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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0084
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mosen auf Zeit und bis zur Besserung entziehen kann. Sonst aber besteht enges Zusammenwirken mit der
obrigkeitlichen Polizeiaufsicht. Das Almosenvermögen erneuert sich aus einer Vielfalt von detaillierten
Einkünften, worunter hervorzuheben sind die Geldbußen bei Polizeidelikten und, was bisher noch nicht
nachzuweisen war, Bußen bei Kirchenzuchtsverfahren, wie sie anscheinend in der Resolution von 1573
(Nr. 54) festgelegt worden waren. Die milden Stiftungen des Mittelalters werden in vollem Umfang in
das Almosenwesen überführt. Besondere Aufmerksamkeit finden Spitäler verschiedener Art, die zu-
meist in Klöstern oder Klosterhöfen untergebracht sind, und das Stipendienwesen. Insbesondere werden
genaue Rechnungsführung und beim Abtreten eines Almosenpflegers Rechnungslegung, die von örtlicher
Obrigkeit und Presbyterium ,,justifiziert“ wird, aber auch von daran interessierten Gemeindegliedern
nach vorheriger Abkündigung besucht werden kann, eingeschärft. Die Aufsicht über die Amtstätigkeit
der Almosenpfleger führen Presbyterium und übergeordnete kirchliche Instanzen sowie die weltliche
Obrigkeit und die kurfürstliche Verwaltung weltlicher Gefälle. Daß diese Ordnung unmittelbar ins Werk
gesetzt wurde, erhellt aus dem Umstand, daß von 1575 ab in den Archiven ehemals kurpfälzischer
Pfarreien Almosenrechnungen noch erhalten sind.
56. Mandat und constitution, welcher gestalt die blutschanden, notzucht, raub oder entführung, auch
ehebruch, hurerey und dergleichen laster zu strafen [vom 9. Juli 1575].
57. Mandat und constitution ... [für Oberpfalz vom 11. August 1575].
Näheres hierzu erfahren wir aus einem Aktenstück im Münchener Hauptstaatsarchiv43. Kurfürst
Friedrich III. schreibt unter dem Datum des 1. August 1575 an seinen Sohn Ludwig, Statthalter der
Oberpfalz, daß er den Entwurf dieses Mandats am 14. Juni 1574 an diesen geschickt habe und darauf
von diesem arn 23. August Antwort mit einigen Abänderungsvorschlägen seitens der oberpfälzischen
Räte erhalten habe. Fraglich war in dieser Korrespondenz augenscheinlich das Strafmaß, dessen Grad
das Gewohnheitsrecht in der Oberpfalz überstieg. Mit diesem Brief vom 1. August 1575 befiehlt Friedrich
seinem Sohne nun, das Heidelberger Mandat gleichförmig auch in der Oberpfalz publizieren zu lassen.
Ergänzend merkt er an, daß Vergehen von Ehemännern mit unverheirateten Frauen im Mandat aus-
gelassen sind, aber nach Befund mit Turm, Pranger und Landesverweisung, im dritten Falle wie bei
anderen Ehebrechern gestraft werden sollen.
Die Rechtsnormen der Verfügung sind das Wort Gottes und das kaiserliche Recht. Nur werden
Blutschande, Notzucht, Entführung und bewiesener Ehebruch eines ledigen oder verheirateten Mannes
mit einer Ehefrau nun mit der Todesstrafe geahndet. Damit werden alttestamentliche Gesetze - z.B.
Deut. 22, 22 - zum positiven Recht erklärt. Auch dies ist eine Illustration zum Eindringen des reformier-
ten Biblizismus in die Strafrechtspflege der Kurpfalz.
Die oberpfälzische Fassung hat nur unbedeutende Varianten gegenüber der rheinpfälzischen Vorlage.
In einer solchen wird das anderslautende Herkommen ausdrücklich außer Kraft gesetzt. Mit einem
Befehl vom 25. August 1575 hat Pfalzgraf Ludwig das Mandat an alle Amtleute, die Richter in den
Klöstern und den landsässigen Adel publiziert44.
Beschreibung und Varianten von Nr. 57 finden sich im Apparat zu Nr. 56.
Dies Mandat ist später wiederholt für beide Landesteile neu verkündet (vgl. Nr. 64, 65, 72, 77, 81,
89, 102, 107) und dann zu einem Anhang der Eheordnung von 1562 mit ihren Erneuerungen (vgl.
Nr. 27) geworden, mit der zusammen es 1582 in die kurpfälzische Landsordnung (vgl. Nr. 71 und 72)
einging.

43 Oberpfälz. Archivalien Nr. 96 (Oberpfälz. Mandatenbuch), fol. 290 verso - 292 recto (Kop.).
44 Ebendort, fol. 292 recto — verso.

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