6a. Mandat zu Visitation und Sittenzucht 1597
6a. Mandat zu Visitation und Sittenzuchta
23. Februar 1597
Wir, Philips Ludwig unndt Albrecht gebrüedere1,
gravenn zu Hanaw unndt Rieneckh, herrnn zu
Müntzenbergk etc., entbietenn allenn unndt jeden
unnsern amptleuttenn, bevelchaberenn, kellernn,
schultheißenn unndt zentgrevenn2, wie dann auch
unnsern inspectorn, pfarrherrnn, predigernn, kir-
chenn- unndt schuelldienernn unnserer grave- unndt
herrschafften unnser gnadt unndt füegenn euch
sampt unndt besonnders hiermit zuewießenn:
Demnach durch die gnadt Gottes unndt deßen
seeligmachenden wortt, auch natiirlicher pflicht wir
unnß schuldig erkennenn, nicht allein unnserer lie-
ben von Gott anbevohlenen underthanenn zeitli-
ches, sondernn auch ir ewiges heill undt wolfarth zue
befürdernn, dahero wir dann nicht wenig verur-
sacht, kurtz verschiennen tage (wie euch wießendt)
unsern superintendenten unndt visitatorn3 zu euch
abzuefertigenn unndt durch sie den gegenwertigen
zuestandt undt gelegenheit unnserer kirchen unndt
schuellenn etc. zuerforschenn undt zuerlehrnenn,
inen auch gnediglich anbevohlenn, alles jenige, waß
den lauff des seeligmachenden evangelii unndt Got-
tes forcht verhindernn möchte, abzueschaffenn
unndt das jenige, so die waarheit unndt Gottes | 92v |
forcht befürdernn möchte, nach anleitung der hey-
ligen schriefft inn der forcht des herren anzuordt-
nen.
a Textvorlage (Handschrift): HStaatsA Marburg Best. 83,
Nr. 356, fol. 92r-97r.
1 Philipp Ludwig II. von Hanau-Münzenberg (1576-1612)
hatte Ende 1595 die eigenverantwortliche Regierung der
Grafschaft Hanau-Münzenberg angetreten. Trotz beste-
henden Primogeniturrechts strebte sein jüngerer Bruder
Albrecht (1579-1635) die Mitherrschaft und schließlich
die Landesteilung an, worüber bis über den Tod Philipp
Ludwigs II. hinaus heftig gestritten wurde. Nur einige
Mandate - wie dieses - aus den Anfangsjahren ihrer
Herrschaft wurden von beiden Brüdern gemeinsam er-
lassen, Cuno, Philipp Ludwig II., S. 67; vgl. Müller-
Ludolph, Philipp Ludwig II., S. 145-169; Dietrich,
Landes-Verfaßung, S. 174-189.
Wiewol wir nun bey ermeldter unnserer abgefer-
tigtenn relation gnedig unndt mit freuden vernom-
men, daß der mehrertheill unnserer underthanenn
sich alß gotßförchtige christen erzeigt undt also ur-
sach haben, Gott fur seine gnadt unndt gaaben, so
er durch sein gepredigtes wortt inn unserer kirchen
reichlich darbeut unndt erzeigt, inniglichen zue-
danckenn, weill wir aber doch auch darbeineben un-
derthenig berichtet, daß ettliche ruchloße unndt
friedthäßige, gleichwol inn Gottes wortt ohnwießen-
de leutt mit underm hauffen4, so unnsere kirchen
mit höchster unehr des allmechtigen undt unnsers
einigen erlößers Christi, auch betrüebnuß guether-
tziger christen, verwürrenn undt zu viellfaltiger un-
ordtnung undt wiederwillen ursach undt anlaß ge-
ben sollenn, alß haben wir tragenden ampts unndt
hoher obrigkeitt wegen nicht underlaßen söllenn,
solchem sträfflichem argernuß unndt einreißendem
unheill, so sich hien undt wieder mercken lest undt
künfftig ferner ereugenn5 möchte, inn zeitten mit
sonderbarem6 ernnst zuebegegnenn, auch unnsern
amptleuttenn, | 93r | bevelchabernn, auch weltlichen
unndt kirchendienernn einem jeden an seinem ortt
darob zuehaltenn hiemit zuebevehlenn.
Unndt demnach anfengklichen bey unnß chri-
stenn unlaugbar wahr, waß maßen das heylige wortt
2 Die Zent war der Bezirk eines Zentgerichts, das zwischen
zehn und dreißig Orte umfassen konnte, und das von den
Zentgrafen verwaltet wurde. Zentgerichte und Zenten
waren vor allem im Mosel- und Rheinland, in der Pfalz
und der Wetterau sowie in Hessen und Franken verbrei-
tet, Kroeschell, Zent/Zentgericht, in: LMA 9 (1998),
S. 536f. Vgl. die Zenten in der Grafschaft Erbach,
Sehling, EKO IX, S. 411 Anm. 2.
3 Magister Jodocus Naum und Heinrich Crafft, siehe
oben, S. 378 Anm. 54; S. 380 Anm. 63.
4 In der Menge, unter der Bevölkerung.
5 Zeigen, Grimm, DWb 3, Sp. 698.
6 Besonderem.
411
6a. Mandat zu Visitation und Sittenzuchta
23. Februar 1597
Wir, Philips Ludwig unndt Albrecht gebrüedere1,
gravenn zu Hanaw unndt Rieneckh, herrnn zu
Müntzenbergk etc., entbietenn allenn unndt jeden
unnsern amptleuttenn, bevelchaberenn, kellernn,
schultheißenn unndt zentgrevenn2, wie dann auch
unnsern inspectorn, pfarrherrnn, predigernn, kir-
chenn- unndt schuelldienernn unnserer grave- unndt
herrschafften unnser gnadt unndt füegenn euch
sampt unndt besonnders hiermit zuewießenn:
Demnach durch die gnadt Gottes unndt deßen
seeligmachenden wortt, auch natiirlicher pflicht wir
unnß schuldig erkennenn, nicht allein unnserer lie-
ben von Gott anbevohlenen underthanenn zeitli-
ches, sondernn auch ir ewiges heill undt wolfarth zue
befürdernn, dahero wir dann nicht wenig verur-
sacht, kurtz verschiennen tage (wie euch wießendt)
unsern superintendenten unndt visitatorn3 zu euch
abzuefertigenn unndt durch sie den gegenwertigen
zuestandt undt gelegenheit unnserer kirchen unndt
schuellenn etc. zuerforschenn undt zuerlehrnenn,
inen auch gnediglich anbevohlenn, alles jenige, waß
den lauff des seeligmachenden evangelii unndt Got-
tes forcht verhindernn möchte, abzueschaffenn
unndt das jenige, so die waarheit unndt Gottes | 92v |
forcht befürdernn möchte, nach anleitung der hey-
ligen schriefft inn der forcht des herren anzuordt-
nen.
a Textvorlage (Handschrift): HStaatsA Marburg Best. 83,
Nr. 356, fol. 92r-97r.
1 Philipp Ludwig II. von Hanau-Münzenberg (1576-1612)
hatte Ende 1595 die eigenverantwortliche Regierung der
Grafschaft Hanau-Münzenberg angetreten. Trotz beste-
henden Primogeniturrechts strebte sein jüngerer Bruder
Albrecht (1579-1635) die Mitherrschaft und schließlich
die Landesteilung an, worüber bis über den Tod Philipp
Ludwigs II. hinaus heftig gestritten wurde. Nur einige
Mandate - wie dieses - aus den Anfangsjahren ihrer
Herrschaft wurden von beiden Brüdern gemeinsam er-
lassen, Cuno, Philipp Ludwig II., S. 67; vgl. Müller-
Ludolph, Philipp Ludwig II., S. 145-169; Dietrich,
Landes-Verfaßung, S. 174-189.
Wiewol wir nun bey ermeldter unnserer abgefer-
tigtenn relation gnedig unndt mit freuden vernom-
men, daß der mehrertheill unnserer underthanenn
sich alß gotßförchtige christen erzeigt undt also ur-
sach haben, Gott fur seine gnadt unndt gaaben, so
er durch sein gepredigtes wortt inn unserer kirchen
reichlich darbeut unndt erzeigt, inniglichen zue-
danckenn, weill wir aber doch auch darbeineben un-
derthenig berichtet, daß ettliche ruchloße unndt
friedthäßige, gleichwol inn Gottes wortt ohnwießen-
de leutt mit underm hauffen4, so unnsere kirchen
mit höchster unehr des allmechtigen undt unnsers
einigen erlößers Christi, auch betrüebnuß guether-
tziger christen, verwürrenn undt zu viellfaltiger un-
ordtnung undt wiederwillen ursach undt anlaß ge-
ben sollenn, alß haben wir tragenden ampts unndt
hoher obrigkeitt wegen nicht underlaßen söllenn,
solchem sträfflichem argernuß unndt einreißendem
unheill, so sich hien undt wieder mercken lest undt
künfftig ferner ereugenn5 möchte, inn zeitten mit
sonderbarem6 ernnst zuebegegnenn, auch unnsern
amptleuttenn, | 93r | bevelchabernn, auch weltlichen
unndt kirchendienernn einem jeden an seinem ortt
darob zuehaltenn hiemit zuebevehlenn.
Unndt demnach anfengklichen bey unnß chri-
stenn unlaugbar wahr, waß maßen das heylige wortt
2 Die Zent war der Bezirk eines Zentgerichts, das zwischen
zehn und dreißig Orte umfassen konnte, und das von den
Zentgrafen verwaltet wurde. Zentgerichte und Zenten
waren vor allem im Mosel- und Rheinland, in der Pfalz
und der Wetterau sowie in Hessen und Franken verbrei-
tet, Kroeschell, Zent/Zentgericht, in: LMA 9 (1998),
S. 536f. Vgl. die Zenten in der Grafschaft Erbach,
Sehling, EKO IX, S. 411 Anm. 2.
3 Magister Jodocus Naum und Heinrich Crafft, siehe
oben, S. 378 Anm. 54; S. 380 Anm. 63.
4 In der Menge, unter der Bevölkerung.
5 Zeigen, Grimm, DWb 3, Sp. 698.
6 Besonderem.
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