Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0131
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Polizeiordnung 1546

nus oder beschwerung darauß erfolgen oder, wo sich
begeben, das die eltern oder die, so an ir statt die
pflege der jugent haben, auß redlichen billichen ur-
sachen in dieselb verehelichung willigen oder, so sie
sich hierin in irem befelch und ämpten gegen den
kindern und der jugent, in verhinderung oder
zwingung wider die erbar- und billicheyt erzeygen
und halten würden, uber solche und dergleichen zu-
fallende ehesachen wöllen wir uns jederzeit die ge-
bürlich, der erbar- und gerechtigkeyt gemess er-
örterung, entschid und erkantnus zu verordenen und
ergeen zu lassen vorbehalten haben.
[Von füllerey, onmessigen gastungen, bancketen,
hochzeiten, kirchweihen und andern
gesellschaften.]f
Zum vierdten ist bißher gespürt, was offentlicher
schande und mergklichs unraths auß ubermessiger
füllerey entstanden, dadurch nit alleyn menschlichs
wesen in vihische natur verwendet, die milten
gottesgaben, so zu unser leibsenthaltung, auch den
armen zur notturft mitzuteylen auß gnaden ver-
lihen werden, gar verkerter unnützer weiß ver-
schwendet und also den dürftigen die mehrer schul-
dige hilf durch solch unersettig laster bößlich ent-
zogen, leib und seel damit trefflich beschwerdt,
sonder der allmechtig würdet auch mit solcher
schweren sünde, die bey den heyden verbleibt und
noch vil weniger bey eym christen erfunden werden
solle, so höchlich beleydiget, abermals zu zorn und
strafe gegen uns bewegt, das wir in mißwachsung
aller früchten, auch ander hohen plagen, die in disen
schweren zeiten vilfeltig uber uns verhengt werden,
nicht anders dann unser selbs uberlasterliche sünden
zu beschuldigen haben. Derhalb, in disem stuck bey
denen, so jederzeit in unserm hof und diensten, auch
uns in unser versehung befolhen seint, zeitig und not-
wendig einsehens zu thun, so orden wir hiemit und
wöllen ernstlich, das all unser hofgesinde, amptleut,
diener, geystlich und weltlich, verwandten, under-
than, burgere, pauern, dienstvolck und angehörigen,

f Aus Wien.
6 Übermäßig, vgl. DW XI, 2, 193 f.
7 Weinsäufer, vgl. DW XIV, 1, 1, 941.

alt und jung, mänlich und weibliche personen sich
fürbas alles gemessens zutrinckens und uberentzi-
ger6 füllerey, wie oder in was schein das vermeß-
licher weise könte fürgenommen werden, gentzlich
enthalten sollen, bey vermeidung den graven, herrn,
räthen, oberamptleuten und adel unser ungnade, der
universitet verwandten ires rectors fengklichen
strafe, den reysigen und anderm hofgesinde, dienern,
auch allen andern unsern underthan und gemeyns-
leuten, wer die joch sein möchten, der thurnstrafe.
Und wo eynicher auß solcher ubertretung der
trunckenheyt eyne ubelthat begienge, der solle als
ein weiniger7 deß keyn entschuldigung noch gnade
haben, sonder an leib oder gut nach gelegenheyt
seins verwirckens darumb so vil höher gestraft wer-
den.
Wir wöllen auch, das in unserm gebiete die uber-
mässige grosse bancketen, in haltung der könig-
reiche8 und sunst, so bißher mehrteyls zu ver-
schwendung gedienet haben und darauß die un-
ordenlich füllerey nit wenig entsprungen ist, fürbas
sollen abgestelt sein.
Wo aber graven, herrn, unsere räthe und vom
adel oder doctores gastunge halten wöllen, sollen
sie nit uber fünf oder sechs essen und mögen darzu
kes und obs geben.
Die andern aber, so nit herrn, vom adel oder doc-
tores etc., es sey sunst hofgesindt, der universitet
verwandten, burger oder andere, sol keyner, so er
gute freundt zu gast beruft, ihnen uber vier essen
und zu denselben mag er kes und obs geben, darinne
auch mit köstlichem bracht der essen uber gemeyne
gebürende weise keyn geferde gebraucht werden.
Die offene gastgeben9 würdt sollen uber eyn mal-
zeit iren gesten, die sie jederzeit haben, auch nit
mehr dann vier essen und darzu kes und obs geben,
also über eyn male von eyner persone diser teuren
zeit nit uber zwen batzen nemen, dergleich zu an-
dern, als früe, zum undern10 und schlaftruncksur-
ten11, solch zimlichheyt halten, damit geste und
würdt deß zukommen könden, biß auf wolfeiler zeit
8 Besondere Art von Festmahl, vgl. DW V, 1710 und
1609 (s.v. Kolbe).
9 Wirtschaft, Gastwirt, vgl. DW IV, 1, 1477.
10 Zwischenmahlzeit, vgl. DW XI, 3, 1691.
11 Gelage am Abend, vgl. DW IX, 311.

105
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften