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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0078
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ordnung nur zum praktischen Gebrauch vorgeschrieben wird. Diese neue Bestallung enthält nicht einmal
die Approbation beider, die noch 1564 bei der Aufnahme in den kurpfälzischen Kirchendienst gefordert
worden war.
42. Kirchenordnung ... [von 1567].
Dies ist ein fast in allen Einzelheiten getreuer Nachdruck der Ausgabe gleichen Formats von 1565
(Nr. 39). Seine Veranlassung ist nicht ersichtlich. Beschreibung und Varianten finden sich im Apparat
zu Nr. 31.
43. Kirchenordnung ... [von 1569].
Gegenüber den Oktavausgaben von 1565 und 1567 (Nr. 39 und Nr. 42) schließt sich dieser Nach-
druck wieder stärker an den Erstdruck von 1563 (Nr. 31) an. Vielleicht darf man aus Eintragungen in
erhaltenen Exemplaren schließen, daß diese Ausgabe bei der Durchsetzung reformierter Lehre und
Gottesdienstform in den ritterschaftlichen Gebieten und Gemeinherrschaften diente. Das in das Münche-
ner Exemplar am Schluß eingetragene Gebet für einen Verstorbenen verrät konfessionellen Kompromiß-
charakter. Beschreibung und Varianten finden sich im Apparat zu Nr. 31.
Die folgenden Stücke (Nr. 44-46, Nr. 48-51) repräsentieren im Ausbau des kurpfälzischen Kir-
chenwesens den endlichen Sieg des calvinischen Presbyterianismus. Ihm sind langwierige Streitig-
keiten über Recht, Prinzipien und Form der Kirchenzucht voraufgegangen25.
Von den frühen Bemühungen Olevians zur Einführung der Kirchenzucht nach Genfer Vorbild,
desgleichen von den in Katechismus und Kirchenordnung niedergelegten Grundsätzen war bereits im
Zusammenhang mit der Kirchenratsordnung von 1564 (Nr. 32) die Rede. Nach 1566, seit die deutschen
Auseinandersetzungen um den pfälzischen Calvinismus nachgelassen haben, andererseits aber Kurpfalz
sich mehr und mehr für den niederländischen und französischen, presbyterianisch organisierten Prote-
stantismus, eingesetzt hatte, leben diese Bestrebungen auch in Kurpfalz wieder auf. Olevian und Dathe-
nus, der 1568 dem Weseler Könvent präsidiert, sind die kirchlichen Wortführer, denen im Mai 1568
Ursinus und dann sicher auch sein Nachfolger in der Professur Girolamo Zanchi beipflichten. Verfahren
und Absetzung des Johannes Brunner 1567, der eine radikal zwinglianische Abendmahlslehre propa-
giert, wirft erste Schatten. Zum offenen Meinungsstreit kommt es anläßlich der akademischen Dispu-
tation des Engländers Georg Withers am 10. Juni 1568, der in zwei seiner Thesen die gubernatio ecclesiae
als dritte Nota der wahren Kirche statuiert und diese als die von Kirchendienern und Presbyterium ge-
handhabte Kirchenzucht versteht, der selbst die Obrigkeit unterworfen sei. Dies fand den Widerspruch
des Pfarrers an St. Peter in Heidelberg, Adam Neuser, so daß die Disputation am 13. Juni fortgesetzt
wurde. Zum Schluß bestritt Neuser entschieden die Schriftgemäßheit der These, während die Professoren
der Fakultät und der Kirchenrat diese billigten. In dem theologisch versierten und um die kurpfälzische
reformierte Kirche verdienten Mediziner Thomas Erastus, der die Kirchenzuchtsbestrebungen schon
einige Zeit mit Argwohn als Vertreter eines Staatskirchentums deutschschweizer Prägung verfolgt hatte,
erstand der Gegenseite ein geeigneter Wortführer, der sofort in 103 Thesen die Begründung und Form der
Kirchenzucht widerlegte und seine Arbeit in Heidelberg, Zürich, Bern und Genf verbreitete. Unter seiner
Führung bildet sich schnell eine Partei in Regierung, Universität und Kirche. Der Kirchenrat und die
25 Über den pfälzischen Kirchenzuchtsstreit orientiert arn besten Wesel-Roth, S. 43-81, die sich nach dem Vorgange
von Rott (Neue Quellen für eine Aktenrevision) und C. Horn (Joh. Sylvan) scharf gegen die Darstellung Sud-
hoffs (S. 339-370) wendet. Ein gerechtes geschichtliches Urteil ist dadurch erschwert, daß im wesentlichen bisher
die Briefe der Kirchenzuchtsgegner als Quellen dienten und eine ausgewogene theologische und kirchenrechtliche
Erörterung gänzlich in den Hintergrund trat. Auch blieb die notwendige Einordnung in die Gesamtentwicklung des
Presbyterianismus in der Regel unberücksichtigt. Eine Neubearbeitung dieses kirchenrechtsgeschichtlich ungemein
wichtigen Themas, die noch auf eine breitere Quellenbasis gestützt werden kann, wäre lohnend.

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