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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0089
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ihren Ämtern suspendiert. Damit ist die reformierte Kirche der Kurpfalz mit Ausnahme der von Johann
Casimir innegehabten Ämter Kaiserslautern, Neustadt und Böckelheim in eine lutherische verwandelt.
Der Aufbau dieser neuen lutherischen Landeskirche ist nur in wenigen Dokumenten sichtbar zu
machen. Dabei muß beachtet werden, daß hierfür die archivalische Quellenüberlieferung besonders spär-
lich ist. Es kann keinen Zweifel leiden, daß in der späteren reformierten Zeit viel von dem einst Vorhan-
denen getilgt worden ist, so daß vor allem die kirchliche Organisation der lutherischen Kirche der Kur-
pfalz unter Ludwig VI. nie ganz mehr wird dargestellt werden können.
Die Wiederherstellung der lutherischen Agende, entsprechend der Übergangsbestimmung vom
Spätjahr 1576, repräsentiert
60. Kirchenordnung, wie es mit der christlichen lehre, administrierung der heiligen sacramenten und
ceremonien in des durchleuchtigsten, hochgebornen fürsten und herren, herrn Ludwigen, pfaltz-
graven bey Rhein, des heiligen römischen reichs ertztruchsässen und churfürsten, hertzogen in
Bayern etc., chur- und fürstenthumb gehalten werden soll [vom 20. August 1577].
Diese Kirchenordnung, deren Vorrede vom 20. August 1577 datiert ist, ersetzt in der Oberpfalz die-
jenige Ottheinrichs von 1556 (Nr. 7), die dort trotz der wiederholten Einführungsversuche des Calvinis-
mus unter Friedrich III. noch immer in Geltung stand. In der Rheinpfalz beendet sie das Übergangssta-
dium, in dem die reformierte Kirchenordnung von 1563 (Nr. 31) außer Kraft gesetzt war und einstwei-
len die ältere Ordnung von 1556 gebraucht werden sollte. Damit war die gottesdienstliche Einheit der
kurpfälzischen Gebiete wiederhergestellt.
Nach der Vorrede gibt sich die neue Kirchenordnung als eine Erneuerung derjenigen Ottheinrichs
von 1556 (Nr. 7), was der Text auf weite Strecken bestätigt. Deshalb notieren wir ihre Varianten bei
Nr. 7 mit der Abkürzung: 1577. Für die Änderungen und Zufügungen beruft sich der Kurfürst auf den
Schlußabsatz des agendarischen Teils von 1556, der dies ausdrücklich vorbehielt.
Neu ist in der Vorrede, die zugleich Einführungsmandat ist, eine Präzisierung des lutherischen
Bekenntnisstandes für Kurpfalz. Neben der Schriftautorität und den altkirchlichen Symbolen werden
die Confessio Augustana (invariata) und die Apologie von 1530 „in ihrem rechten, unverfelschten ver-
stand“, dazu die Schmalkaldischen Artikel und der kleine Katechismus Luthers genannt. In gleichem
Sinne wird im Abschnitt ,,Von der Lehr und Predig“ noch einmal auf die Augustana und Apologie in
ihrem ,,einigen, wahren und alten verstand“, ,,wie sie damals anno 1530 von den christlichen chur-,
fürsten und stätten gemeinet, ubergeben, verstanden“ worden ist, Bezug genommen. So ist der Brenzsche
Katechismus in 1556 hier durch den kleinen Katechismus Luthers in der Nürnberger Form von 1539
ersetzt. Umstritten war nach einem späteren Zeugnis57 die Frage des Verbleibs von Melanchthons
Examen ordinandorum, wie es Ottheinrichs Ordnung bot, in der neuen Kirchenordnung. Bidembach
und der aus Wimpfen in den Heidelberger Kirchendienst aufgenommene Wilhelm Zimmermann sprachen
sich dagegen aus, während Andreas Stoltz und die beiden Hofprediger Johannes und Paul Schechsius
sich im positiven Sinne durchsetzen konnten. Daß aber dies melanchthonische Stück strenglutherischen
Theologen Beschwerde bereitet hat, lehrt eine alte Eintragung auf dem Vorsatzblatt des Münchener
Exemplars 40 Liturg. 321, die zugleich eins der wenigen bekannten Exzerpte aus den Protokollen des
lutherischen Kirchenrats unter Ludwig VI. bietet:
„Von dem in fine angehengten underricht fur die kirchendiener stehet im kirchenrathsprotocoll de
anno 1581, p.[agina] 109. 110: M.[agister] Heshusius habe zwar in der kirchenordnung nichts ver-
fangliches gefunden. Belangend aber den daran gehengten underricht, weren darin etzliche definitiones,
bate, man wolt ihn an dieselbige nicht binden, sondern ihn bey der Formula Concordiae bleiben laßen.

57 Vgl. Pressel, S. 581.

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