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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0339
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33. Kirchenzuchtordnung für das Amt Wehen [nach 1602]

balt umb 3 albus unnachleßig gestrafft werden, dar-
zu denn unsere pfarrer und beygeortnede seniorn ein
sonderlich register halten und die straff järlich dem
castenn ides orts verrechnen. Und do solche ver-
brecher und ungehorsame diese verortnede straff zu
erlegen sich widersetzen würden, sollen unsere senio-
ren in beysein ides orts schulteißen denselbigen eine
genugsame pfandung zunehmen und umb gedachte
straff zuversetzen gutten fug, macht unndt gewalt
haben.
3. Dieweill auch bißhero ein große unortnung mit
denn apostelltagen7 gehalten worden, dieweill man
dieselbige auß christlicher freyheit vermög der kir-
chenortnung8 mit einer predigt zum halben tag ge-
feyert, der mehrer theill gantz und zumall dieselbi-
gen predigten nicht besuchen, sondern ihrer arbeit
undt andern geschefften nachgangen, auch unsere
underthanen sich alle zeit beclagt unndt beschwert,
daß sie auf die apostell- und die bettag, auch son-
sten zuweilen uf die fest- und sontag durch fron-
dienst werden von der predigt und dem gottesdinst
abgehalten, so setzeren, ordnen und wollen wir auch
dißfals, solchen endtschuldigen und andern |7v | auß-
fluchten vorzukommen, daß hinfuro von unsern bei-
den pfarrern die aposteltag auß christlicher freiheit
mit einer predigt gantz gefeiert werden, auch sollen
unsere beambten auf obgemelte tag hinfuro mit
frondiensten und dergleichen beschwerungen von
der kirchen niemandts gehalten (es sey dann etwann
ein sonderlicher notfall, welcher doch jedesmals dem
pfarrer ides orts soll angezeigt werden).
4. Dieweill auch biß anhero diese große unordnung
gespüret worden, das vill allererst nach verrichtung
der gebet und lobgesenge, ja, wan offt das evange-
lion oder sonsten der vorgenommene dext verleßen
oder die halbe predigt vollendet, zur kirchen kom-
men, dardurch dann ein große kaltsinnigkeit zu
Gott und seinem seligmachenten wort gespüret
wirdt, auch vill widerumb, ehe die predigt geschlo-
ßen und der segen und lobgesang und also der gantz
7 Die einzelnen Festtage der Apostel.
8 Kirchenordnung von 1574/76, siehe oben, S. 228.
9 Vgl. Hos 14,3; Hebr 13,15.

gottesdienst vollendet, unordentlicher weiß zur kir-
chen hinauß lauffen, so setzen und wollen wir auch
dißfals, das jederman, wan das dritte unndt letzte
zeichen der glocken gegeben wird, alßdann ohn fer-
nern verzug sich bey zeiten zur kirchen finde, alda
dann anfang und eingang zum gottesdienst mit be-
then und singen |8r | helffe bestettigen, und sonder-
lich wöllen wir diejenigen ermahnet haben, die da
lesen unndt singen können, das sie ihre beth- und
gesangbücher mit zur kirchen bringen und alda vor
und nach der predigt Gott den allmechtigen mit be-
then, psalmen und lobgesengen helffen rhümen und
preißen, welches die rechte und Got wollgefelige op-
fer, die farren unser lippen9, nach vollender predigt
sambtlich des segens erwarten und also den gantzen
gottesdienst einmütiglich in wahrer gottesforcht
und christlicher andacht helffen beschließen. Die
verbrecher dieses notwendigen puncten sollen jedes
mall durch die verordnete senioren notirt, dem pfar-
rer angezeigt und gepurlicher maßen gestrafft wer-
den.
5. Dieweill auch die erfahrung leider viell zu vill be-
zeuget, das in diesen letzten bösen tagen und am
ende der welt und andern vielfaltigen schweren sun-
den und lastern die unchristliche gotteslesterung des
allerheiligsten und teursten nahmens Gottes, der
teuwern wunden, marter und sacrament unsers er-
lösers und seligmachers Christi im schwang gehet,
desgleichen das unzimliche vollsauffen auf christli-
chen hochzeitlichen ehrentagen, kindtauffen und
sonsten anderer gastreyen mit ubermeßiger, viehi-
scher und unnatürlicher verschwendung der edlen
gaben Gottes, so zur | 8v | notwendigen underhaltung
dieses zeitlichen lebens dem menschen gegeben, dar-
durch dann Gott der allmechtig umb so vill desto
mehr uns mit mißwachsenden jahren10 und andern
plagen zu straffen und heimzusuchen verursacht
wirdt, so wöllen wir auch hiermit dasselbige ernst-
lich und bey peen eines orts11 gülden unnachleßig
verbotten haben, darauf denn die seniores gleicher
gestalt wie dann auch unsere beambten ein vleißiges
10 Jahre mit geringer Ernte oder Ernteausfall, Grimm,
DWb 12, Sp. 2321f.
11 1 Ort = ein Viertel, Schrötter, Wörterbuch, S. 475.

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