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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0326
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Nassau-Weilburg

men und die Kirchenbussen, so bey der Visitation fallen,
nach Bewandtnus zum Visitations Kosten verwenden mit
der angehenckten Betrawung und Anzeige, da ein andermal
dergleichen Defect oder Excess gespüret, so werde es an erns-
term Einsehen nicht mangeln.
17. Wann aber solche Sachen vorfielen, die der Erhebligkeit
und Bewantnus, daß sie bey den Visitationibus nit vorzu-
nemen noch entschieden weren, so sollen unsere Visitatores
dieselbige an gehörige Ort, auch, da nötig, an uns selbst ge-
langen lassen, In allem ihrem fürnemen aber gute Achtung
darauff geben, daß nicht durch ihr Gutwilligkeit oder nach-
sehen die Kirchen Disciplin laxiret werde unnd das Predig-
ampt in Verachtung gerathen möge.
18. Es soll auch unterweilen unser Superintendens, wie oben
angedeutet, ausserhalb der angestelten Visitationen an die
Orth, da jeder Pfarrer wohnet, sich verfügen unnd nicht allein
die Kirchenbäwe und Pfarrhäusser, wie die stehen und gehal-
ten werden, besichtigen, sondern auch deß Pfarrern Bücher
durchsehen, sich seines studirens und fleisses, auch aller seiner
Verhaltung im lehren unnd Leben erkundigen, mit ihme de
doctrina conferirn und also seinen fleiß im studirn explorirn
Unnd darneben, da sonsten auch bey der Gemeine Mangel
und Gebrechen fürgefallen, dieselbige nach allem vermögen
zur Besserung bringen, Wie es denn auch den Verstand hat,
daß solches, sonderlich bey den solennibus Visitationibus,
ebenmessig geschehen und verrichtet werden solle.
19. Und damit allenthalben an tauglichen unnd qualificirten
Personen, so zum Heyligen Ministerio beruffen, unnd ande-
ren gehörigen Unterhalt wie auch anderer nützlicher unnd
ordentlicher Verwalt- und Erhaltung deß Kirchenwesens de-
sto weniger Mangel erscheine, so sollen unsere Superinten-
denten und Inspectorn auch in unsern Pfarren, da andere das
Ius patronatus haben, so offt es die Nothturfft erfordert,
fleissig visitirn, die Prediger zu den Synodis erfordern, uff
Pfarr- und Kirchengüter Gefälle, Einkommen unnd Gebäw
ein wachendes Auge haben, auch mit Anhörung der Rech-
nung unnd anderer Verrichtungen ihren trewen fleiß erweisen
und alle vorfallende Mängel nach Bewandnus der sachen zur
Besserung richten und anstellen.
20. Schließlich sollen unsere Superintendenten und zugeord-
nete Räthe und Diener nach geendeten Synodis unnd Visi-
tationibus entweder uns selbsten zur stette gebürliche Rela-
tion thun oder in abwesen und Entsessenheit [=bei abgele-
genem Wohnort] für unsern Cantzeleyen, Was dann an Uns
der Wichtigkeit nach gelangen zu lassen rathsam befunden,
uns berichten, In allwege aber die Versehung thun, daß alles
zur geistlichen Repositur ordentlich gebracht und hinderlegt
werde.
Von der Kirchen Censur und Disciplin
1. Dieweil alle gute Ordnungen mit der Zeit auß der acht
gelassen, endtlichen auch ohne schew ubertretten werden, wo
nicht ein Nachtruck durch gewisse Bußen unnd Straffen wie
auch durch die Obrigkeit oder anderer an deren statt hierzu
verordneter erbarer Leuthe Uffsicht und fleissiges uffmer-
cken erfolgt und zeitlichen exequiret wirdt, So haben wir es
auch in diesem Stücke an unserem Oberkeitlichen Ampt und
Land vätterlicher Vorsorge nicht ermangeln lassen, Dem-
nach die Verordnung gethan, daß hinfüro die Kirchen Censur
alle Monat gleich nach verrichtem Bettage oder den nech-
sten Sontag hernach, wie sichs am besten füget, angestellet

unnd von den hierzu verpflichten Kirchen Censorn, was in
Mittels sich straffälliges begeben, in beywesen deß Pfarrers
angezeigt, die Straff- oder bußfällige Personen auffgezeichnet
und von inen die Kirchenbuß gefordert und eingesammlet
werden, Zu welchem Ende jede Kirchen ein Büchsen haben
und dieselbige alle viertheil Jahrs durch Pfarrern und Kir-
chen Censorn solle uffgeschlossen werden.
2. Da dann jemand die Kirchenbuß nicht erlegen und sich
den Pfarrern wie auch den Kirchen Censorn hierinn wider-
setzlich erzeigen wolte, sollen die Beampte, Schultheissen
oder Meyer, wie sie jedes Orts seyn und Namen haben, umb
Ampts Hülff angeruffen und solche nach Befindnus unnd be-
wandten Sachen bey vermeydung ungnädiger Straffen ohn-
wegerlich von ihnen geleistet werden, Damit weder Pfarrer
oder Kirchen Censorn Ursach haben, Uns, hierunter klagent,
umb Verhelffung anzulangen.
3. Welcher Kirchen Censor etwas ärgerlich oder strafffälliges
wissentlich verschweiget, so unser Ordnung zuentgegen, soll
allewegen ein Orts [=ein Viertel] gülden verfallen seyn. Da
aber bey einem oder dem andern der Kirchen Censorn ein
sonderlich unverantwortlicher Vorsatz, straffällige Sachen zu
vertuschen oder sonsten die anbefohlene Amptsgebür gantz
unachtsam hindanzusetzen, solte gespüret werden, dessen
wir doch zu keinem, dem dieses Werck gnädig vertrawet
wirt, Uns versehen wollen, gewönnen Wir Ursach, solchen
oder solche mit Entsetzung ihrer Ehren, Empter und sonsten
mit anderm Ernst anzusehen und straffen, da sie im Gegen-
theil von Uns sich aller Gnaden und Guts, auch, daß Wir sie
bey solcher ihrer uffrichtigen Mühewaltung unnd getrewer
Auffsicht handhaben werden, ohne zweiffel sollen zu getro-
sten haben.
4. Hingegen aber, weil bey solcher Auffsicht Mühe unnd Un-
danck sich ereugen, damit die Kirchen Censorn sich ihres
Ampts destoweniger zu beschweren und destomehr ermun-
tert werden, soll ihnen das halbe von solchen eingesamleten
Kirchenbussen zur Ergetzligkeit gegönnet unnd allewegen in
halb Jahr- oder Jahrsfriste, je nach Gelegenheit, unter sie
außgetheilet, die ander helffte aber der Kirchen und Armen
zum besten angewendet, alles vom Pfarrer uffgezeichnet
unnd mit zuziehung der Beampten, Schultheissen, Meyers
unnd dann der Kirchen Censorn eines oder zweyer, verrech-
net werden.
5. So nun jemand uff die Sontage oder andere bestimpte Fey-
ertäge eine Handarbeit seines eigen Willen und Gefallens
würde fürnemen, Als zeunen, Gewicht [=abzuwiegende Gü-
ter?], Hanff oder Flachs spreiten [=ausbreiten], dasselbige
uffheben, Hew machen, Hauste[i]n einschleiffen, grasen, wä-
schen, backen, [Flachs] brechen unnd was sonsten anders
dergleichen vorgehen mag, es geschehe gleich vor oder nach
der Predigt; Item vor den Predigten in oder ausser der Müh-
len fahren oder tragen, der- oder dieselben sollen ein orths
gülden verfallen seyn. Geschicht es aber unter der Predigt
oder wehrendem Gottesdienst vor und nach Mittag, so ist
die Verbrechung grosser, also auch die Straff desto höher.
6. Wer aber uff obgesetzte Zeit außreiset oder die Predigt
sonsten versaumet ohne vorwissen der Beampten,
Schultheissen, Meyers etc. wie auch der Pfarrern, soll eben-
soviel schuldig zu erlegen seyn.
7. Dieweil ihrer viel unter dem gemeinen Hauffen die Unart
und bosen Gebrauch haben, daß sie ihre Sachen also anstel-
len und uff den Sambstag eben außfahren oder sonsten auß-

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