt surdis
simul zu halten, ob dieselbe auch | 4r | zum abend-
tmahl des herren offendtlich oder privatim zu [zu]la-
sen.
6. Zum sechsten hatt sich auch befunden, das es mit
den wochenpredigten uff den dorffen ungleich ge-
halten werde, dan etliche kirchendiener thun gar
keine wochenpredigten, sondern examiniren ahn-
statt derselben, wie sie vorgeben, catechismum.
Wiewohl nun die catechisatio ahn ihr19 selbst nicht
zu improbiren, jedoch, weil ebensowohl auf die alten
als auf die jugendt zu sehen, sindenmahl deren viel
oftmahls weniger als die jungen in Gottes wortt wis-
sen, undt dan vor diesem allenthalben heilsamlichen
verordnet worden, das auch auf den dörffern zum
wenigsten freitags ein wochenpredigt umb der alten
willen gehalten werden soll, als lasens i. g. auch also
darbey verpleiben undt wöllen, das wenigers nicht
hierin als in allen andern puncten erbeweliche
gleicheit gehalten werden solle.
[7.] Endtlich ist auch verabschiedt, das der gemeine
bettag, welchen die hochwohlgebohrne u. g. herren
aus einer sonderbaren gottseeligkeit hochlöblich
ahngeordnet haben20 zu abhelffung allerhandt
19 Sich.
20 Vgl. das Mandat Johanns VII. von Nassau-Siegen und
Georgs von Nassau-Beilstein vom 12. Januar 1607, oben,
Nr. 26.
21 Passendste, Grimm, DWb 1, Sp. 1481.
22 Vgl. das Sprichwort „Voller Bauch studiert nicht gern“,
unordtnung undt ergernus, so daraus, wen ein kir-
spell den bettag morgens, das ander denselben umb
mittags helt, oder auch wohl von pfarrern aus eig-
nem guttdüncken wegen unmüsiger zeit oder unge-
witters anticipirt oder prorogirt wirdt, hinführo
vermög angeregter hochlöblicher ordnung allein
morgens vor mittag, welches die bequemste21 zeit
dazu, quia plenus venter non orat libenter22, gehal-
ten werden, undt hierin keiner, wer der auch sein
möchte, seines gefallens dispensiren soll, dan man
mehr auff Gott undt die seelichkeit | 4v | als uff die
arbeit undt zeitliche, vergängliche nahrung zu se-
hen, undt damit auch deß gebets selbsten halben
keine ungleicheit vorfallen möge, so sollen jedes
orths kirchendiener auf die bettage sich auch eines
gemeinen undt einerley gebets, weil es ein gemeiner
bettag heist undt sein soll, gebrauchen, undt so viel
möglich nach den Heidelbergischen23 sich auch dies-
fals reguliren undt richten. Sollen auch bey ihren
gewöhnlichen ordentlichen wochenpredigten uff die
bettage nit pleiben, sondern extraordinarie ernste,
scharffe undt kräfftige bus- undt trostpredigten,
dardurch die leuth den nutzen undt nottwendigkeit
des gebetts desto besser verstehen undt desto mehr
darzu auffgemundert werden, nit obenhin24, son-
dern also, das man ihren gottseeligen eyffer undt
ernst daraus spuren könne undt die zuhörer desto
innbrünstiger bewegt werden thun undt darzu aus-
bündige textus poenitentiales suchen undt erwehlen
aus den propheten, psalmen undt sonst aussuchen
undt erwehlen, es seye dan, das die ordinarii textus
ohnedas dahin gehen undt ad scopum bequemlich
seyen.
[8.] Was aber anlange andere hin undt wieder der
abgötterey, seg[n]erey, lauffen zu kelberartzen20
undt wahrsagern, fluchen undt schweren, mit arbeit
TPMA 1 (1995), S. 359f.; Wander, Sprichwörter-Le-
xikon 1, Sp. 249 Nr. 124.
23 In der kurpfälzischen Kirchenordnung von 1563, Seh-
ling, EKO XIV, S. 393-396.
24 Oberflächlich, flüchtig, Grimm, DWb 13, Sp. 1072.
25 Quacksalbern, Scharlatanen, Grimm, DWb 11, Sp. 54.
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