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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0063
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haltspunkt oder Beleg geboten haben. Die augenfällige Gleichartigkeit der Disposition dieser mit der von
Ehem entworfenen Ordnung des Kirchenrats (Nr. 32) spricht ebenfalls dafür. Auch das materiale Ehe-
recht, das die Ordnung enthält, kann ohne Bedenken auf diesen für die Rezeption des römischen Rechts
im Deutschen Rechtsdenken und im besonderen in der Kurpfalz, in der kurpfälzischen Kirche und Poli-
tik gleicherweise bedeutsamen Mann zurückgeführt werden. So wird man ihn wohl für den Gestalter des
kurpfälzischen Eherechts halten dürfen.
Die Ehegerichtsordnung besteht aus drei Teilen. Die Kapitel 1-7 regeln Tagungs- und Arbeits-
weise, Zusammensetzung und Zuständigkeit des Gerichts. In Kapitel 2 und 3 scheint der erhaltene Text
nicht in Ordnung zu sein. Kapitel 7 verdient besondere Aufmerksamkeit, da in ihm grundsätzlich der
Vorgang des biblischen und des römischen Eherechts vor dem kanonischen festgelegt wird. Nur wo diese
Rechtsquellen versagen und keine grundsätzlichen Bedenken bestehen, kann das kanonische Recht heran-
gezogen werden, ja wird es sogar in der Ordnung selbst häufiger bemüht. Auch Präzedenzentscheidungen
anderer evangelischer Konsistorien können und sollen als Vorbild dienen. Demgemäß entfaltet der zweite
Teil in den Kapiteln 8-43 eine Vielfalt von Einzelfällen und -bestimmungen. In der Disposition folgt
er der Anlage der zuvor erlassenen Eheordnung (Nr. 27 und 28), die gelegentlich zitiert und genannt
wird. Die drei letzten Kapitel regeln Verfahrenssachen.
Diese Ordnung stand in der Rheinpfalz und in der Oberpfalz in Geltung. Akten, die die Tätigkeit des
Gerichts illustrieren könnten, sind nicht bekannt. Deswegen ist nicht mit Sicherheit auszumachen, wie
lange diese Ordnung in Kraft blieb. Wenn auch das Ehegericht sicher nach Friedrichs III. Tode fort-
bestand, so ist diese Ordnung doch nicht im vollen Wortlaut in das kurpfälzische Landrecht von 1582 auf-
genommen worden, vielmehr wurde dort die Eheordnung, vermehrt um einige Kapitel über das
Ehegericht und Verfahrensfragen, erneuert, so daß man darin einen kurzgefaßten Ersatz für die umfäng-
liche Ehegerichtsordnung erblicken könnte (vgl. Nr. 71).
30. [Mandat zur erneuten Einschärfung der Polizeiordnung vom 20. September 1563].
Die Einführung der Polizeiordnung (Nr. 26) scheint nachlässig betrieben worden zu sein. So er-
geht nun ein Befehl des Kurfürsten an die Amtleute, über ihrer Einhaltung streng zu wachen und in
ihrer Befolgung mit gutem Beispiel voranzugehen. Dabei wird die zu dieser Zeit in der Kurpfalz grassie-
rende Pest als göttliches Strafgericht über das unchristliche Volksleben hingestellt. Vielleicht begleitete
dieses Mandat die Versendung der erst 1563 gedruckten Exemplare der Polizeiordnung in die Ämter.
Im Amt Bacharach wurde es am 26. September verkündet82.
Während diese Gesetze zur Ordnung der Polizei und Ehegerichtsbarkeit ausgearbeitet und verabschie-
det wurden, herrschten in Heidelberg heftige theologische Auseinandersetzungen. Da es in Kurpfalz an
geeigneten Persönlichkeiten zur Durchführung der Reformation gefehlt hatte, hatte Ottheinrich in Kirche,
Universität und Regierung die verschiedenartigsten Geister berufen, unter denen Spannungen wohl
nicht ausbleiben konnten. Es gibt spärliche Anzeichen, als habe er gegen Ende seiner Regierungszeit dem
Drängen strenger Lutheraner, seines Kanzlers Erasmus von Minkwitz, seines Generalsuperintendenten
Tilemann Heshusen, auch fürstlicher Freunde wie Herzog Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken, nachgege-
ben und sei willens gewesen, gegen das anwachsende reformierte Element in seinem Lande einzuschrei-
ten. In Neuburg kam es sogar zur Entlassung von zwinglianischen Kirchendienern. Doch vertagte der
Tod des Kurfürsten jede Entscheidung. Friedrich III. war bei seinem Regierungsantritt unzweifelhaft
lutherisch gesonnen, folgte aber nicht der strengen Observanz, sondern hielt die im Frankfurter Rezeß
von 1558 Ausdruck findende Vermittlungslinie ein, so daß er der Mahnung des Nikolaus Gallus, zwi-
schen Confessio Augustana invariata und variata zu unterscheiden, verständnislos gegenüberstand. So
konnten auch reformierte Stimmen den Regierungswechsel in Heidelberg hoffnungsvoll begrüßen.
82 Aktennotiz beim Text in Staats-A. Koblenz, Abt. 613, Nr. 501, fol. 49 verso.

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