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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0064
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Der offene Streit83 entzündete sich an zwei akademischen Disputationen der theologischen Fakultät,
der des Niederländers Stephan Sylvius aus Groningen und der des Heidelberger Diakons Wilhelm Kle-
bitz, der schon bei früheren Gelegenheiten Heshusen opponiert hatte. Beide Disputationen wurden von
dem reformierten Petrus Boquinus inauguriert. Beide focht Heshusen als Generalsuperintendent und
Professor primarius an und geriet deswegen in einen ernsten Konflikt mit Rektor - dies war der refor-
miert gesinnte Thomas Erastus - und Senat der Universität, die ihn forthin nicht mehr zu ihren Sitzun-
gen hinzuzogen. Die Promotion Klebitzens fand in Heshusens Abwesenheit statt, so daß dessen Proteste
nur mehr deklamatorischen Wert besaßen. Der Druck der Thesen im folgenden Jahre mitsamt einer Ex-
egesis, die die von der Universität gehandhabte Druckaufsicht passiert haben müssen, unterstreicht die
feste Haltung dieser Körperschaft. Damit hatten die Häupter der reformierten Partei, Bullingers Freund
Thomas Erastus und Calvins Freund Boquin, dem eifernden Generalsuperintendenten die erste Nieder-
lage beigebracht, indem sie die Universität hinter sich brachten. Klebitz war in diesem Ringen taktische
Figur, nicht Akteur.
Klebitzens Thesen hatten Heshusen das Programm der Gegner enthüllt. Er stellte sich dem nunmehr
auf der Kanzel entgegen. Der streitbare Diakon setzte sich öffentlich zur Wehr, so daß bald von allen
Heidelberger Kanzeln heftige Polemik ertönte. Da der Kurfürst nach dem Regierungsantritt und der
Entgegennahme der Huldigung zum Reichstag gezogen war, versuchte sein Schwager und Statthalter
Georg von Erbach durch Vorbescheidung der Streithäupter die öffentliche Auseinandersetzung bis zur
Rückkehr des Kurfürsten zu stillen, vergeblich. Sie entbrannte zu voller Heftigkeit, als Friedrich nach
Heidelberg heimkehrte. So beschied er die Gegner vor sich, ließ ihnen Bekenntnisse ihrer Abendmahls-
lehre abfordern, verpflichtete sie zum Stillehalten und stellte eine klärende Entscheidung in Aussicht.
Wieder ließ kurz darauf Heshusen seinem Temperament die Zügel schießen. Nicht nur seine ehrliche
Überzeugung, sondern vielleicht auch seine uns unbekannte Amtsinstruktion, wenn sie ähnlich gelautet
hat wie die eines Spezialsuperintendenten (Nr. 23), mag ihn dazu verpflichtet haben. Klebitz replizierte
öffentlich, der Generalsuperintendent antwortete darauf mit dem Kirchenbann. Erneut schritt der Kur-
fürst ein, am 9. September 1559 verbot er jede weitere Polemik und schrieb die Formulierung der Con-
fessio Augustana - wohl der variata - als Lehr- und Predigtnorm vor, bis eine allgemeine Synode ent-
schieden habe. Ein Gottesdienst am 10. September, bei dem der Hofprediger Michael Diller im Sinne des
Kurfürsten predigte, Diller und Klebitz gemeinsam das Abendmahl austeilten, sollte den neuen Frieden
dokumentieren. Doch erneuerten Parteigänger Heshusens, wenige Tage später der Generalsuperinten-
dent selbst die Fehde, so daß der hitzige Klebitz sich sogar zu Tätlichkeiten auf dem Kirchplatz heraus-
gefordert fühlte. Da Bitten und Befehl bisher nichts gefruchtet hatten, verfügte der Kurfürst am 16. Sep-
tember 1559 die Entlassung der Hauptstreiter Heshusen und Klebitz. Durch seinen Geheimschreiber
Cirler ließ er Melanchthon um ein Gutachten bitten, das dieser am 18. Oktober abgab. Darin rechtfertigt
er die Maßnahmen Friedrichs, verwirft die Abendmahlslehre Heshusens und der niedersächsischen
Theologen wie die in Württemberg anerkannte Ubiquitätslehre. Als Einigungsformel schlägt er die Worte
des Paulus in 1. Korinther 10,16 vor. Predigt und Lehre sollen auf den Nutzen des Abendmahls gerich-
tet sein, um damit zu seinem häufigen Gebrauch einzuladen. Erklärt werden soll die koinonia tou somatos
(consociatio cum corpore Christi). Dies Gutachten hat der Kurfürst im folgenden Jahre entgegen dem
Willen der Universität im Druclc veröffentlichen lassen. Diese Formel, das Brotbreclien, der Koinonia-
begriff und manch andere Formulierung des Gutachtens sind von den reformiert Gesinnten geschickt zur
Rechtfertigung ihrer Abendmahlslehre genutzt worden.

83 Die beste Schilderung des Heidelberger Abendmahlsstreits und der konfessionellen Schwenkung Friedrichs bietet
noch immer Kluckhohn in seiner Biographie Friedrichs III., S. 41-131.Wir heben hier die wichtigsten Stadien
der Umformung des kirchlichen Lebens hervor, die dort meist nur am Rande vermerkt werden.

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