Ysenburg-Ronneburg
Des wolgepornen hern, hern Heinrichen von Ysenburg, graffen zue Budingen, pfarhern und kirchendiener
sollen sich nachvolgender instruction biß zu einer gemeinen kirchenordnung, welche in der herschafft
kunftig soll auffgericht werden, gemeß und gleichformig erzeigen
Erstlich, so viel die agenda oder verrichtung deß
gottsdinst in der kirchen mit predigen, singen, lesen,
handtlung der h. sacrament, kinderlehr und be-
geh[ung]b der feyrtag anlangt, sollen sie in diesem
allenn gleichmessig ceremonien, und wilche in der
herschafft bißhero (doch den mißbrauch außge-
scheiden) breuchl[ich] gewesen, haltten undt obser-
viren, nemlich:
Auff den sonn- und feyrtagen sollen die fru-
hepredigten ihm sommer umb 8 und ihm winter
umb 9 uhr angefangen werden. Vor der predigt soll
ein geistlicher deutscher gesang gesungen, daruff die
epistel desselbigen sontags oder fest mit einem vor-
hergehenden gebetlein verlesen und alsdan der
christlich glaub5 gesungen werden. Auff dieses soll
die predigt folgen, doch sollen zuvor die funff
hauptstuck5 6 der christlichen lehr ihn außlegung von
der cantzell recitirt werden.
Nach der predigt soll daß h. abendtmahll, wan
communicanten verhanden, gehalten und darunder
gesungen werden. Do aber kein communicanten vor-
handen, so soll doch auff die predigt ein christlicher
deutscher gesang, gebet undt segen ad populum er-
volgen. |
Ihn der predigt wirdt ein ider pfarher sich ge-
burlicher maß zugebrauchen und unnötige weitleuff-
tigkeit zuvermeiden wissen, ihn betrachtung, daß
seine zuhörer einfaltiges, geringes verstandts, doher
sie mehr durch weitleufftige predigt ihrr gemacht
dan underricht werden, und daß auch der mehren-
b Das Papier ist am Seitenrand zerstört.
5 Luther: Wir glauben all an einen Gott, AWA 4, Nr. 24.
6 Zu den fünf Hauptstücken des Katechismus siehe oben,
S. 214 Anm. 17.
7 Hier wird auch auf das Problem des sogenannten Kir-
chenschlafs angespielt, von dem die körperlich arbeiten-
de bäuerliche Bevölkerung heimgesucht wurde und ge-
gen den die Obrigkeiten im letzten Viertel des 16. Jahr-
hunderts verstärkt vorging, Brückner, Bekenntnis-
gemälde, S. 184.
8 Der Katechismusunterricht.
theils zuhörer auß andern dorffern einen weiten weg
zur kirchen haben'.
Auff den sontagen nach mittag zwischen ein und
zwo uhrn soll daß jhar uber von Petri [29. Juni] biß
auff Simonis und Judae [28. Okt.] die kinderlehr8
gehalten werden. Aldo soll ein christlicher deutscher
gesang vorher gesungen, doruff ein kurtze predigt
undt underricht auß dem h. catechismo geschehen,
folgendts das examen catechismi jegen den zuhörern
vorgenommen und endtlich mit einem christlichenn
gesang und gebetlein umb erhaltung Gotts wortts
beschlossen werden.
Von den feyrtagen
Der apostell und ander fest, so von den Augspurgi-
schen Confession verwandten kirchen zu feyren an-
genommen sindt, sollen von unsers g[nädigen]
h[errn] pfarhern auch gehalten werden, doch mit
dem underscheidt, daß die apostellfest, so ihm som-
mer gefallen9, nur einen halben tag gefeyret werden.
Von ehesachen
In ehesachen sollen die pfarhern sich auch der ne-
wen publicirten landtordnung10, ihn wilcher ihm
19. titell deß 2. theils davon disponirt ist, richten
und verhaltten. | Wo aber disputirliche und zweivel-
hafftige fell sich wurden zutragen, sollen sie solchs
ahn unsern g. h. gelangen lassen; so werden alsdan
9 Philippi et Jacobi (1. Mai), Peter und Paul (29. Juni),
Jakobus d. Ä. (25. Juli), Bartholomäus (24. Aug.), Mat-
thäus (21. Sept.).
10 Hier ist das Solmser Landrecht von 1571 gemeint, abge-
druckt in Kunkel, Quellen, S. 173-254, hier S. 211-221.
Das Landrecht war über die Grenzen der Grafschaft
Solms hinaus im gesamten hessischen und mittelrheini-
schen Raum verbreitet. Zur Entstehung siehe Fuchs,
Zur Geschichte, S. 270-277; ders., Quellen, S. 292-320;
Welkoborsky, Landrecht, S. 1-66. Zur Verbreitung
siehe ebd., S. 5; Schmidt, Grafenverein, S. 123.
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Des wolgepornen hern, hern Heinrichen von Ysenburg, graffen zue Budingen, pfarhern und kirchendiener
sollen sich nachvolgender instruction biß zu einer gemeinen kirchenordnung, welche in der herschafft
kunftig soll auffgericht werden, gemeß und gleichformig erzeigen
Erstlich, so viel die agenda oder verrichtung deß
gottsdinst in der kirchen mit predigen, singen, lesen,
handtlung der h. sacrament, kinderlehr und be-
geh[ung]b der feyrtag anlangt, sollen sie in diesem
allenn gleichmessig ceremonien, und wilche in der
herschafft bißhero (doch den mißbrauch außge-
scheiden) breuchl[ich] gewesen, haltten undt obser-
viren, nemlich:
Auff den sonn- und feyrtagen sollen die fru-
hepredigten ihm sommer umb 8 und ihm winter
umb 9 uhr angefangen werden. Vor der predigt soll
ein geistlicher deutscher gesang gesungen, daruff die
epistel desselbigen sontags oder fest mit einem vor-
hergehenden gebetlein verlesen und alsdan der
christlich glaub5 gesungen werden. Auff dieses soll
die predigt folgen, doch sollen zuvor die funff
hauptstuck5 6 der christlichen lehr ihn außlegung von
der cantzell recitirt werden.
Nach der predigt soll daß h. abendtmahll, wan
communicanten verhanden, gehalten und darunder
gesungen werden. Do aber kein communicanten vor-
handen, so soll doch auff die predigt ein christlicher
deutscher gesang, gebet undt segen ad populum er-
volgen. |
Ihn der predigt wirdt ein ider pfarher sich ge-
burlicher maß zugebrauchen und unnötige weitleuff-
tigkeit zuvermeiden wissen, ihn betrachtung, daß
seine zuhörer einfaltiges, geringes verstandts, doher
sie mehr durch weitleufftige predigt ihrr gemacht
dan underricht werden, und daß auch der mehren-
b Das Papier ist am Seitenrand zerstört.
5 Luther: Wir glauben all an einen Gott, AWA 4, Nr. 24.
6 Zu den fünf Hauptstücken des Katechismus siehe oben,
S. 214 Anm. 17.
7 Hier wird auch auf das Problem des sogenannten Kir-
chenschlafs angespielt, von dem die körperlich arbeiten-
de bäuerliche Bevölkerung heimgesucht wurde und ge-
gen den die Obrigkeiten im letzten Viertel des 16. Jahr-
hunderts verstärkt vorging, Brückner, Bekenntnis-
gemälde, S. 184.
8 Der Katechismusunterricht.
theils zuhörer auß andern dorffern einen weiten weg
zur kirchen haben'.
Auff den sontagen nach mittag zwischen ein und
zwo uhrn soll daß jhar uber von Petri [29. Juni] biß
auff Simonis und Judae [28. Okt.] die kinderlehr8
gehalten werden. Aldo soll ein christlicher deutscher
gesang vorher gesungen, doruff ein kurtze predigt
undt underricht auß dem h. catechismo geschehen,
folgendts das examen catechismi jegen den zuhörern
vorgenommen und endtlich mit einem christlichenn
gesang und gebetlein umb erhaltung Gotts wortts
beschlossen werden.
Von den feyrtagen
Der apostell und ander fest, so von den Augspurgi-
schen Confession verwandten kirchen zu feyren an-
genommen sindt, sollen von unsers g[nädigen]
h[errn] pfarhern auch gehalten werden, doch mit
dem underscheidt, daß die apostellfest, so ihm som-
mer gefallen9, nur einen halben tag gefeyret werden.
Von ehesachen
In ehesachen sollen die pfarhern sich auch der ne-
wen publicirten landtordnung10, ihn wilcher ihm
19. titell deß 2. theils davon disponirt ist, richten
und verhaltten. | Wo aber disputirliche und zweivel-
hafftige fell sich wurden zutragen, sollen sie solchs
ahn unsern g. h. gelangen lassen; so werden alsdan
9 Philippi et Jacobi (1. Mai), Peter und Paul (29. Juni),
Jakobus d. Ä. (25. Juli), Bartholomäus (24. Aug.), Mat-
thäus (21. Sept.).
10 Hier ist das Solmser Landrecht von 1571 gemeint, abge-
druckt in Kunkel, Quellen, S. 173-254, hier S. 211-221.
Das Landrecht war über die Grenzen der Grafschaft
Solms hinaus im gesamten hessischen und mittelrheini-
schen Raum verbreitet. Zur Entstehung siehe Fuchs,
Zur Geschichte, S. 270-277; ders., Quellen, S. 292-320;
Welkoborsky, Landrecht, S. 1-66. Zur Verbreitung
siehe ebd., S. 5; Schmidt, Grafenverein, S. 123.
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