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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0201
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Kirchenordnung 1556

ben, wie er hie spricht: Ich bin die auferstehung
etc. [Joh. 11, 25]. Dann obwol der leib in der erden
vor der menschen augen verfaulet, so erhelt doch
Gott das leben und, gleich wie das körnlein, so
geseet wirdt, vorhin in der erden erstirbet und
hernacher frucht bringet [vgl. Joh. 12, 24], also
hat auch Gott verordnet, das der verwesene leib
deß menschen widerumb gewißlich zu dem ewigen
leben kommen solle.
Und ist die göttlich, ewig warheit, das eben
diser leib widerumb vom todt durch die kraft deß
sohns Gottes Jhesu Christi auferstehen wirdt.
Aber es werden ime nit mehr die leiblichen män-
gel und gebrechen anhangen, sonder er wirdt be-
gabt mit grösserer herrligkeit, dann menschliche
vernunft ergreifen kan. Dann s.[anct] Paulus
[l.Cor. 15. [42-44]] spricht: Es wirdt geseet ver-
weßlich und wirdt auferstehen unverweßlich. Es
wirdt geseet in unehr und wirdt auferstehn in herr-
lichkeit. Es wirdt gesehet in schwacheit und auf-
erstehen in kraft. Es wirdt gesehet ein natürli-
cherleib und wirdt auferstehen ein geistlicher leib.
Und bald hernacher spricht er: Der erste mensch
ist von der erden und irdisch. Der ander mensch
ist der herr vom himmel. Welcherley der irdisch
ist, solcherley seindt die irdischen, und welcher-
ley der himlisch ist, solcherley seind auch die him-
lische. Und wie wir getragen haben das bild deß
irdischen, also werden wir auch tragen das bild
deß himlischen [l.Kor. 15, 47-49]. Und s.[anct]
Johannes, der evangelist, schreibt in seiner epi-
stel, l.Joan.[nes] 3. [2]: Wir seindt nun kinder
Gottes. Und ist noch nit erschienen, was wir
seindt, wir wissen aber, wann es erscheinen wirdt,
das wir ime gleich sein werden. Dann wir werden
ihn sehen, wie er ist etc.
Und dieweil uns solche grosse herrligkeit in Chri-
sto Jhesu zubereitet ist, sollen wir solche herrlig-
keit und auferstehung auch in disem zeitlichen
leben an uns durch den heiligen geist fruchtbar
sein lassen, das wir von den sünden abstehen, im
glauben an Jhesum Christum wachsen und ein
unstreflich leben und wandel führen, damit wir
nit mit unglaubigem verzagen und zittern, sonder
mit frölichem gewissen auf die zukunft unsers
lieben herrn Jhesu Christi warten können.
Und nachdem unser lieber mitchrist, mit deß
leich wir gangen seindt, unsern herrn Jhesum
Christum für seinen einigen, rechten heylandt er-
kant und bekant hat, so seindt wir guter tröst-
licher hoffnung, er seye auch in den todt und auf-
erstehung Jhesu Christi verfasset, das er in Chri-
sto habe verzeihung aller seiner sünde und emp-
fahe mit Christo und allen heiligen das erb und
freud deß ewigen lebens.
Darumb sollen wir seinethalben unserm herrn
Gott dancken und bitten, das er uns auch in rech-
ter erkantnuß Christi erhalte und seine auferste-
hung kreftig an uns im leben und todt erscheinen

65—65 Ähnlich in Zweibrücken 1577.

lasse. Das helf uns Gott durch Jhesum Christum,
unsern herrn, Amen.
Solches zu erlangen, lasset uns miteinander
beten das heilige vaterunser [Mt. 6, 9-13] etc.
Und nach dem gebet spreche er: Nachdem wir
gebeten haben etc., ut supra. Reliqua ut infra.
Ein ander vermahnung
bey eines jungen begrebnuß.
65Wir haben uns jetzt zu eines jungen begreb-
nuß in Gottes namen aus christlicher lieb und
mitleiden versamlet und, dieweil wir nichts nütz-
lichers noch tröstlichers schaffen können, dann
uns in Gottes wort zu üben und unsers herrn
Christi lehr und wunderwerck zu betrachten, so
wöllen wir hören das heilige evangelium, das der
evangelist Lucas am 7. cap. [11—15] schreibet:
Es begab sich, das Jhesus gieng in ein statt
mit namen Nain, und seiner jünger giengen viel
mit ihme und viel volcks. Als er aber nahe an der
statt thor kame, sihe, da truge man einen todten
herauß, der ein einiger sohn ware seiner mutter,
und sie ware ein witwe. Und viel volcks auß der
statt gieng mit ihr. Und da sie der herr sahe,
jamert in derselben und sprach zu ihr: Weine nit.
Und trat hinzu und rüret den sarch an, und die
träger stunden, und er sprach: Jüngling, ich sage
dir, stehe auf. Und der todt richtet sich auf und
finge an zu reden, und er gab in seiner mutter.
Ist es aber ein junge tochter, so mag man das
volgende evangelium lesen: So wöllen wir hören
das heilige evangelium, das Mattheus am 9. cap.
[18-26] schreibet:
Es kam zu Jhesu der obersten einer und fiel
vor ime nider und sprach: Herr, mein dochter ist
jetzo gestorben, aber komme und lege deine hende
auf sie, so wirdt sie lebendig. Jhesus stund auf
und volget ihme nach und seine jünger. Als er
nun in deß obersten hauß kame und sahe die
pfeifer und das getümmel deß volcks, sprach er
zu ihnen: Weichet, dann das maidlein ist nit todt,
sonder es schleft. Und sie verlachten in. Als aber
das volck ausgetrieben ware, gieng er hinein und
ergreif sie bey der handt, da stunde das maidlin
auf. Und das gerücht erschalle in das gantze
landt.65
In diesem evangelio wirdt uns ein groß und
herrlich wunderwerck fürgehalten, daß Christus
ein jungen sohne (oder junge dochter) von todten
hat auferweckt. Nun hat Christus hiemit nit an-
zeigen wöllen, das die todten für und für, ehe und
sie begraben werden, widerumb zu diesem elen-
den leiblichen leben kommen sollen, sondern das
er damit die warheit seines evangelions bestätigt
und anzeyget, das nit allein die alte, sonder auch
die jungen seines evangelions und desselbigen
himlischen, ewigen güter geniessen solten.
Und erstlich, nachdem die jungen neben den
alten sterben, so ist zu bedencken, das solches

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