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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0303
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32. Kirchenordnung 1574/1576

Trost wider die schande und den Todt
Daß er alle anfechtung, so img schand und todts
halberh under augen kommen werden, lehrne fest
außschlagen unnd sich an den allerhohesten trost
halten, Es scheine für der Welt, wie es wölle, sey im
doch das ewig leben durch Christum erworben unnd
gewiß zugesagt. Darumb, lieber freundt, lehrne
schaden und gewin fein gegeneinander abrechnen.
Du unnd alle Welt haltet jetzundt diß für ein scha-
den, daß du, ehe denn dein natur erfordert, sterben
must. Wolan, laß es ein schaden sein. Was ist aber
dagegen, daß du nach diesem elenden leben solt ein
kindt deß ewigen lebens sein? Das du nun durch den
todt zu solcher verheissung gefordert würdest, solt
du (wie es in der warheit ist) für ein gewin achten
und nicht für ein schaden; sterben ist ja schrecklich,
aber diesen allein, so nichts denn sterben und kein
hoffnung deß künfftigen ewigen lebens haben. Die-
selbig hoffnung hast aber du, was woltest du denn
sehr klagen? Du verleurest vieleicht zehen oder
zwentzig jar, die du sonst lenger hettest mögen le-
ben. Wer weiß, wie es dir deines lei- | g3v | bes und
seelen halb in solcher zeit würde ergangen sein? Je-
tzundt aber wirst du durch den todt nur gefordert,
da du desto ehe von allem ungluck entledigt werdest
und dort zu den ewigen gütern kommest. Denn das
ist dein hoffnung, darauff du getaufft bist, das du
durch den todt Christi solt zum ewigen leben kom-
men. Das ist dein hoffnung, welche dir durch die
empfahung des heiligen Sacraments ist vergewisset,
das du ja nicht zweiffelst, Der Leib Christi, der dir
im Brot geben, sey für dich hingeben, Und sein
Blut, welchs du im Wein getruncken, sey für deine
sünde vergossen worden. Wie köndt man dir das
ewige leben immermehr gewisser machen unnd ne-
her bringen? Darumb laß dich den schrecklichen
todt nicht erschrecken, sonder tröst dein hertz mit
dem ewigen leben, welches dir gewiß von Christo
erworben und nit allein anfenglich in der heiligen
Tauff, sonder auch jetzund in der niessung deß
hochwürdigen Sacraments ist zugesagt. Diesen todt
g KO/Agende 1609, Agende 1618: umb.
h Agende 1618: halber ihme.
i Agende 1618: oder.

aber lerne erkennen als ein solchs werck, durch wel-
ches du der sünde gar abstirbest, welche dir durch
Christum vergeben ist.
Ja, sprichst du, es ist aber schendtlich, also umb
der sünden willen sterben vor jederman. Wolan, du
hast kein andern todt verdienet, darumb trag ihn,
wie es deine sünde[n] dir aufflegen und mit sich brin-
gen. Darneben vergiß dennoch auch nit der ehr, so
an solchen schmehlichen todt, wie du leidest, han-
get.
Das du am ersten nicht allein stirbst wie ein
Dieb |g4r| undi Mörder, sonder, ob du schon ein
Dieb oder Mörder bist, stirbst du demnach auch wie
ein Christ, der du beides, für Gott und der Welt,
bekennest Erstlich deine sünde, damit du solchen
todt verdienet hast, Und darnach das leiden und
verdienst Christi, durch welches du gleubest verge-
bung deiner sünde und das ewige leben. Solches
heist ein Christenglaube unnd Christliche bekannt-
nuß, welches für Gott mehr und höher zieret, den
solche Weltliche schande für der Welt immermehr
schaden kan.
Zum andern ist diß auch ein ehr, welche du in
deinem sterben solt erkennen lernen, Das eben die-
ser todt, weil er auß Gottes ordnung umb deiner
sünde willen dir ist auffgelegt, ein werck ist, in wel-
chem du Gott als deinem Herrn den letzten gehor-
sam leisten solt. Denn weil du Gott in dem bist un-
gehorsam gewest, das du die sünde nicht geflohen
hast, solt du jetzt im in dem gehorsam sein, das du
solche verdiente straff willig unnd gerne leidest,
Niemandt drumb feindt seiest, jederman, auch de-
nen, so dich darzu zum theil verursacht226 oder am
ersten einbracht227 haben, gerne und willig verge-
best. Wenn du solches thust und dich also in dein
sterben schickst, solt du wissen, das es Gott gedie-
net sey und du ihm den rechten gehorsam leistest.
Nun weistu aber je selbst, das Gott dienen nicht
schmehlich, sonder ehrlich unnd Gott wolgefellig
sey. Weil nuhn diß Gottes will ist, das du deiner
sünde halber also offentlich solt gerichtet | g4v | wer-
den, so gedenck, daß du solchen letzten gehorsam
226 Veranlasst, bewegt.
227 Hineingezogen.

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