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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0161
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Kirchenordnung 1556

hin halten und treiben, daß sie wissen, was recht
und unrecht ist bey denen, bey welchen sie wonen,
sich nehren und leben wöllen. Dann wer in einer
statt wohnen wil, der sol das stattrecht wissen
und halten, deß er geniessen wil, Gott geb, er
glaube oder sey im hertzen für sich ein schalck
oder bub.
Zum andern, wann sie den text nun wol kön-
nen, so lehre sie dann hernach auch den verstand,
daß sie wissen, was es gesagt sey11. Und nimm
abermal für dich dieser tafeln weise oder sonst
eine kurtze einige weiß, welche du wilt, und bleib
darbey und verrucke sie mit keiner silben nit,
gleich wie von dem12 text jetzt gesagt ist. Und
nim dir der weil darzu, dann es ist nit not, daß du
alle stück auf einmal fürnemest, sonder eins nach
dem andern. Wann sie das erste gebot zuvor wol
verstehen, darnach nim das ander für dich und
so fortan, sonst werden sie uberschüttet, daß
sie keins wol behalten.
Zum dritten, wann du sie nun solchen kurtzen
catechismum gelehret hast, alsdann nimm den
grossen catechismum für dich und gib inen auch
reichern und weitern verstand. Daselbst streich
ein jeglich gebot, bitte, stück auß mit seinen
mancherley wercken, nutz, frummen, fahr und
schaden, wie du das alles reichlich findest in so
viel büchern13, davon gemacht. Und insonderheit
treibe das gebot und stück am meysten, das bey
deinem volck am meysten noth leidet. Als das
sibend gebot vom stelen mustu bey handwerckern,
händlern, ja auch bey bauren und gesinde heftig
treiben, dann bey solchen leuthen ist allerley un-
treu und dieberey groß. Item das vierde gebot
must du bey den kindern und gemeinem mann
wol treiben, daß sie still, treu, gehorsam, frid-
sam sein, und immer viel exempel auß der
schrift, da Gott solche leuth gestraft und gesegnet
hat, einführen.
Insonderheit treib auch daselbst die oberkeit
und eltern, daß sie wol regieren und kinder ziehen
zur schule, mit anzeigen, wie sie solches zu thun
schuldig sind und, wo sie es nit thun, welch ein
verfluchte sünde sie thun. Dann sie stürtzen und
verwüsten damit beyde, Gottes und der welt reich,
als die ärgesten feinde beide, Gottes und der men-
schen. Und streiche wol auß, was für greulichen
schaden sie thun, wo sie nit helfen, kinder ziehen
zu pfarherren, predigern, schreibern etc., daß
Gott sie schröcklich darum strafen wirdt, dann
es ist hie not zu predigen. Die eltern und ober-
keit sündigen jetzt hierin, das nit zu sagen ist.
Der teufel hat auch ein grausames damit im
sinne.
Zuletzt, weil nun die tyranney des bapsts ab

11 Fehlt L.
12 L und C: vom.
13 L und C: büchlein.
14-14 L und C: tut man also.

ist, so wöllen sie nicht mehr zum sacrament ge-
hen und verachtens. Hie ist aber not zu treiben,
doch mit diesem bescheid: Wir sollen niemand
zum glauben oder sacrament zwingen, auch kein
gesetz noch zeit noch statt stimmen, aber also
predigen, daß sie sich selber ohne unser gesatz
dringen und gleich uns pfarherr zwingen, das
sacrament zu reichen. Welchs 14man also thut14,
daß man ihnen sagt, wer das sacrament nit sucht
noch begeret zum wenigsten einmahl oder vier
des jars, da ist zu besorgen, daß er das sacrament
verachte und kein christ sey, gleich wie der kein
christ ist, der das evangelion nit glaubet oder
höret. Dann Christus sprach nicht, solches laßt
oder solches verachtet, sondern: Solches thut,
so oft ihrs trincket etc. [l.Kor. 11, 25], Er wil es
warlich gethan und nit allerding gelassen und ver-
acht haben. Solchs thut, spricht er.
Wer aber das sacrament nit groß achtet, das ist
ein zeichen, daß er keine sünde, kein fleisch, kei-
nen teufel, kein welt, keinen todt, kein fahr, kein
hölle hat, das ist, er glaubet der keines, ob er
schon biß uber die ohren drinne steckt und ist
zweyfaltig des teufels. Widerumb so darf er auch
keiner gnaden, leben, paradiß, himmelreich,
Christus, Gottes noch einiches gutes. Dann wo er
glaubte, daß er so viel böses hette und so viel
gutes bedörfte, so würde er das sacrament nicht
so hinlassen15, darinnen solchem ubel geholfen
und so viel gutes gegeben wirdt. Man dörft in
auch mit keinem gesatz zum sacrament zwingen,
sondern er würde selbst gelaufen und gerennt16
kommen, sich selbst zwingen und dich treiben,
daß du im müstest das sacrament geben.
Darumb darfst du hie kein gesatz stellen wie
der bapst, streich nur wol auß den nutz und scha-
den, noth und frommen, fahr und heil in disem
sacrament, so werden sie selbs wol kommen ohn
dein zwingen. Kommen sie aber nit, so laß sie
fahren und sage inen, daß sie des teufels sind, die
ihr grosse noth und Gottes gnedige hülf nicht
achten noch fülen. Wann du aber solches nit
treibest oder machest ein gesatz und gift drauß,
so ists dein schuld, daß sie das sacrament ver-
achten. Wie sollen sie nit faul sein, wann du
schläfest und schweigest? Darumb sihe drauf,
pfarherr und prediger, unser ampt ist nuh ein an-
der ding worden, dann es under dem bapst war.
Es ist nuh ernst und heilsam worden, darumb
hats nun viel mehr17 mühe und arbeit, fahr und
anfechtung, darzu wenig lohn und danck in der
welt. Christus aber wil unser lohn selber sein, so
wir treulich arbeyten. Das helf uns der vater aller
gnaden. Dem sey lob und danck in ewigkeit durch
Christum, unseren herrn, Amen.

15 L und C: lassen.
16 L: geronnen.
17 Fehlt L.

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