Evangelische Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts

Ysenburg-Ronneburg

nuß erhalten, gnade unndt einigkeit verleyhenn, die
underthanen nach deinem gotlichenn willenn und
wolgefallen zu regirenn, auf daß die gerechtigkeit
gefordert, die | bößheitt verhindert unndt gestrafft
werde, damit wir alle inn stiller ruhe unndt guetem
friedenn, als christenn geburet, under deinem gne-
digenn schutz unndt schirm unser lebenn volfuhrenn
mögenn in aller gotseligkeit, zucht unndt erbarkeit,
daß auch unsere feindt undt wiedersächer ablassenn
undt sich mit uns friedtlich undt bruederlich zule-
ben begebenn wollen. Alle die, so in trubsall, armut,
kranckheit, kinndtsbandenn16 unndt anderer an-
fechtung sein, auch die, so umb deines heyligen na-
mens undt der warheit willenn angefochten, gefan-
gen oder sonst verfolgung leyden, tröste sie, o Gott,
mit deinem h. geyst, daß sie solches alles fur deinen
heyligen vätterlichenn willen aufnehmen undt er-
kennen. Wollest uns auch alle frucht der erdenn, zur
leiblichen notturft gehörig, mit fruchtbarer wach-

sung geraden unndt gedeyenn lassenn, uns auch
gnadt verleyhenn, solche mit danckbarkeit zuge-
niessen undt zugebrauchen. Auch bittenn wir fur
alles, darfur du, ewiger Gott, gebettenn sein
wilt17, daß du unß solches gnediglich verleyhest
durch daß bitter leydenn unndt sterbenn deines ei-
nigen sohns, unsers geliebten herrens etc., amen.
Vatter unser18 etc.
Uf mittag wirdt die kinnderlehr auch mit einem
christlichenn gesang oder psalmen angefangenn,
darnach uf die cantzel gangenn. Undt wirdt der ca-
techismus fein deutlich furgelesenn, nach solchem
ein stuck einfeltig undt christlich ausgelegt, | als-
dann mit der jugendt daß examen gehaltenn unndt
endtlich mit dem gesang, christlichem gebett fur er-
haltung Gottes worts undt dem segenn beschlossen.

[2.] Forma, wie es inn verrichtung der h. tauff gehaltenn wirdt

Liebenn freundt unndt christenn. Es wirdt uns alhie
ein kinndtlein furgetragenn undt ist von seinetwe-
genn begert wordenn, daß es durch das gebet der
heyligenn christlichenn kirchenn eingeleibet undt
bevohlen, auch nach der ordnung unsers hern Chri-
sti19 getauft werde. Wir horen aber teglich auß Got-
tes wort, erfahrens auch beydes, an unserm lebenn
unndt sterbenn, das wir allesampt in sunden emp-
fangenn undt geboren werden, darinnen wir dann in
ewigkeit verlohren undt verdampt sein müsten, wo
uns nicht durch den eingeborn sohn Gottes, unsern
liebenn hernn Jesum Christum, daraus geholffenn
were. Weyl dann dieses gegenwertige arme kindtle
in seiner natur mit gleichenn sunden in massen, wie
wir auch, vergiftet unndt verunreiniget ist, darumb
es dan auch deß ewigenn todts unndt verdambnuß
sein undt pleiben muste, unndt aber Gott, der vat-
ter aller gnadenn undt barmhertzigkeit, seinen lie-

16 Schwangerschaft.
17 Vgl. Mt 7,7-8; Mk 11,24; Lk 11,9-10; Joh 14,13; 1Joh
5,14-15.
18 Mt 6,9-13.

ben sohn der gantzenn welt undt also auch den klei-
nen kinden nichts wenigers dann den alten verhei-
ßen undt geschenckt hat, welcher auch der gantzen
welt sundt | hat getragenn20 unndt die arme kindt-
lein nichts wenigers als die altenn vonn sundt, todt
undt verdamptnuß erlöset unndt selig gemacht hat,
auch bevohlenn, man soll sie zu ihme bringenn21, auf
daß sie vonn ime in der h. tauff gesegnet werdenn.
Quaestio: Bekennt ihr nun, wie itzt gehört, daß die-
ses kinndtlein in sunden empfangenn undt geboren
sey?
Dicat: Ja.
Begert ihr dann auch, das ihme durch Christi, un-
sers hernn, bitter leydenn unndt sterbenn wie auch
durch die heylige tauff geholffenn mög werdenn?
Ja.

19 Mt 28,16-20.
20 Joh 1,29.
21 Mt 19,13-15; Mk 10,13-16; Lk 18,15-17.

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