Demgegenüber hatte Neuburg 1554 die ältere und einfachere Fassung des Examens, wie sie die
Mecklenburger Kirchenordnung von 1552 geboten hatte.
Dieser eigenartige Umstand, daß Württemberg 1553 als Druckvorlage eine formelle Priorität
gegenüber Neuburg 1554 besitzt, läßt sich wohl noch näher erklären. Bereits am 17. Dezember 1555
übersandte Christoph von Württemberg neben anderen Ordnungen auch seine Kirchenordnung an Kur-
fürst Friedrich II. auf dessen Wunsch hin39. Daraufhin haben kurpfälzische Theologen augenscheinlich
mit der Ausarbeitung einer Ordnung begonnen, die aber zu Lebzeiten Friedrichs nicht mehr ins Werk
gesetzt wurde40. Auch Melanchthon weiß am 1. Mai 1556 dem König Christian III. von Dänemark,
Friedrichs altem Rivalen um die Königskrone, zu berichten: ,,Pfalzgraf Friedrich, churfürst etc., hat
ein christlich kirchenordnung vor seinen tod lassen stellen, die er im ganzen land hat wollen gleichförmig
anrichten, soll der Württembergischen gleich seyn, die christlich ist. Dieses werk wird nu durch hertzog
Othen.[rich], auch pfalzgrafen und churfürst, vollzogen. Gott gebe gnad dazu“41. Demnach scheint Ott-
heinrich bei der Regierungsübernahme in Kurpfalz bereits den Entwurf einer neuen Kirchenordnung,
die sich an das württembergische Vorbild anschloß, vorgefunden zu haben. Entsprechende Bemerkungen
über den Reformationswillen Friedrichs im Reformationsmandat vom 16. April und in der Vorrede der
Kirchenordnung von 1556 stimmen damit zusammen42. Daß in diesem Entwurf bereits die neuburgische
Kirchenordnung von 1554 Berücksichtigung gefunden hätte, ist bei dem gespannten Verhältnis zwischen
Friedrich II. und Ottheinrich in diesen Jahren nicht ohne weiteres anzunehmen. Nach der Vorrede der
neuen Kirchenordnung hat Ottheinrich sofort nach seinem Regierungsantritt ,,etlichen fürnemen theo-
logen und anderen gelerten räthen“ nicht nur die Neuburger Ordnung von 1554, sondern andere nam-
hafte - es sind dies also Württemberg 1553 und Mecklenburg 1554 - zustellen lassen, die die neue Ord-
nung in längerer Beratung in der oben beschriebenen Weise, wohl unter Benutzung des aus Friedrichs II.
Regierungszeit vorliegenden Entwurfs, herstellten. Dazu scheinen auch theologische Gutachten von aus-
wärts eingeholt worden zu sein, von denen wir aber Näheres nicht wissen. Melanchthon mag solcherart
zu seinem Wissen gekommen sein, vielleicht gehen die Varianten des Ordinandenexamens auf ihn zu-
rück.
Die Vorrede vom 4. April 1556, die zugleich Einführungsmandat ist, ist sichtlich vordatiert, da das
Reformationsmandat vom 16. April (Nr. 6) die Kirchenordnung als noch in Arbeit befindlich bezeich-
net. Auch wird die Drucklegung im fernen Neuburg die faktische Einführung noch hinausgezögert haben.
Die Versendung der Kirchenordnung in die Pfarreien ist teilweise bereits vor der Visitation im August
1556 erfolgt. Wo sie um diese Zeit noch nicht eingeführt ist, wird sie durch die Visitatoren ausgeliefert
und in Geltung gesetzt, so daß sie seit dieser Visitation allerorten befolgt wird. Wenn man allerdings spä-
teren Nachrichten glauben darf, so ist sie in der Folgezeit in der Praxis gelegentlich abgewandelt worden,
jeweils von Gnesiolutheranern wie Heshusen in ihrem und von reformiert Gesinnten in deren Sinne.
Ihre offizielle Geltung erstreckte sich neben der Rheinpfalz auch auf die Oberpfalz und sogar auf
Neuburg, wo sie die ältere Ordnung von 1554 ablöst. In Neuburg wurde sie 1560 durch die Zweibrücker
Kirchenordnung Herzog Wolfgangs (von 1557), in der Rheinpfalz 1563 durch die reformierte Kirchen-
ordnung Friedrichs III. (Nr. 31), in der Oberpfalz nach 1601 allmählich durch die reformierte Kirchen-
ordnung Friedrichs IV. (Nr. 96) ersetzt. In erweiterter Form hat sie 1577-1583 unter Ludwig VI.
(Nr. 60) in Rhein- und Oberpfalz noch einmal in Geltung gestanden.
39 V. Ernst, Briefwechsel des Herzogs Christoph von Wirtemberg, Bd. III. Stuttgart 1902, Nr. 205, S. 368—369.
40 v.Weech in ZGO 25, 1873, S. 252.
41 CB VIII, S. 744-745.
42 Ähnlich schon Seisen, S. 59.
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Mecklenburger Kirchenordnung von 1552 geboten hatte.
Dieser eigenartige Umstand, daß Württemberg 1553 als Druckvorlage eine formelle Priorität
gegenüber Neuburg 1554 besitzt, läßt sich wohl noch näher erklären. Bereits am 17. Dezember 1555
übersandte Christoph von Württemberg neben anderen Ordnungen auch seine Kirchenordnung an Kur-
fürst Friedrich II. auf dessen Wunsch hin39. Daraufhin haben kurpfälzische Theologen augenscheinlich
mit der Ausarbeitung einer Ordnung begonnen, die aber zu Lebzeiten Friedrichs nicht mehr ins Werk
gesetzt wurde40. Auch Melanchthon weiß am 1. Mai 1556 dem König Christian III. von Dänemark,
Friedrichs altem Rivalen um die Königskrone, zu berichten: ,,Pfalzgraf Friedrich, churfürst etc., hat
ein christlich kirchenordnung vor seinen tod lassen stellen, die er im ganzen land hat wollen gleichförmig
anrichten, soll der Württembergischen gleich seyn, die christlich ist. Dieses werk wird nu durch hertzog
Othen.[rich], auch pfalzgrafen und churfürst, vollzogen. Gott gebe gnad dazu“41. Demnach scheint Ott-
heinrich bei der Regierungsübernahme in Kurpfalz bereits den Entwurf einer neuen Kirchenordnung,
die sich an das württembergische Vorbild anschloß, vorgefunden zu haben. Entsprechende Bemerkungen
über den Reformationswillen Friedrichs im Reformationsmandat vom 16. April und in der Vorrede der
Kirchenordnung von 1556 stimmen damit zusammen42. Daß in diesem Entwurf bereits die neuburgische
Kirchenordnung von 1554 Berücksichtigung gefunden hätte, ist bei dem gespannten Verhältnis zwischen
Friedrich II. und Ottheinrich in diesen Jahren nicht ohne weiteres anzunehmen. Nach der Vorrede der
neuen Kirchenordnung hat Ottheinrich sofort nach seinem Regierungsantritt ,,etlichen fürnemen theo-
logen und anderen gelerten räthen“ nicht nur die Neuburger Ordnung von 1554, sondern andere nam-
hafte - es sind dies also Württemberg 1553 und Mecklenburg 1554 - zustellen lassen, die die neue Ord-
nung in längerer Beratung in der oben beschriebenen Weise, wohl unter Benutzung des aus Friedrichs II.
Regierungszeit vorliegenden Entwurfs, herstellten. Dazu scheinen auch theologische Gutachten von aus-
wärts eingeholt worden zu sein, von denen wir aber Näheres nicht wissen. Melanchthon mag solcherart
zu seinem Wissen gekommen sein, vielleicht gehen die Varianten des Ordinandenexamens auf ihn zu-
rück.
Die Vorrede vom 4. April 1556, die zugleich Einführungsmandat ist, ist sichtlich vordatiert, da das
Reformationsmandat vom 16. April (Nr. 6) die Kirchenordnung als noch in Arbeit befindlich bezeich-
net. Auch wird die Drucklegung im fernen Neuburg die faktische Einführung noch hinausgezögert haben.
Die Versendung der Kirchenordnung in die Pfarreien ist teilweise bereits vor der Visitation im August
1556 erfolgt. Wo sie um diese Zeit noch nicht eingeführt ist, wird sie durch die Visitatoren ausgeliefert
und in Geltung gesetzt, so daß sie seit dieser Visitation allerorten befolgt wird. Wenn man allerdings spä-
teren Nachrichten glauben darf, so ist sie in der Folgezeit in der Praxis gelegentlich abgewandelt worden,
jeweils von Gnesiolutheranern wie Heshusen in ihrem und von reformiert Gesinnten in deren Sinne.
Ihre offizielle Geltung erstreckte sich neben der Rheinpfalz auch auf die Oberpfalz und sogar auf
Neuburg, wo sie die ältere Ordnung von 1554 ablöst. In Neuburg wurde sie 1560 durch die Zweibrücker
Kirchenordnung Herzog Wolfgangs (von 1557), in der Rheinpfalz 1563 durch die reformierte Kirchen-
ordnung Friedrichs III. (Nr. 31), in der Oberpfalz nach 1601 allmählich durch die reformierte Kirchen-
ordnung Friedrichs IV. (Nr. 96) ersetzt. In erweiterter Form hat sie 1577-1583 unter Ludwig VI.
(Nr. 60) in Rhein- und Oberpfalz noch einmal in Geltung gestanden.
39 V. Ernst, Briefwechsel des Herzogs Christoph von Wirtemberg, Bd. III. Stuttgart 1902, Nr. 205, S. 368—369.
40 v.Weech in ZGO 25, 1873, S. 252.
41 CB VIII, S. 744-745.
42 Ähnlich schon Seisen, S. 59.
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