Der Druck der neuen Ordnung im fernen Nürnberg muß längere Zeit in Anspruch genommen
haben. Die Auslieferung an die Stadt Amberg erfolgt erst unter dem Datum des 6. Februar 157859, sehr
viel früher wird sie auch in der Rheinpfalz nicht in die Gemeinden versandt worden sein.
61. [Kirchenratsordnung von etwa 1577].
Im Verlauf des Jahres 1577 muß auch ein neuer, jetzt lutherischer Kirchenrat konstituiert worden
sein. Spätestens seit Anfang Oktober 1577 ist ein solcher amtlich tätig60. Nach der Entlassung der
reformierten Kirchenräte im April mag auch hier ein Provisorium bestanden haben, man wird dabei an
die Theologen denken müssen, die bei der Beratung der neuen Kirchenordnung erwähnt werden. Neu
eingerichtet wurde wie zur Zeit Ottheinrichs das Amt eines Generalsuperintendenten. Dies bekleidete
zunächst Magister Andreas Stoltz aus Zwickau, zuvor Superintendent der Grafschaft Erbach, dann
Pfarrer an Heiliggeist in Heidelberg. Seine Stellung illustriert vielleicht eine Widmung auf dem Titel-
blatt einer Kirchenordnung von 157761, die eine Art von amtlicher Dedikation darzustellen scheint:
,,Clarissimo viro Joanni Marbachio, s[ancti]s.[simae] theologiae doctori et professori in academia
Argentoratensi, domino suo reverenter colendo, Andreas Stoltzius Cygnaeus.“ Nach seinem Tode 1578
folgte ihm in diesem Amte der schon zuvor vom Kurfürsten aus Frankfurt entliehene, dann aber für die
Dauer gewonnene Petrus Patiens (Gedultig) aus Landau, dessen maßgeblicher Einftuß in Heidelberg
nur durch die beiden Hofpredigerbrüder Schechsius eingeschränkt wurde62.
Ein Text dieser Kirchenratsordnung ist nicht überliefert, statt dessen aber bieten eine späte Hand-
schrift der Kirchenratsordnung von 1564 (Nr. 32) im Bad. Generallandesarchiv Karlsruhe 67/978/2
und danach wiederum ein Exemplar des Regierungsdrucks des 18.Jahrhunderts in der Universitäts-
bibliothek Heidelberg Q 72062 Randbemerkungen, die die Abweichungen von der bis dahin gültigen
Ordnung widerspiegeln. Wir merken diese Glossen bei Nr. 32 an.
Einiges von diesen Zusätzen berücksichtigt den inzwischen eingetretenen Fortschritt der kirchlichen
Organisation. So ist der Tagungsort des Kirchenrats vom Barfüßerkloster in die Kanzlei verlegt. Hin-
sichtlich der Pfarrkompetenzen und -besoldung bei Kirchendieneranstellungen ist nun die Kirchen-
güterverwaltung offiziell eingeschaltet. Das Kapitel über das Almosenwesen verweist auf die inzwischen
erlassene Almosenordnung von 1574 (Nr. 55). Der Kirchenrat ist jetzt auch mit einem eigenen, vom
Kirchenratssekretär verwalteten Fiskus ausgestattet, aus dem Reisekosten u.ä. bezahlt werden sollen.
Dieser Fiskus wird durch Zuweisungen der Kirchengüterverwaltung aufgefüllt, über dessen Ausgaben
derselben vierteljährlich Rechnung gelegt wird.
Manche Bestimmungen spiegeln den konfessionellen Umschwung wider. So ist der Passus, der bei
wichtigen Angelegenheiten die Hinzuziehung der ehemaligen Kirchenräte vorsieht, gestrichen worden.
Das ist deutlich auf die früheren reformierten Mitglieder dieser Behörde gemünzt. Das Kollationsrecht
steht nur Religionsverwandten, also lutherischen Adligen und Kommunen zu. Weiteres behält sich die
Regierung vor. Bei der Pfarrstellenbesetzung wird der zuständige Superintendent stärker eingeschaltet.
Dieses Amt war durch die Einrichtung der Classicalconvente unter Friedrich III. in seiner Bedeutung
ziemlich eingeschränkt worden und erlebt nun in der lutherischen Ära wieder eine Aufwertung. Gänzlich
entfallen sind die Kapitel von der Kirchendisziplin der älteren Ordnung. Hier behält sich der Kurfürst
fernere Verordnung vor. Ebenso ist eine förmliche Kirchendienerbestallung fortgefallen, wie sie unter
Friedrich III. üblich war (vgl. Nr. 33 und später Nr. 41). Zunächst ist den neuangestellten Kirchen-
59 Götz, Die religiösen Wirren, S. 7 Anm. 23.
60 Vgl. v. Bezold, Briefe I, S. 286.
61 In dem Exemplar Staatsb. München 4o Liturg. 322.
62 Seit Alting, S. 229, wird in der gesamten Literatur fälschlich Petrus Patiens seit Frühjahr 1577 als erster und
einziger lutherischer Generalsuperintendent der Kurpfalz unter Ludwig VI. geführt.
5 Sehling, Bd. XIV, Kurpfalz
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haben. Die Auslieferung an die Stadt Amberg erfolgt erst unter dem Datum des 6. Februar 157859, sehr
viel früher wird sie auch in der Rheinpfalz nicht in die Gemeinden versandt worden sein.
61. [Kirchenratsordnung von etwa 1577].
Im Verlauf des Jahres 1577 muß auch ein neuer, jetzt lutherischer Kirchenrat konstituiert worden
sein. Spätestens seit Anfang Oktober 1577 ist ein solcher amtlich tätig60. Nach der Entlassung der
reformierten Kirchenräte im April mag auch hier ein Provisorium bestanden haben, man wird dabei an
die Theologen denken müssen, die bei der Beratung der neuen Kirchenordnung erwähnt werden. Neu
eingerichtet wurde wie zur Zeit Ottheinrichs das Amt eines Generalsuperintendenten. Dies bekleidete
zunächst Magister Andreas Stoltz aus Zwickau, zuvor Superintendent der Grafschaft Erbach, dann
Pfarrer an Heiliggeist in Heidelberg. Seine Stellung illustriert vielleicht eine Widmung auf dem Titel-
blatt einer Kirchenordnung von 157761, die eine Art von amtlicher Dedikation darzustellen scheint:
,,Clarissimo viro Joanni Marbachio, s[ancti]s.[simae] theologiae doctori et professori in academia
Argentoratensi, domino suo reverenter colendo, Andreas Stoltzius Cygnaeus.“ Nach seinem Tode 1578
folgte ihm in diesem Amte der schon zuvor vom Kurfürsten aus Frankfurt entliehene, dann aber für die
Dauer gewonnene Petrus Patiens (Gedultig) aus Landau, dessen maßgeblicher Einftuß in Heidelberg
nur durch die beiden Hofpredigerbrüder Schechsius eingeschränkt wurde62.
Ein Text dieser Kirchenratsordnung ist nicht überliefert, statt dessen aber bieten eine späte Hand-
schrift der Kirchenratsordnung von 1564 (Nr. 32) im Bad. Generallandesarchiv Karlsruhe 67/978/2
und danach wiederum ein Exemplar des Regierungsdrucks des 18.Jahrhunderts in der Universitäts-
bibliothek Heidelberg Q 72062 Randbemerkungen, die die Abweichungen von der bis dahin gültigen
Ordnung widerspiegeln. Wir merken diese Glossen bei Nr. 32 an.
Einiges von diesen Zusätzen berücksichtigt den inzwischen eingetretenen Fortschritt der kirchlichen
Organisation. So ist der Tagungsort des Kirchenrats vom Barfüßerkloster in die Kanzlei verlegt. Hin-
sichtlich der Pfarrkompetenzen und -besoldung bei Kirchendieneranstellungen ist nun die Kirchen-
güterverwaltung offiziell eingeschaltet. Das Kapitel über das Almosenwesen verweist auf die inzwischen
erlassene Almosenordnung von 1574 (Nr. 55). Der Kirchenrat ist jetzt auch mit einem eigenen, vom
Kirchenratssekretär verwalteten Fiskus ausgestattet, aus dem Reisekosten u.ä. bezahlt werden sollen.
Dieser Fiskus wird durch Zuweisungen der Kirchengüterverwaltung aufgefüllt, über dessen Ausgaben
derselben vierteljährlich Rechnung gelegt wird.
Manche Bestimmungen spiegeln den konfessionellen Umschwung wider. So ist der Passus, der bei
wichtigen Angelegenheiten die Hinzuziehung der ehemaligen Kirchenräte vorsieht, gestrichen worden.
Das ist deutlich auf die früheren reformierten Mitglieder dieser Behörde gemünzt. Das Kollationsrecht
steht nur Religionsverwandten, also lutherischen Adligen und Kommunen zu. Weiteres behält sich die
Regierung vor. Bei der Pfarrstellenbesetzung wird der zuständige Superintendent stärker eingeschaltet.
Dieses Amt war durch die Einrichtung der Classicalconvente unter Friedrich III. in seiner Bedeutung
ziemlich eingeschränkt worden und erlebt nun in der lutherischen Ära wieder eine Aufwertung. Gänzlich
entfallen sind die Kapitel von der Kirchendisziplin der älteren Ordnung. Hier behält sich der Kurfürst
fernere Verordnung vor. Ebenso ist eine förmliche Kirchendienerbestallung fortgefallen, wie sie unter
Friedrich III. üblich war (vgl. Nr. 33 und später Nr. 41). Zunächst ist den neuangestellten Kirchen-
59 Götz, Die religiösen Wirren, S. 7 Anm. 23.
60 Vgl. v. Bezold, Briefe I, S. 286.
61 In dem Exemplar Staatsb. München 4o Liturg. 322.
62 Seit Alting, S. 229, wird in der gesamten Literatur fälschlich Petrus Patiens seit Frühjahr 1577 als erster und
einziger lutherischer Generalsuperintendent der Kurpfalz unter Ludwig VI. geführt.
5 Sehling, Bd. XIV, Kurpfalz
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