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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0611
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6. Fastnachtsmandat 1590

6. Fastnachtsmandat“
4. Februar 1590

Wolffgang1.
Unsern gruß zuvor, lieber getrewer.
Demnach wir uns g[nädig] erinnert haben, weß ma-
ßen järlichen die bacchanalien oder faßnacht jeder
wegen von aller endts unserer der Dreyeich iurisdic-
tion2 underthanen mit einem gotlosen, ergerlichen,
heidnischen und unchristlichem wandel, alß freßen
und sauffen, vermumen, reyhen gehen3, scham-
pffere4, unzuchtige lieder singen, braten aufhe-
ben5 und ander mehr leichtfertigkeiten agirt und ge-
trieben werden, darauß dan offt mancher und viel
zu großer unvernunfft, sunde, laster, zorn und hader
gereitzt und bewegt, auch folgendt Gottes unndt
seiner gotlichen majestet billicher unnd gerechter
zorn gereitzet, sundhaffte, verdampte lasterung ge-
bracht und unwiderbringlichen schaden an leib
unnd seele, hie zeitlich und dort ewiglich, in gefahr
und verderben kommen und gestelt werdenn. Wan
dan wir in unsern ämptern Wechterspach, Spilburg,
Merholtz wie auch hierunden nit allein die feiertage
der verstorbenen heiligen ohn und wider daß wort
Gottes, welcher ihme allein zu feyren ernstlich be-
fohlen hatt, vom antichrist, seine abgötterer damit
zubestetigenn, sondern auch sunderlichen diß järlich
heidnisch fest, so faßnacht genandt wirdt, und dem
teuffelischen weinabgott Baccho zu ehren, dem wa-
ren Gott aber zu schmach und unehren vom leidigen
Sathan selbst bey und under seinen kindern deß un-
glaubens gestifftet und angerichtet, gentzlichen ab-
schaffen laßenn, sindt wir zu fortpflantzung der ehre
Gottes und seines Namens, wie dan uns soliches alß

a Textvorlage (Handschrift): FYBA Büdingen Kulturwe-
sen Fasz. 15, Nr. 86a.

1 Wolfgang von Ysenburg-Ronneburg (1533-1597), siehe
oben, S. 552 Anm. 35.
2 Die Dreieich wurde von beiden Ysenburger Linien ge-
meinsamen regiert.

christlicher obrigkeit geburen will, soliche järliche
prophanische solenniteten, so bishero in unserer ge-
deuten6 iurisdiction der Dreyeich järlichen | von et-
lichen weltkindern exercirt und getrieben worden,
ebenermaßen abzuschaffen und gentzlichen den hei-
den, von denen es herkommen, widerumb zuzuwei-
sen, vermög einer christlichen ordnung entschloßen.
Befehlen also dir hiemit ernstlichen, daß du un-
sern underthanen mit ernst auflegest, auch in jedem
flecken verlesen laßest, damit sie von obgedachtem
järlichem heidnischen unwesen unndt mißstandt ab-
stehen, sich deren wie auch andern lastern enthal-
ten. Insonderheit wollen wir auch, daß keinen auß-
lendischen solich wesen in unsern flecken, alß braten
aufheben und dergleichen, zu exerciren gestattet
werde. Im fall aber, diesem unserm ernsten befelich
von einigem oder dem andern widersetzt wurde, der-
selbige ohne einige entgeltnuß in unsere ungenade
und straaff gefallen und denuncirt sein soll, damit
unserm notturfftigenn gebott, so der ehre Gottes
und dem gemeinen besten furträglich, gewißlich
nachgangen unndt volge gelebt werde.
Darin geschicht neben Gottes ehre und der kir-
chen auferbaweung unser g. wil und meinung und
sind dir sonsten mitt g. geneigt.
Datum Kelsterbach, am 4. Febr. Anno etc. [15]90
Propria schreibens an amptman, belangend die faß-
nachtt.

3 Tanzen, vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 650.
4 Unanständige, Grimm, DWb 14, Sp. 2120.
5 Von Haus zu Haus gehen und Fleisch erbitten, siehe
oben, S. 128 Anm. 70.
6 Angedeuteten, genannten.

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